Sonntag, 25. Dezember 2011

Guttenbergerei beim Eurovision Song Contest

Haben wir Schlagerfans des Eurovision Song Contestes also demnächst den Guttenberg am Hals…? Absurder Gedanke, mögen viele jetzt denken, und so versuche ich mal, mein Unbehagen zu erklären.

Vorab: Als mehr oder weniger unpolitischer ESC-Fan maße ich mir nicht an, über Weltpolitik zu urteilen, auch möchte ich nicht den Eindruck erwecken, für irgendein Land Partei zu ergreifen. Ich möchte lediglich zum Ausdruck bringen, dass mich der Missbrauch des ESC für politische Zwecke, vor allem für Hetzkampagnen, nervt. Sie sorgen nachhaltig für eine Entsolidarisierung unter den Fans (auch innerhalb Deutschlands) und verkehren den Zweck dieser Unterhaltungsshow in sein Gegenteil.


Unbehagen wegen Guttenberg

stellte sich nicht nur bei mir als ESC-Fan ein, sondern u. a. auch beim Blog
MedienMittweida. Dort lese ich, "dass Karl Theodor Maria Nikolaus Johann Jacob Philipp Franz Joseph Sylvester Freiherr von und zu Guttenberg neuer EU-Beauftragter für Netzfreiheit wird. Offiziell soll der Mann mit den vielen Vornamen herausfinden, wie Blogger und Cyberaktivisten in autoritären Ländern unterstützt werden können.“ Weiter heißt es im Blogtext „In militärischem Jargon erklärte Guttenberg während seiner Vorstellungs-Pressekonferenz, seine „Heimatbasis“ seien die USA." Ein EU-Beauftragter mit Heimatbasis USA klingt für mich eher nach einer Kriegserklärung, ich hoffe, dass dies ein Missverständnis ist.

Unbehagen wegen politischer Vereinnahmung der ESC-Fankultur

ist berechtigt, sobald ein osteuropäisches Land den ESC gewinnt. Dann nämlich beginnen die Hetzkampagnen, natürlich stets auf Grundlage außermusikalischer Themen wie z. B. der Homosexualität. Vor dem Contest in Belgrad 2008 gab es vordergründig nur noch ein Thema, und zwar die Schwulenfeindlichkeit der Serben. Ein Jahr später bekam Russland als austragendes Land diesen Vorwurf noch mehr zu spüren. Die deutsche Journaille einschließlich ihrer Lohnschreiber und Mietmünder überbieten sich noch heute, wenn sie von der niedergeprügelten Schwulendemo aus Moskau berichten.


Dumm nur, dass es so eine Demo in dem Maße nie gegeben hat. Ich war zu der Zeit in Moskau: Einen Tag vor dem Finale kam es lediglich zu einem kleinen Zwischenfall an der Lomonossow-Universität mit weißrussischen Studenten, vielleicht ja solche Weißrussen, für die sich vor kurzem
Karin Göring-Eckhart im DLF einsetzte, weil diesen die Annahme der finanziellen Unterstützung aus dem Ausland untersagt wurde. Nun, eine aus dem Ausland finanzierte Opposition wird wohl kein Land gerne dulden, warum dann Weißrusland?

Zurück nach Moskau 2009: Am Finaltag war es kalt und regnerisch, der Rote Platz war gesperrt und rundherum herrschte emsiges Markttreiben.
Wie ich herausfand, gab es weder einen Organisator oder Ansprechpartner für eine Demo, noch gab es eine Demo-Route, über Kundgebungen war nichts bekannt, es gab nicht mal interessierte Schwule. Es gab nur Gerüchte, mit denen man Russland vor der Weltöffentlichkeit während des Contestes diffamierte und schlechte Stimmung verbreitete.

Aserbaidschan und Homosexualität

Gleich nach dem Sieg Aserbaidschans konnte man schon wieder den Kopf einziehen. X-beliebiger Beispieltext, diesmal aus der
britischen Regenbogenpresse: “However the Muslim country has a dodgy track record of prejudice towards gays. Thousands of gay Eurovision fans, who make up a massive percentage of supporters at the contest, are threatening to boycott it.” Und hier noch einen Text zur Bestätigung aus ATV Today.

Sonderbar, sonderbar… aber der Vorwurf der Schwulenfeindlichkeit scheint bislang nicht richtig zu ziehen, zumindest nicht in Old-Germany. Zum einen haben die deutschen Organisatoren mit der fast religiös-inbrünstigen Hofierung von Merkelberater Nikolaus Meyer-Landruts Nichte den Bogen überspannt, zum andern profitiert die deutsche Wirtschaft von der Austragung in Baku. Die für die Austragung erbaute Baku-Crystal-Hall wird nämlich von der Alpine Deutschland GmbH gebaut, und für die Produktion der TV-Show hat man Brainpool TV GmbH als Kooperationspartner gewonnen, worauf die deutschen Unternehmen stolz wie Könige sind. In Aserbaidschan spielt Geld bekanntlich keine Rolle, was bei Stefan Raab anders zu sein scheint. Zwei Jahre lang versuchte er sich gegen den selbst kreierten ESC-Erzfeind Aserbaidschan zu profilieren – vergeblich. Die Tantiemen seines unermüdlichen Lena-Fleißes fließen nicht in seine Taschen, sondern wie gehabt ins Land der Politiker-Flüsterer.


Stattdessen kommt neben den fast schon lachhaften Angriffen der armenischen Diaspora - natürlich aus den USA - die undurchsichtige
Hetze jetzt aus Dänemark. Der dänische Fanclub-Präsident fordert auf zum Boykott? Auslöser sei der geplante Abriss von Wohnhäusern in Baku zugunsten der Baku-Crystal-Hall. Nur warum zeigen Dänen nicht den Hauch von Betroffenheit, wenn es um Klagen der Berliner Hausbesetzerszene oder um Opfer der allgemeinen Gentrifizierung geht? Was bei uns mit Verweis auf Sachzwängen gar nicht erst diskutiert wird, stellt also in Aserbaidschan eine Menschenrechtsverletzung dar? Wenn das mal nicht noch kontraproduktive Folgen hat...

Dann also mal die Menschenrechte im Allgemeinen…

"Die Grundrechte sind die Ecksteine des Erfolgs des Eurovision Song Contest. Jetzt fordert die Europäische Rundfunkunion vom autoritär geführten Aserbaidschan Garantien, dass diese eingehalten werden“, so das
Handelsblatt oberlehrerhaft am 01.09.2011.
Aber stimmt es, dass die EBU prangerte und forderte? Ich fand dazu keine Information, im Gegenteil, die EBU schien schon im September 2011 zufrieden: Jørgen Franck, Direktor ad interim vom EBU Television Department: “Every year, the contest has something new to offer. Based on what I've heard today, I am sure that we will see a magnificent show next year in Baku. We fully support Ictimai TV in that, and will continue to work closely with you also after the contest."

Dann noch die sog. Menschenrechtler im Besonderen

Wie berechtigt die Vorwürfe von Menschenrechtsorganisationen im Einzelnen sind und welche Maßstäbe sie ihren Beurteilungen jeweils zugrunde legen, sei hier dahingestellt. Als Beobachterin finde ich es nur fragwürdig, wie uns ESC-Fans ihre Ergebnisse vermittelt und dass sie ausgerechnet in einem passenden Timing mit dem ESC auf den Tisch gebracht werden.


Getarnt als Graswurzelbewegung werden wir mit der Betroffenheit von Bloggern und Aktivisten geradezu überrumpelt. Offensichtlich geht es diesen Menschenrechtlern aber nicht um die Emanzipation von Unterdrückten, sondern sie produzieren Appelle, die beschimpften Länder in Bausch und Bogen zu verurteilen. Wer diese Appelle in Frage stellt, macht sich leicht zur Unperson. Genau an dieser Stelle beginnt die Entsolidarisierung der Fans und damit die Zerstörung einer gewachsenen Fan-Kultur innerhalb Europas. Gewollt?


Einem Mann wie Guttenberg, der aus seiner Abhängigkeit von Netzwerken keinen Hehl mehr macht, der auf sich allein gestellt nicht viel zu können scheint, dem schon die Aura der kriminellen Energie umgibt, traue ich durchaus zu, sich als Anstifter solcher Kampagnen herzugeben.

Die diesbezüglichen Statements der Aserbaidschaner erscheinen mir im Gegensatz dazu nachvollziehbarer. Ich fasse kurz zusammen: Die Menschenrechtsorganisationen geben ihre Quellen nicht an, korrigieren die falschen Zahlen nicht, schreiben voneinander ab, und schreiben im Interesse der Länder, von denen sie finanziert werden…und zwar Guttenbergs „Heimatbasis“.

Zum Schluss sei erwähnt, dass mir Obamas jüngstes Vorhaben, sich für Schwulenrechte im Ausland zu engagieren (s. Ria Novosti vom 08.12.2011), im Zusammenhang mit dem ESC mit Sorge erfüllt. "Professor Viktor Kremenjuk vom Institut für USA und Kanada ist der Ansicht, dass Obama nicht nur innenpolitische Ziele verfolgt. Wie das Thema Menschenrechte kann auch der Schutz von Homosexuellen als Instrument für den Druck auf ausländische Regierungen verwendet werden."
Auch wenn so viel amerikanische Fürsorge die Eitelkeit der Schwulen schmeicheln mag, werden sie hoffentlich nicht so dumm sein, blind darauf anzuspringen. Ginge es nämlich wirklich um die Belange von Homosexuellen, müsste Obama erst mal im eigenen Land anfangen.

Mittwoch, 7. Dezember 2011

Tatort x-factor: Kommissar David Pfeffer hat Blut geleckt

Es gibt also einen neuen x-factor-Sieger: David Pfeffer. Und sein Markenzeichen sind neben Polizeimütze ausgerechnet die leisen Töne. Ich fand ihn in der Gesamtshow auch am besten. Aber für dieses Ergebnis sollte man sich also wochenlang von zahllosen Kandidaten anschreien lassen? Und dann mit Musikstücken, die man schon monatelang zuvor im Formatradio in Rotation gehört hat? Wie aufregend.

Retro, Retro und noch mal Retro
Ich mag diese Shows nicht. Ganz schlimm, wenn sie sich einen seriös-kuscheligen Anstrich geben und sich doch nur durch Abgrenzung von Dieter Bohlen legitimieren. All die abgehalfterten Musiker, die sich in ihrer Selbstreferenzialität fast überschlagen: „Wir sind ja so anders, deswegen sind wir toll. Ja, das ist x-factor, das ist Voice of Germany, das ist USFx, wir sind lieb zu den Teilnehmern. Wir sind Gefühl pur, wir sind cool, wir sind Ausdruck, wir sind bla bla bla…“ Da ist mir Dieter Bohlen, der zumindest keinen Hehl aus seinen unterirdischen TV-Formaten macht, fast lieber, weil weniger arrogant.

Alle Castingshows sind gleich
Statements der Juroren durch Splitscreen mit eben solchen Statements der Castingteilnehmer umrahmt Schnitt Gefühlsausbrüche Schnitt einstudierte Blicke in die Kamera Schnitt Rückblicke Schnitt Auftritt Castingteilnehmer Schnitt Kameraschwenk Publikum Totale Schnitt Backstage Schnitt Logo Schnitt Zeitraffer Rückblick Schnitt Zoom Jurorenstatement Schnitt Gesichtsausdruck Castingstar nah, unendliche Umarmungen Schnitt noch unerträglicher der Sound, ein Mix von Jingles, Melodiefetzen anglo-amerikanischer Hits und Nachgesungenem dauerhaft unterlegt mit Gegröhle, Gekreische und Zurufen von Publikum und Mietmündern. Vor jeder Wertungsverkündung läuft der Moderator zur Hochform auf und liefert eine Predigt ab, als ginge es um Leben und Tod.

Witzigerweise sind die Werbespots und Vorankündigungen im gleichen Stil angefertigt, so dass man gar nicht mehr erkennt, ob man nun die Sendung oder ihren Werbespot sieht. DSDS, Deutschland sucht den Superstar, Voice of Germany, USFX, Germany's next Topmodel, Popstars, Das perfekte Model, The winner is (mit Linda de Mol)... Beim Durchzappen deutet nur noch das Senderlogo darauf hin, in welcher Show man sich gerade befindet, wobei Voice of Germany und USFX auf gleich zwei Sendern schon für Irritationen sorgen.

Du bist Deutschland
Ob sich die Macher dieser Shows wohl jemals vorgestellt haben, wie es ist, wenn man sich so eine Show alleine anschaut? Gehen die etwa davon aus, dass das Publikum im Familienverbund TV schaut, oder ausgerechnet eine Castingshow als eine identitätsstiftende Großveranstaltung feiert? Dass wir bei dieser ermüdenden Fließbandproduktion mit Schülern, Studenten, Hausfrauen und Arbeitslosen (und neuerdings auch Polizisten) noch kollektiven Fanatismus an den Tag legen? Fast können sie einem leid tun, die bemühten Juroren und ihr ganzer TV-Trash-Füllstoff. Die verkrampft seriösen Shows noch mehr als Bohlens entspannte Freakshow, denn ich nehme sie in ihrer Anbiederei beim Publikum mehr und mehr als Bettler wahr.

Und am Schluss hängt alles davon ab, dass das Publikum sich wieder blöd stellt und komplizenhaft so tut, als hätte es nach so viel mühseliger Fließbandarbeit zufällig auf der Straße einen Diamanten gefunden – einen Diamanten zum Wegwerfen. Denn immerhin haben uns bislang alle Castingsternchen den Gefallen getan, genauso schnell wieder zu verschwinden wie sie gekommen sind. Oh Graus, das wollen die Shows mit Anspruch jetzt ändern? Uns Publikum bleibt auch nichts erspart.

David Pfeffer, du bist schon OK!
Ich will nicht ungerecht sein, denn Till Brönners feinfühliger Schützling David scheint meinen Schmerz immerhin zu ahnen. Auf die Frage nach seiner musikalischen Zukunft: „Ich werde niemals Grönemeyer oder Xavier Naidoo beerben, das ist mir klar. Aber solange ich Musik mache, zu der ich stehe und die künstlerisch zu mir passt, bin ich zufrieden. Das ist mir wichtiger als kommerziell erfolgreich zu sein.“ So David in der BILD.

Lieber David, kommerziell erfolgreich sein, ist doch ok, aber warum Castingshow?



David Pfeffer und seine Band Inpaticula mit "
A Promise"
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Freitag, 18. November 2011

Ausweitung der Kampfzone - Creative Commons auch in Usbekistan

Als User und Musik-Konsumentin empfinde ich CC mittlerweile als eine wahre Bereicherung. Was wäre ich z. B. ohne Wikipedia? Frustriert bin ich z. B. dann, wenn ich innerhalb Deutschlands auf youtube den Satz lese „Unfortunately, this video is not available in Germany because it may contain music for which GEMA has not granted the respective music rights.“

Ich fühle mich wie ein User in China. Mal ehrlich: Die Musikindustrie und die GEMA sollten ihr Geschäftsfeld überdenken, denn diese Einschränkungen nutzen weder dem Konsumenten und erst recht nicht den Musikern. Wie soll ich über etwas schreiben oder etwas kaufen, wenn ich es gar nicht kennen lernen darf? Denn in dem Moment, wo sich die GEMA wie ein Cerebus vor den Musikhimmel schiebt, bleibt mir nichts anderes übrig, als mich genau DER Musik zuzuwenden, die verfügbar ist. Und so habe ich mich mittlerweile zum Fan usbekischer Popmusik entwickelt: Jung, abwechslungsreich, witzig und inspirierend, teilweise mit pädogogischem Anspruch!


Give It Up!




Einer meiner usbekischen Favoriten ist der usbekische Rapper, Produzent und Entertainer Shoxrux, der also auch unter CC veröffentlicht. Mir gefallen vor allem die melodischen, teilweise melancholischen Rap-Stücke mit Anleihen aus der usbekischen Folklore und Popmusik sehr gut.

Nachdem ich mir auf seiner Homepage ein paar Lieder heruntergeladen habe, habe ich ihm unbekannterweise eine Mail geschrieben, um mich für diese Großzügigkeit zu bedanken. Auf meine Frage, ob er von seiner Musik leben könne, antwortet er: "I can live without selling music, because I can do other works." Auch interessierte es mich, ob man in Usbekistan auch so mit anglo-amerikanischer Musik zugedröhnt wird, so dass die einheimischen Musiker kaum noch wahrgenommen werden: "Of course Uzbekistan hears our national music more."


Die usbekischen Autoritäten dürfen sich sogar bei soviel Freiheit der Kunst mitfreuen. Die Musiker singen in ihrer Landessprache (verstehe leider kein Wort), in russisch oder auch englisch. In einem neueren Video von Shoxrux wird auch wacker gesamplet, denn das Video soll schließlich ihren (Shoxrux bezieht sich in all seinen Äußerungen zu seiner Musik stets auf seine Freunde) Stolz zum 20. Jahrestag der Unabhängigkeit Usbekistans zum Ausdruck bringen. Ich bin erstaunt, wie anders so ein Thema verarbeitet wird, wenn es aus einem Land kommt, in dem 65 % der Bevölkerung unter 30 Jahre alt ist.





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Freitag, 11. November 2011

Mein wahrer ESC-Vertreter Bushido bekommt Bambi und - polarisiert

Will ein Pop- und ESC-Fan erwachsen sein...? Natürlich nicht. Dementsprechend ist meine Freude über Bushidos Bambi recht kindlicher Natur. Schade nur für mich, dass ausgerechnet Peter Plate von Rosenstolz dagegen protestierte... Denn die wahren ESC-Vertreter Deutschlands wären für mich Rosenstolz und Bushido gewesen, meinetwegen sogar als Trio.

Was mich anspricht ist, dass alle drei sich aus eigener Kraft von unten bis an die Spitze gearbeitet haben. Ihr Durchboxen prägte die deutsche Musikszene maßgeblich und alle drei haben sich - wenn auch mit unterschiedlichen Themen und Haltungen - ihre treue Fangemeinde aufgebaut. Ganz besonders freut mich, dass in Deutschland so unterschiedliche Musiker nebeneinander und gleichzeitig erfolgreich bestehen können.


Zugegeben, als ich mir vor einigen Jahren Bushidos Lieder zum ersten Mal anhörte, war ich gespalten. Einige Lieder trieben mir die Röte ins Gesicht, andere wiederum rührten fast zu Tränen. Unverschämt, respektlos und brutal, gleichzeitig melancholisch, abgeklärt und weinerlich. Da sang und rappte sich ein normaler Jugendlicher, einer wie du und ich, den Frust vom Leib und machte mit zahllosen Tabubrüchen auf sich aufmerksam. Nur allzu verständlich, wenn sich eine ganze um Chancen und Glück betrogene Hartz-4-Pisa-Generation davon angesprochen fühlt. Wahrscheinlich sind es gerade die Kraftausdrücke, die sie aus ihrer Ohnmacht holen und ihnen vielleicht sogar ein Stückchen Kraft, Mut und vor allem Würde zurückgeben können. Seine neueren Stücke gehören übrigens derzeit zu den wenigen gesellschaftskritischen Musikstücken in Deutschland.


Bushido hat sich nicht negativ über die Preise anderer geäußert, seine Auszeichnung allerdings spaltet die Gesellschaft. Gut für Burda, denn ihnen und ihrem Medienpreis leistet King Bushido einen Bärendienst. Aber lohnt sich die Aufregung? Bushido ist durch seine umstrittene Musik zwar reich geworden, aber einen sozialen Aufstieg will man ihm partout nicht zugestehen. Diese Art der "Integration" hat im Ständesystem Deutschlands noch nie richtig geklappt.


Und somit bleibt Bushido für mich u. a. die bottom-up Antwort auf Treuhand- und Staatssekretär, Finanzsenator, Bundesbankvorstand und Sachbuchautor Thilo Sarrazin. Wer Sarrazin kumpelhaft und augenzwinkernd als notwendigen Provokateur möchte, muss die zahllosen Bushidos auch aushalten können.

"...wie soll ich heute noch umkehren ich bin zu weit gegangen, durchquere die Stratosphäre die Sterne sind zum Greifen nah, und sie folgen meiner Stimme wie verzaubert ergriffen von dem Licht meiner Aura, ich geb Power."

Kool Savas



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Dienstag, 18. Oktober 2011

Aserbaidschan: Geh'n Se mit der Konjunktur!

„... geh’n Se mit! geh’n Se mit!, geh’n Se mit auf diese Tour..."

So sang Hazy Osterwald für und über uns Deutsche im Jahr 1961. Ich werde fast wehmütig, wenn ich von den ganzen Plänen und Versprechen Aserbaidschans für den Eurovision Song Contest 2012 in Baku lese. Das alles erinnert mich an die Zeit des deutschen Wirtschaftswunders, von dessen Auswirkungen ich noch etwas mitbekommen habe. Zum Glück, denn im Vergleich zu heute haben wir damals das Paradies auf Erden kennen gelernt.


Genau wie Deutschland, musste Aserbaidschan vor 20 Jahren fast aus dem Nichts ein neues System aufbauen (ohne Hilfe aus den USA). Zum derzeitigen Stand der Dinge hat der Präsident Illham Aliyev auf Al Jazeera (Video) ein aufschlussreiches Interview gegeben, in dem es zum Schluss auch um den politischen Aspekt des Eurovision Song Contestes geht.

So dürfte sich also die aserbaidschanische Bevölkerung derzeit durch den kontinuierlichen Aufbau das Landes ähnlich von guten Taten überrumpelt fühlen, wie wir vor 50 Jahren. Dies zeigt auch ein Beitrag aus dem Deutschlandradio vom 10.08.2011, in dem es um das exclusive Gabala-Music-Festival in Aserbaidschan geht:


Deutschlandradio Teil 1

Deutschlandradio Teil 2

Es lohnt auf jeden Fall, sich diese informative, kritische und zugleich unterhaltsame Reisebeschreibung aus Aserbaidschan von der Journalistin Olga Hochweis anzuhören, denn sie weicht angenehm von der bislang üblichen deutschen Berichterstattung ab, die sich in ihrer Sorge um Aserbaidschans mangelhafter Demokratie zuweilen überschlägt. Ausgerechnet.

Aber zurück zu Aserbaidschan:
50 Jahre später hört sich nun der Wirtschaftswundersong aus Aserbaidschan in etwa so an:





Erstmalig in der Geschichte des ESC wird eigens für dieses Event eine neue Halle, die Baku Crystal Hall, gebaut, u. a. auch von der Alpine Bau Deutschland GmbH, wie news.az berichtet: The stadium being built by AlPINE will accommodate over 23,000 people [...] Moreover, one of the components of the project is to build 1,500-seat media center near the complex with all necessary equipment. [...] The complex will meet international standards and have sufficient number of entrances and exits to ensure smooth reception of visitors. In accordance with the standards, all visitors of the stadium can be evacuated in eight minutes in event of any emergency. [...] The stadium will also have VIP-boxes."

Viel Zeit bleibt für den Bau der großen Halle nicht, aber "Minister Azad Rahimov believes building for Eurovision to be constructed on time."

Der Befürchtung, dass die Halle nicht rechtzeitig fertig werden könnte, entgegnet man mit Plan B denn zusätzlich wird der Sportkomplex "At Tofig Bahramov Stadium" bereits überdacht, er bekommt neue Sitze und eine neue Heizung.

Aber auch außerhalb der Halle möchte man den Besuchern den Aufenthalt so angenehm wie möglich machen. News.az: "The National park will be prolonged till National Flag square and its length will be reached from 4 km to 6 km. Majidov added that during the competition the National Park Office will operate in an intensified work regime. A large monitor has been set in boulevard. Information about Azerbaijan’s history and culture will be posted on it. Moreover, the ships considered for sea trips will be upgraded too. Agreement has already been signed and 3-4 new ships will be purchased."

Die Touristen sollen sich rundum wohlfühlen

Weiter heisst es, "One more car park will be commissioned in Baku till Eurovision song contest." Und auch der Flughafen "Heydar Aliyev International Airport" wird einer Sanierung unterzogen. Es wird wohl auch noch ein neuer Flughafen gebaut, aber wohl eher für die Olympischen Spiele 2020 in - vielleicht - Baku?

Bei so vielen geweckten Erwartungen blicke ich noch einmal zurück auf Aserbaidschans ESC-Historie und komme zu dem Schluss, dass meine persönliche Siegerin für Aserbaidschan und für 2010 Safura bleibt. Der kleine Versprecher von Al Jazeera-Reporter Sir David Frost, dass Aserbaidschan letztes Jahr den Song Contest gewonnen habe, gefiel mir. Aber nur mit der Drip-Drop-Version von Zeljko Joksimovic. Vielleicht war es ein Fehler, dass die Aserbaidschaner sich nicht für diese Version entschieden haben.







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Samstag, 8. Oktober 2011

Herzlichen Glückwunsch Afghanistan

... oder Absurdistan? Egal. Wo ein Sieger gefeiert wird, muss vorher ein Wettbewerb stattgefunden haben. Und gewonnen hat 2011 beim Asia Vision Song Contest bzw. Asia Pacific bzw. Our Sound... laut youtube

Valy für Afghanistan!




"
The song was nice but the acting was gay".

Valy war schon mein
Traumfavorit für den Iran.

Nun gut, dann also Afghanistan. Man erinnert sich?


Afghanistan!





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Samstag, 1. Oktober 2011

Bekommt der Eurovision Song Contest Konkurrenz?

1955 beschloss die Europäische Rundfunkunion (EBU) ein gemeinsames Projekt: den Grand Prix d'Eurovison de la Chanson, seit 1992 bekannt als Eurovision Song Contest. Die EBU als ein Zusammenschluss der staatlichen und öffentlich-rechtlichen Fernsehanstalten in Europa hatte bislang auf dieses einzigartige Festival eine Art Monopol. Aber damit könnte es bald vorbei sein. John de Mol denkt über ein "Voice of Europe" nach, wahrscheinlich dann mit Privatsendern als Projektmitglieder.





(O-Ton) John de Mol von 01'00 bis 02'00:
"Voice of World könnte nervig sein, denn wenn man das mit den USA und Europa machen will, hat man da die Zeitverschwiebung, aber ein Voice of Europe, das ist etwas, an das wir uns schon vorsichtig herangetastet haben. Nun ja, wir haben tatsächlich schon einen Anfang gemacht mit allen Ländern, in denen wir das Format an Sender verkauft haben, es gibt auch schon ein positives Feedback dieser Länder, dass sie mitmachen wollen, wenn es denn richtig los gehen sollte."

Angefangen hat es 2010 mit The Voice of Holland, ein Castingformat aus dem Hause John de Mol, dieses Jahr startete in den Niederlanden bereits die 2. Saison. Aber nicht nur in den Niederlanden. De Mol konnte dieses Format bislang erfolgreich an Sender in Australien, Belgien, Bulgarien, Finnland, Frankreich, Griechenland, Indien, Israel, Mexiko, Polen, Portugal, Rumänien, Schweden, Türkei, Ukraine, USA und - last not least Deutschland verkaufen.


Die deutsche Version startet als The Voice of Germany im Herbst auf Pro7 und Sat1 mit u. a. Nena und Xavier Naidoo als Juroren. Die Sendung zeichnet sich dadurch aus, dass die Sänger von den Juroren ausschließlich nach ihrem Gesang beurteilt werden, indem die Jury so platziert wird, dass sie die Interpreten nicht sehen kann.


Das Aus für Anmut und Natürlichkeit - was zählt ist Singen

Beim Eurovision Song Contest waren Modalitäten und Kriterien, nach denen die jeweiligen Vertreter ermittelt wurden, den Ländern selber überlassen: Ob Nominierung, Casting-Show oder Vorentscheidung mit bekannten Musikern... oder Unmusikern. Wichtiger waren angeblich Text und Komposition, mit denen die Länder an den Start gingen. Bei de Mols Konzept dürfte zum ersten Mal der Ablauf der Vorauswahl schon klar vorbestimmt sein: Die Vorauswahl wird von den "blinden" Juroren getroffen,
in mehreren Stufen können im Finale schließlich die Zuschauer den Sieger ermitteln. (Genaueres siehe Link zu The Voice of Holland).

Auf jeden Fall scheint mir das von John de Mol ein kluger Schachzug zu sein. Denn mit diesem Hintergrundwissen wird man sich als ESC-Fan Voice of Germany etwas genauer anschauen, vielleicht wegen des Neuigkeitscharakters sogar genauer als die Vorentscheidung für den ESC. Immerhin beweist der erste niederländische Sieger für mich schon rein optisch eine kleine Beurteilungsverschiebung:





Ein weiterer kluger Schachzug ist natürlich de Mols zusätzlicher Einsatz bei dem "Nationaal Songfestival" zum ESC 2012. So kann er sich vielleicht mit einem tollen niederländischen Song schon mal beim europäischen Publikum bekannt machen für Voice of Europe.


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Samstag, 24. September 2011

Der Eurovision Song Contest in Teheran...

Beim Stöbern durch die Eurovisions-Blogosphäre fiel mir ein Nebensatz aus dem NDR-Blog auf: "Ich freue mich auf dieses Land, auf diese interessante kulturelle wie politische Erfahrung nur wenige Kilometer von Teheran entfernt."

"... nur wenige Kilometer von Teheran entfernt." Genau das verbinde auch ich mit Baku. Warum? Meine Antwort ist subjektiv: Nicht der 11.09.2001 hat die Welt verändert, dieser Vorfall hat meiner Wahrnehmung nach eine Misere nur befestigt. Verändert hat sich die Welt im Februar 1979 mit dem Machtwechsel im Iran. Bis dahin war dieses ganze Gebiet für uns "1000 und eine Nacht", das von Hippies auf ihrer Reise nach Indien locker durchquert werden konnte.


Persische Liebe
Passend zu dieser naiven, unpolitischen Wahrnehmung entstand zur gleichen Zeit ein fantastisches Musikstück, das in seinem genauso naiven wie kreativen Gebrauch von Samples unser Lebensgefühl unterstrich und mit seiner Sampling-Technik gleichzeitg einen Meilenstein in der Popularmusik darstellte:
Holger Czukay's Persian Love. Nicht identifizierbare persische Stimmen aus dem Kurzwellenradio wurden mit einem Crossover von Weltmusik vermischt.

Von diesem Lebensgefühl kann seit 1979 keine Rede mehr sein. Nach 1979 haben sich Fronten verhärtet, mittelalterliche Diskurse wurden wieder salonfähig, aus den unbeschwerten Hippies wurden Junkies (Heroinschwemme) und Muslime (Cat Stevens), langsam aber sicher verschwand für uns westliche Wohlstandskinder das Wirtschaftswunder-Paradies. Im Vorlesungssaal fand man sich schließlich mit einer ganzen Generation entwurzelter Iranern und Iranerinnen wieder.


Ein Eurovision Song Contest in Teheran...

Das hätte nach 30 Jahren was. Immerhin: Bis 1988 hätte ich nicht im Traum daran gedacht, dass Russland jemals am ESC teilnehmen würde. Werden wir älteren Fans noch einen Song Contest in Teheran erleben? Der Iran ist immerhin passives Mitglied der EBU. Und das, was nun in Aserbaidschan geschieht, wäre doch auch im Iran möglich, sie dürften sogar über noch mehr und noch bessere Ressourcen verfügen. Voraussetzung wäre lediglich, dass sich das Land von dieser Art Grauschleier befreite. Unvergessen bleibt der mutige und absolut modern geführte und gut vernetzte Aufstand überwiegend junger Menschen im Jahr 2009, der nicht nur die iranische Regierung, sondern auch Regierungen westlicher Länder in Schockstarre versetzte.


Eines ist sicher: Der Iran beim Eurovision Song Contest wäre ein Knaller. Ich wette, sie würden gleich bei der ersten Teilnahme gewinnen. Richtig gewinnen!






PS: Wer sich für dieses Thema interessiert bzw. meinen verrückten Wunsch eines ESC in Teheran nachvollziehen möchte, dem empfehle ich den Film "Die Kaiserin und ich" von der Exil Iranerin und Journalistin Nahid Persson.


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Mittwoch, 14. September 2011

And the Winners are... Free! Music! Contest 2011 - FreeMixter

Press release of 12 september 2011

July 1st 2011 has been the starting day of this year's Free! Music! Contest, the motto is "FreeMixter". The contest run by Musikpiraten e.V. took places the third time and has already reached some international publicity in the Creative Commons music scene. This year's focus is on enabling remixes - as the motto indicates. Therefor the remix portal ccmixter.org is embedded where artists like Mike Shinoda (Link Park), DJ Vadim and the Beastie Boys have released single tracks from their songs to enable the creation of remixes.


As a musical patron the canadian Allison Crowe could be won. Crowe has become worldwide known for her interpretaion of "Hallelujah" by Leonard Cohen. She releases her own work under Creative Commons at jamendo.com for years. In her function as the patron Allison Crowe makes a delicate gift to the Creative Commons remix scene: She released a acapella version and piano tracks of "Spiral". They can be downloaded in high quality at the Musikpiraten's server and be used for own Songs.


The first two years the Free! Music! Contest was more a "Shareable! Music! Contest". "Free" has been used in the sense of "free beer" instead of in "freedom". All published songs were free to be copied and shared, but commercial use and - what's even more important - creating derrivate works has not been allowed for a lot of songs. The concept worked out: More than 130 bands and artists coming from over 30 countries joined the contest and a very well balanced sampler has been produced. But has this been the right way? Does only size matter? The Musikpirat say firmly "No!". So this year the rules had been changed. Freedom rulez free beer. Every winner song is released cc-by or cc-by-sa.


The result is a sampler with 19 songs that can be downloaded for free at Bandcamp. Friends of classical media can buy a double CD in a DigiPack. The second CD contains the source tracks of the winning songs. The CDs can be ordered via bandcamp too, the price is 2,50€. Who wants to pay more is free to do so. A pretty bunch of remixes can be found at ccmixter.

Listen to the songs!




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Freitag, 2. September 2011

Rosenstolz - die wahren ESC-Vertreter für Deutschland

Wenn es eine Band gibt, die ich beim Eurovision Song Contest für würdige Vertreter Deutschlands halte bzw. gehalten habe, dann ist das Rosenstolz. Dabei trifft längst nicht jedes ihrer Lieder meinen Geschmack, sondern die Mischung aus Kleinkunstbühne, Glamour, Fannähe, schwuler Ästhetik und Pop passen einfach zum Song Contest.

Wenn es einen Medienmenschen gibt, der Rosenstolz nachhaltig beim ESC verhindert hat, ist das Stefan Raab. 1998 hat er sich mit einer ausschließlich an Schadenfreude appellierenden Polarisierungskampagne gegen die Fanfavoriten Rosenstolz durchgesetzt. Und als 2004 bei der Sendung "Germany 12 Points" Raabs Schnarchnäschen Max Mutzke einen ach so zufälligen Überraschungssieg feierte, durften Rosenstolz gerade noch als Pausenfüller herhalten. Nur: Ich kenne niemanden, der nicht nach dieser faden Sendung mit dem bescheidenen Ergebnis enttäuscht und irritiert ausgerufen hat:

"Das beste Stück des Abends war "Lass es Liebe sein" von Rosenstolz. Warum vertreten die uns nicht beim ESC?!"


Leider haben sich wohl auch die Fangemeinden nie wirklich für einen ihrer Kandidaten eingesetzt. Pech für Rosenstolz & Co., Glück für Raab. Stefan Raab und seine Leute werden dem Publikum stets recht großkotzig aufgezwungen. Die letzten beiden Jahren grenzte seine Strategie schon an aggressive Anbettelei. Will man so etwas wirklich?

Zurück zu Rosenstolz: Nach einer Aus-Zeit sind sie wieder da, veröffentlichten bereits ihr neues Video und werden am 23.09.2011 ihr Album "Wir sind am Leben" präsentieren.

Am 31.08.2011 wurde ihnen von Berlins Regierendem Bürgermeister Klaus Wowereit das Verdienstkreuz 1. Klasse des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland übergeben. Geehrt wurden sie wegen ihr ehrenamtliches Engagement im Kampf gegen HIV und AIDS.

Ihr Pausenfüller aus 2004 ist mittlerweile Kulthit Nummer 1 in Berlin. Ex-Spice-Girl Mel C wird eine Coverversion mit dem Titel "Let It Be Love" veröffentlichen.
Und in Berlin wird dieses Lied mittlerweile gerne bei standesamtlichen Trauungen gespielt. Weil es passt und weil es immer noch schön ist.

Zum Musikvideo "Liebe ist alles"

Dienstag, 30. August 2011

Guido Westerwelle und der Eurovision Song Contest

Kein Politiker bekommt derzeit so viel Haue wie Außenminister Guido Westerwelle. So wenig ich als ESC-Fan von Politik verstehen mag, fand ich seine Stimmenthaltung im UN-Sicherheitsrat am 17.03.2011 in Sachen Libyenpolitik überraschend anständig und vernünftig. Schmutzig hingegen finde ich eher die Kampagne gegen ihn. Aber was hat das mit dem ESC zu tun? Nichts, Libyen macht sowieso nicht mit, höchstens Marokko hat als leuchtendes Vorbild für nordafrikanische Staaten ein Interesse für eine Teilnahme am Eurovision Song Contest in Aserbaidschan's Hauptstadt Baku bekundet.

Und von dort bekam Guido Westerwelle neulich Post, wie eine aserbaidschanische Newsseite zu berichten weiss: "A concert dedicated to the so-called ‘20th anniversary of independent’ of puppet regime in Nagorno Karabakh is planned in German city of Stuttgart on 19 September as part of days of Armenian culture. To avert this provocation, the Azerbaijani embassy holds a number of measures with the state structures of the country. Thus, the Azerbaijani embassy has already submitted a note of protest to the German Foreign Ministry, fixing Azerbaijan’s position on this issue and asking the Foreign Ministry of Germany to avert Armenia’s provocation in the political PR of the separatist regime."

Wenn man denn unbedingt die Unabhängigkeit Nagorno Karabakh's feiern möchte, wieso tut man dies nicht in Nagorno Karabakh, oder zumindest im angrenzenden Armenien? Wir haben den Mauerfall doch auch in Deutschland und nicht etwa in China gefeiert. Wieso also müssen sich unser Außenminister, die Aserbaidschaner und Armenier mit so einem Problem beschäftigen? Und was hat das überhaupt mit dem Eurovision Song Contest zu tun? Auch hier lautet die Antwort: Nichts. Und ich will schwer hoffen, dass das auch so bleibt!


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Freitag, 12. August 2011

Talpa produziert die niederländische nationale Vorentscheidung

Kein Geringerer als der in der europäischen Medienlandschaft erfolgreiche wie umstrittene John de Mol mit seiner Produktionsfirma Talpa will sich verantwortlich zeichnen für das anstehende niederländische „Nationaal Songfestival“ zum Eurovision Song Contest 2012. Mit kokettem Understatement erklärt er seine Unterstützung und appelliert an Einsicht und Willen potenzieller Teilnehmer, sich für diese große Aufgabe zu erwärmen.



Übersetzung
„Die Anfrage ehrt mich sehr, die nationale Vorentscheidung ist nach wie vor ein nationales Ereignis. Es wird eine Herausforderung, dem Ganzen einen neuen Impuls zu geben. Die nationale Vorentscheidung ist ja doch ein wenig vernachlässigt worden in den letzten Jahren. Ich möchte allerdings nicht als eine Art Messias betrachtet werden, davon bin ich weit entfernt, ich habe deswegen auch keine schlaflosen Nächte. Ich fühle mich schon unter Druck gesetzt, aber das kann ja nicht schaden.


Wir haben in den vergangenen Jahren sehr schlecht abgeschnitten, ich habe die starke Hoffnung, dass wir endlich irgendwie eine Antwort darauf finden, wie wir im Wirrwarr der europäischen Länder einen Act entwicklen, der endlich wieder oben mitspielt.


Ich denke, es ist auch ein Zeichen, dass die Tros jetzt neue Impulse geben will, dass sie um ein größeres Budget bemüht ist, um etwas Schönes daraus zu machen.


Eine wichtige Veränderung besteht schon mal darin, dass nicht 1 Act 10 Lieder singt, sondern das 10 Acts 10 Lieder singen, wobei jeder sein eigenes Lied singt und seinen eigenen Stil präsentieren sollte. Auch werden wir noch mal genau untersuchen, welche Lieder in den letzten 50 (?) Jahren gewonnen haben, und welche Lieder eben nicht gewonnen haben, um ggf. darin schon eine gewisse Linie zu entdecken. Immerhin ist der ESC die Herausforderung schlechthin, um das eigene Land im Ausland zu repräsentieren, und ich hoffe, dass Menschen, die immer noch zweifeln, sich doch endlich einen Ruck geben und sich anmelden um mitzumachen.“


Fazit
Ich fühle mich unweigerlich an die Kooperation von ARD und Pro7 erinnert, insofern wirkt die Zusammenarbeit mit de Mol auf mich wie eine eingebaute Erfolgsgarantie. Bleibt nur zu hoffen, dass die Niederländer mehr daraus machen als nur Flashmobs und Mindfucks.


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Montag, 1. August 2011

Aushängeschild Berufsmusiker - Дима Билан

Nach dem Sieg Dima Bilans 2008 für Russland gewannen nur noch Castingstars, die in kürzester Zeit aus dem Nichts und teilweise eigens für den Eurovision Song Contest kreiert wurden (Alexander Rybak, Lena Meyer-Landrut, Ell & Nikki).


Vor dem Erfolg haben aber die Götter bekanntlich den Schweiß gesetzt, und den musste Dima Bilan noch aufbringen. Deswegen fiel es mir bei seinem Sieg auch leichter, mich darüber zu freuen. Und dem Zuschauer wurde nicht nur akustisch, sondern auch optisch was Besonderes geboten:




Dima Bilan wuchs auf in Karbardino-Balkarien, bekam früh klassischen Gesangsunterricht und nahm schon in jungen Jahren an zahlreichen Wettbewerben teil. Sein Debüt als Sänger gab er 2002 beim russisch-lettischen New-Wave-Festival, wo er den 4. Platz belegte. Das erste Album "Nochnoy Huligan" veröffentlichte er 2003.

2004 wurde sein Video "Na beregu neba" produziert, kurze Zeit später erschien das gleichnamige zweite Album. Mit einem Song dieses Albums "Not That Simple" nahm er 2005 zum ersten Mal an der russischen Vorentscheidung zum ESC teil und belegte den zweiten Platz. Ein Jahr später wurde er mit dem Stück "Never Let You Go" als russischer ESC-Vertreter nominiert und musste sich dann aber hinter Lordi mit Platz zwei geschlagen geben.


2008 nahm er mit Stück "Believe" in Belgrad ein weiteres Mal teil und - gewann (s. oben). Diesmal mit prominenter Unterstützung des Olympiasiegers und 3-fachen Weltmeisters im Eiskunstlauf, Evgeni Plushenko, und dem ungarischen Violonisten Edvin Marton. Ein erkämpfter und verdienter Sieg.


Auch zwischen und nach den ESC-Wettbewerben war Dima Bilan stets als Künstler präsent, sei es als Sänger, Tänzer, Model oder Schauspieler, dementsprechend wird man vom Sucheregebnis auf youtube von Musikvideos, Interviews und Live-Auftritten fast erschlagen. Gut so! Denn es sind viele schöne Lieder dazwischen. Mein Favorit bleibt sein 2006 erschienenes Lied "Nevozmognoe vozmogno", vor allem das im November 2006 erschienene Video mit Oksana Lavrentieva gefällt mir gut. Eine schwungvoll entflammende Liebesgeschichte, die wunderschön die malerische Stimmung im alten Prag einfängt:





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Dienstag, 26. Juli 2011

Entsetzen, Schmerz und Scham




Initiator dieser Anti-Rassismus-Kampagne war Valid Arfush, Vizepräsident von NTCU Ukraine, und verantwortlich für den ukrainischen Beitrag des Eurovision Song Contestes und des Junior Eurovision Song Contestes. Damit kann ich was anfangen.

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Am 22.07.2011 ereignete sich in Norwegen ein doppelter Terroranschlag. Im Regierungsviertel der norwegischen Hauptstadt explodierte eine Bombe, kurze Zeit später wurde auf ein Jugendlager auf der Insel Utoya ein Anschlag verübt. Insgesamt 76 Menschen kamen dabei ums Leben. Der Attentäter ist ein rechtsradikaler christlicher Fundamentalist.

Schmerzvoll, entsetzt und beschämt nahm ich folgendes Zitat des Attentäters Anders Behring Breivik aus Norwegen zur Kenntnis: "Saturday May 14 - Day 13: It's the Eurovision finale today. I just love Eurovision...!:-) It's a lot of crap music but I think it's a great show all in all. I've seen all the semi finals and will take the time of to watch it later today, online. My country has a crap, politically correct contribution as always....I hope Germany wins".



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Mittwoch, 20. Juli 2011

Reach for the top! Der Junior Eurovision Song Contest 2011 in Armenien



Am 03. Dezember 2011 findet in der Hauptstadt Armeniens die 9. Ausgabe des Junior Eurovision Song Contestes statt, auch dieses Jahr leider wieder mit einer sehr geringen Teilnehmerzahl von 12 Ländern.

Diese sind: Russland, Ukraine, Weissrussland, Georgien, Armenien, Moldawien, Litauen, Niederlande, Belgien, Schweden, Mazedonien und San Marino.

Pro und Contra JSC

Der JSC ist ein Contest für SängerInnen im Alter von 10 bis 16 Jahren. Viele der verantwortlichen europäischen TV-Stationen zeigen allerdings nur geringes Interesse bzw. lehnen diesen Kindercontest völlig ab. Neben der Begründung des mangelnden Publikumsinteresses wird der JSC seit seiner Entstehung kontrovers diskutiert: Der Wettbewerbsdruck sei für Kinder zu groß, die spielerische Herangehensweise an die Musik könne zerstört werden und schlechtplatzierte TeilnehmerInnen könnten u. U. die Niederlage nicht gut verkraften. Für diese Sichtweise dürfte der armenische Slogan für 2011 „Reach for the top“ gar der Bestätigung und Abschreckung dienen.


Einerseits teile ich die Bedenken, andererseits haben sie auch was Verlogenes, vor allem wenn sie von reichen Ländern wie Deutschland geäußert werden, die derzeit bei den Themen Kinderfreundlichkeit, Bildung und Chancengerechtigkeit nicht gerade glänzen und im TV kaum noch über reproduziertes Casting-Gestümper von Erwachsenen hinauskommen. Ohnehin leben wir mehrheitlich in einer Welt, in der Konkurrenzkampf gefördert und Personen- und Machtkult zelebriert werden. In dieser Hinsicht müsste doch schon aus zynisch-konservativer Sicht ein Kindercontest eine gute Schule sein…


Statt passiven Konsum fördern lieber die Medienkompetenz ausbilden
Ich bin bei allen berechtigten Bedenken dennoch davon überzeugt, dass die Teilnahme am Junior Contest nicht notwendigerweise negative Folgen für alle ab Platz 2 abwärts haben muss. Mit guten handlungsorientierten pädagogischen Konzepten kann eine Teilnahme für die Herausbildung von Medienkompetenz sogar zur idealen Schule werden. Statt mit vorgetäuschter Sorge den ausschließlich passiven Konsum von Musik und Medieninhalten zu befestigen, können die Jugendlichen während einer Teilnahme aktiv in die Lage versetzt werden, ihre Lieder, ihren Auftritt und ihre Vermarktung verantwortungsvoll mitzugestalten. Auch wenn das Ergebnis dann immer noch wie eine Kopie des ESC aussehen mag, ist dem im günstigen Fall ein guter Einblick in die Funktionsweisen des (manipulativen) Medien- und Musikgeschäftes vorausgegangen.


Niederlande Yeah! Yeah!
Dies scheinen zumindest die Niederländer begriffen zu haben. Im Gegensatz zu den schlechten Ergebnissen beim Erwachsenencontest hat der für den Kindercontest verantwortliche Sender AVRO schon sehr gute Ergebnisse erzielt. Dieses Jahr präsentieren sich die kleinen Konkurrenten der niederländischen Vorentscheidung, welche in mehreren Runden im September stattfinden wird, schon mal vorweg sehr professionell als geschlossene Gruppe.

Da steigt aber meine Erwartungshaltung enorm





Wenig diplomatisch finde ich allerdings die Zurückhaltung des Nachbarlandes Aserbaidschans. Es wäre vor dem Eurovision Song Contest in Baku 2012 eine schöne Geste gewesen, vorab im Dezember 2011 in Armenien am Junior Eurovision Song Contest teilzunehmen, zumal es hierfür lt. ESCKAZ mit der Komponistin Velieve Ulviyya und ihren Butterflies durchaus eine motivierte Gruppe gegeben hätte.

Ausführliche Informationen zu allen Aspekten des JSC siehe

http://esckaz.com/jesc/2011/

Der letztjährige Sieger Vladimir Arzumanyan mit "Mama"




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Freitag, 8. Juli 2011

Hätte Albanien 2011 den Eurovision Song Contest gewinnen können?

Die schönste Zeit für ESC-Hardcore-Fans ist nicht die Zeit des Finales, sondern jetzt, wo die Karten wieder neu gemischt werden. Wenn noch gewünscht, gehofft, geträumt und spekuliert werden kann, wenn man sich wieder und wieder durchs Internet (youtube & Co.) gräbt auf der Suche nach neuer europäischer Musik. Jetzt ist die Zeit, wo das Verhältnis zwischen Musiker und Fans noch nicht durch die Abgreifer aus TV und Musikindustrie gestört wird.

Bevor ich aber von 2012 träume, blicke ich noch mal zurück. Ich hatte schon am 20.04.11 eine Gedenkminute für die in den Vorentscheidungen ausgeschiedenen Fan-Favoriten eingelegt, diese Liste lässt sich um den Zweitplatzierten der albanischen Vorentscheidung erweitern:





Das gleiche Konzept wie beim diesjährigen Siegerlied, ein Duo mit einer Ballade, nur besser. Die Stimmen harmonieren schöner, das Lied erzeugt durch Dramatik und ausgefeilteres Arrangement mehr Spannung und wichtig: es ist in albanischer Sprache gesungen. Selbst der Titel wäre in Zeiten der Finanzkrise die bessere Botschaft gewesen:


Es gibt noch Hoffnung!

Damit wäre die Frage im Titel beantwortet: Meiner Meinung nach hätte Albanien mit diesem Titel gewinnen können. Für mich sind sie aus noch einem anderen Grund Herzenssieger:

Die letzten ESC-Sieger kamen aus dem Nichts und wurden für einen 3-Minuten-Auftritt hoch gepuscht, danach fungieren sie bestenfalls noch als Testimonials für irgendwelche Brandings, Lena Meyer-Landrut für Opel, Eldar und Nigar für Nar Mobile. Da haben sich also mit Spin-Doktoren, PR-Consultants, Agendasetter, Werber, Imageberater, Marktforscher, Eventmanager und Mediencoaches noch mehr Abgreifer zwischen Fans und Musiker geschoben... der Musiklieberhaber geht beim Eurovision Song Contest immer häufer leer aus.


Anders sieht es bei Miriam Cani und Alban Skenderaj aus, sie sind auf jeden Fall schon länger im Geschäft.
Miriam Cani kommt aus Albanien, lebt aber in Deutschland und machte schon als Mitglied der Popgruppe Preluders (Popstars) von sich reden. Alban Skenderaj ist einer der bekanntesten Sänger Albaniens, aufgewachsen ist er aber in Italien, zur Zeit lebt er in München. Er hat schon mehrere Singles und zwei Alben herausgebracht. Mir gefällt vor allem die männliche Klangfarbe und der italienisch-verwegene Ausdruck seiner Stimme. Im Umfeld des Contestes durchaus was Besonderes, dort setzt man eher auf höhere Stimmen und Kindlichkeit.

So findet man im Umfeld des Contestes immer wieder wahre musikalische Schmuckstücke von ernst zu nehmenden Musikern. Und wer weiss, vielleicht wird Alban Skenderaj ja doch noch mal für Albanien beim Eurovision Song Contest antreten.





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Mittwoch, 15. Juni 2011

Bitte keine weitere emotionalisierende, deutsch-nationale Aufgabe mehr!

Schon bereits jetzt steht fest, dass es eine Neuauflage von "Unser Star für..." geben wird.
Nur: Bitte keine weitere Web.2.0-Emotionalisierungskampagne mehr.
Im folgenden möchte ich beschreiben, was ich als organisierter Fan an USFO und USFD als zerstörerisch empfunden habe.


Pünktlich zur Lena-Kampagne und USFO tauchten z. B. in der Berliner Regionalgruppe neue Fans auf, die uns seitdem bei Vereinsveranstaltungen vor sich hertrieben. Freundlich fertigten sie Anwesenheitslisten an, luden uns höflich ein auf ihre Facebook-Seite, zeigten an den üblichen Vereinsaktivitäten wenig Interesse, überschütteten uns stattdessen mit einem Lena-Animationsprogramm. Sie kannten sich offensichtlich gut mit Öffentlichkeitsarbeit aus und demonstrierten einen guten Draht zum NDR. Nur wehe, jemand äußerte sich kritisch zu USFO oder Lena, da wurde forsch gemaßregelt!


Mich interessierte, welche Fremden mich einschüchtern wollten und ich fand heraus, dass diese Fans außer zum NDR auch einen guten Draht zur Kirche zu haben schienen. Sonderbarerweise gab es 2010 auch zum ersten Mal auf der Vereinshomepage einen Link zur evangelischen Kirche. Auch in Düsseldorf mischte sich die Kirche gut ein. Und Lenas Konzertpublikum mit Familien und kleinen Kindern war auch nicht unbedingt das übliche Publikum, was man bei Popkonzerten erwartet. Nur: Passte denn das überhaupt zu Lena?. Und seit wann und warum interessiert sich ausgerechnet die Kirche für den Eurovision Song Contest?


Macht uns wichtig, dann seid auch ihr wichtig

Noch penetranter war die Indoktrinierung auf den Online-Kommunikationsportalen. Plötzlich tauchten auch hier neue User auf, die auf alle erdenklichen Weisen versuchten, jedes Fan-Geplauder über andere Länder oder Musiker zu verhindern. Die Forenstruktur wurde mit ca. 25 zusätzlichen Lena-Threads dermaßen unübersichtlich, dass Gespräche unmöglich wurden.


Da ich als Freiberuflerin selber schon für Agenturen an zahlreichen Social-Media-Kampagnen (Foren- und Blogmarketing) teilgenommen habe, weiß ich, dass solche User als Teil des modernen Marketings nichts Besonderes sind. Dass aber ein Auftraggeber mit einer solchen Konsumenten entmündigenden Kampagne zu so einer Destruktivität angehalten hätte, habe ich dort nicht erlebt. (Ob es sich hier überhaupt um Auftragsarbeit gehandelt hat, weiß ich nicht. In dem Fall wäre den Organisatoren im eigenen Interesse ein Monitoring anzuraten, um einem Imageschaden zuvorzukommen.)


Das Ergebnis war, dass langjährige (schwule) Vereinsmitglieder, denen Lena einfach nicht gefallen konnte, zum Schweigen verdonnert oder aus dem Forum gemobbt wurden. Die neuen User führten sich auf wie die Forenpolizei, sodass zwischenzeitlich schon aus purer Ratlosigkeit unter Fans so etwas wie ein „Neusprech“ entstand. Das Auffallende an deren Postings waren auch wieder die autoritären Denkmuster, Beispiel: Ich glaube an Raab; ihr solltet es auch tun, denn er weiß, was für die Menschheit gut ist… Da sich solch extremes Verhalten auch schnell multipliziert, sind eindeutige Schuldzuweisungen für Missverhalten irgendwann sicherlich schwierig.


Gerne würde ich als Beleg zu diesen Postings verlinken, aber irgendwann nach Vollendung des Lena-Sieges war dieses Forum plötzlich weg, kaputt. Und so fingen wir pünktlich zur 2. Runde der Titelverteidigung von vorne an. Diesmal allerdings besser gerüstet – und milder kontrolliert.


Was einen Fan grob betrachtet von einem Fake-Fan unterscheidet

Fans schwärmen von der Unterhaltungsform des ESC, von den vielen verschiedenen Teilnehmerländern, den verschiedenen Sprachen. Fake-Fans schwärmten ausschließlich vom deutschen Endsieg und redeten - wenn überhaupt - andere Länder (vor allem osteuropäische) und gute Musiker meist schlecht.


Fans beschäftigen sich latent mit dem ESC, Fake-Fans waren nur während der Kampagnen aktiv, einen Tag nach dem Finale in Düsseldorf waren sie z. B. auf den Kommunikationsportalen genauso schlagartig verschwunden wie das Thema Lena.


Die meisten Fans können ihr Hobby ESC als eine Art Spielerei klar eingrenzen, im Gegensatz zu den Glaubens-Multiplikatoren, die andere mit ihrer fanatischen Sichtweise tyrannisierten.

Der erzwungene Hype
Bei Castingshows geht es nicht um Musik, sondern ausschließlich um Worte. Vom Jurorengelaber über inhaltsleere Schlagzeilen bis hin zur Social-Media-Kampagne: Alles nur Werbung für eine parasitäre Show.

Als langjähriger Fan erwarte ich bei solchen Shows bestenfalls Unterhaltung, ansonsten aber genauso wenig Wahrheit, Gerechtigkeit oder gar - das in diesem Zusammenhang am häufigsten strapazierte Wörtchen - Glaubwürdigkeit wie in der Werbung. Daher finde ich es grundsätzlich bedenklich, wenn man dem Publikum eine kritische Distanz vergessen zu machen versucht, als würde ein ESC-Sieg plötzlich über dem Nobelpreis stehen.


Die Aussagekraft der Ergebnisse von Popmusikwettbewerben dieses Stils ist immer noch gleichzusetzen mit der spannenden Wirkung von Jupitereinflüssen oder Einhornpulver.


Kann man glauben, muss man aber nicht.


Amen.



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Samstag, 11. Juni 2011

Infoportal der OGAE-Aserbaidschan online

apa.az teilt mit, dass Baku-Reisende zukünftig alle nötigen Informationen zum Eurovision Song Contest 2012 in Baku, Aserbaidschan, auf der Website des ESC-Fanclubs OGAE Aserbaidschan finden werden.

Dieser Relaunch war nötig, da bereits schon jetzt viele mit der Suche nach einer geeigneten Unterkunft begonnen haben. Die aserbaidschanischen Fans möchten auf ihrer Website detaillierte Informationen über Hotels und anderen Unterkunftsmöglichkeiten, über Kultur, Land und Leute und vor allem auch wertvolles Insiderwissen zu den Unterhaltunszentren in Baku, dazu Servicethemen und Nützliches für den Aufenthalt in der Hauptstadt für ihre Gäste zusammentragen. Die Website ist in den drei Sprachen Aserbaidschanisch, Russisch und Englisch verfügbar.

15.05.2011. Baku im Ausnahmezustand. Es war nicht die Fußball-WM, es war Aserbaidschans erster ESC-Sieg!




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Montag, 23. Mai 2011

Stefan Raab ermattet wegen Rückenmarkschwund

... das hat er jetzt von seiner zwanghaften Lena-Daueronaniererei.

Spaß beiseite: Raab will sich nicht mehr beim ESC engagieren. Kann man das glauben? Oder will uns die Journaille sogar seinen Rückzug vom ESC noch als Karrierehöhepunkt vorgaukeln? Die Begründung lautet, er habe beim ESC alles erreicht. Auf einmal? Und dann lieber dennoch nein, ja. Was denn nun?


Nach der 2 Jahre lang zur Schau gestellten Gierigkeit und Egozentrik erscheint mir seine Rückzugs-Begründung zu romantisch und bescheiden. Will man die ARD weiterhin plump einschüchtern und als unfähig und abhängig vorführen? Oder steht es schon wieder fest, dass es in Deutschland in den nächsten 28 Jahren sowieso keine ESC-Siege mehr geben wird? Oder ist Raab einfach nur pleite?


Raab und Lena, mit einer konzertierten Aktion innerhalb von 2 Monaten von 0 auf 100 hoch gepuscht, von da an ging es nur noch aufwärts, bis sie beim verpatzten 2. Finale über Nacht demonstrativ von der Bildfläche verschwinden. Das sieht inszeniert aus, eine von Anfang bis "fast" zu Ende abgesprochene Ein-Punkt-Kampagne.


Was Raab mit seiner Maßlosikgeit und seinen Werbesendungen in eigener Sache (neben einer Aufweichung des Prinzips der Meinungsfreiheit) auf jeden Fall erreicht hat, ist die Entzauberung dieses Wettbewerbs - und Lenas Star-Profils gleich mit. Von USFD bis hin zur ESC-Woche hat er
Quotenflops produziert. Selbst beim Finale in Deutschland (nach 28 Jahren) 1 Millionen Zuschauer weniger als im Vorjahr. Und ich möchte mal behaupten, dass der Rest-Jubel größtenteils künstlich und erzwungen war. Aber dazu nächste Woche mehr...
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Sonntag, 15. Mai 2011

Nach dem Overkill Fernweh nach Aserbaidschan

Bei ihrer erst 4. Teilnahme insgesamt gewann Aserbaidschan den 56. Eurovision Song Contest. Mir ist kaum ein Land bekannt, dass sich so um einen ESC-Sieg bemüht hat wie Aserbaidschan, den Freudentaumel gönne ich ihnen von Herzen.

Für mich war es ein Überraschungssieg. Im Gegensatz zu den vorangegangenen 2 Jahren war dieses Jahr ständig Bewegung in der Wertetabelle, so dass die Spannung bis zum Schluss anhielt, was den Contest - selbst wenn es interne Absprachen oder Nachbarschaftsvotings gegeben haben sollte - ein Stückchen Glaubwürdigkeit zurückgebracht hat.




Deutschland und Irland als die moderneren und jüngeren Beiträge des Abends finde ich unterbewertet, obwohl Lenas irrsinniger Gesichtsausdruck mit den aufreizenden Posen ihr "Taken By A Stranger" schon deplatziert und ausgestiegen wirken ließen.

Ausgerechnet die am meisten beworbenen Universal-Stückchen landeten somit im Mittelfeld, dafür war ihr Italiener Raphael Gualazzi mit Platz 2 der Durchstarter des Abends (seit 1970 sind für mich die Zweitplatzierten die wahren Sieger). Ausgerechnet der einzige Teilnehmer, der mit keiner Silbe beworben wurde und den nur ein paar Fans auf ihrer Favoritenliste hatten, und der wie erwartet mit reiner Leistung und Originalität bestach! Verehrtes Universal-Music, wenn das also möglich ist, dann bitte mehr davon und stattdessen keinen Castingmüll mit Social-Media-Kampagne mehr.


Der Kommentator Peter Urban hat die Zuschauer mehrere Male beschwichtigt, dass Lena nie wieder am Song Contest teilnehmen würde. Abgesehen davon, dass sie schon - wenn auch scherzhaft, aber man weiss ja nie - andeutete, im nächsten Jahr als Komponistin zurückzukehren, lenkt diese Beschwichtigung vom eigentlichen Problem der Lena-Kampagne ab, denn das ist nicht Lena Meyer-Landrut. Es war die Penetranz, mit der uns dieser künstliche Hype um ein Testimonial ausschließlich zugunsten der Privatwirtschaft fast 2 Jahre lang um Augen und Ohren gehauen wurde. 20x Lena, d. h. 20x das gleiche Motiv bei verschwindend geringen Einschaltquoten, da erübrigt sich die Frage nach der Qualität - und im Sinne der Rundfunkgebührenzahler eigentlich auch nach der Fortführung dieses Konzeptes.


Im Großen und Ganzen bot Düsseldorf von der Organisation, über Arenaausschmückung bis hin zur Moderation einen unterhaltsamen und professionellen Eurovision Song Contoest. Sie dürfen genauso stolz sein wie die Aserbaidschaner!

Aber für mich war es kein Contest aus Deutschland, sondern eben aus Westdeutschland. Irgendwie sieht es aus Berliner Perspektive so aus, als wäre die Wiedervereinigung noch nicht in Düsseldorf angekommen. Opening Act, deutscher Beitrag und Pausenact hörten sich immer noch nach unbezaubernder amerikanischer Besatzungszone an. Statt Jan Delay hätten für meinen Geschmack genauso gut z. B. Dirk Michaelis, Hans Eckard Wenzel, Polarkreis 18, Silly oder oder oder... die Pause bestreiten können.





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Freitag, 13. Mai 2011

And the winner of the 56. Eurovision Song Contest is - Universal Music

... 2. Semifinale, letzte Startnummer, bombastische Performance. Irland avanciert mit seinem Duo "Jedward" (dies sind die Zwillinge John und Edward Grimes) sofort und endgültig zum Medienfavoriten. So hübsch dieser Beitrag auch ist, sind mir die Parallelen zum deutschen Beitrag einen Tick zu augenfällig. Sind sie nicht nur aus gleichem Hause, sondern auch vom gleichen Schreibtisch?

- bei beiden sehen wir riesengroße Figuren im Hintergrund,

- auf der Bühne Ablenkung durch buntes Spektakel, Backroundchor, Tänzer, Licht- und Nebeleffekte usw. usw.

- die Interpreten scheinen nach rein optischen Gesichtspunkten ausgewählt,

- wirken unerfahren und werden als

- jung und frech angepriesen.

Aber sind sie wirklich "frech"? Im Gegensatz zu Lenas fader Nummer mit ihren albernen Posen kann mich dieser Beitrag sicherlich mitreißen:




Aber der Unterhaltungswert könnte durch wahre Frechheit noch gesteigert werden.

Im Gegensatz zur irischen Vorentscheidung sprangen die Jedwards nämlich im 2. Semi-Finale bei ihrer Aerobic-Performance 3 Minuten fast bis an die Hallendecke. Und das, ohne einmal Atem zu holen. Obwohl der ARD-Sound bei vielen Interpreten nicht so schön war, hatten diese Laien-Sänger nicht die geringsten Probleme: Kein falscher Ton und gleichbleibende Dynamik. Selbst auf Wiki lese ich: "Die beiden 18-jährigen Zwillinge fielen weniger durch ihre Gesangsqualitäten als durch ihre steilen Frisuren und bunten Ausstattungen auf. Zudem bescheinigte X-Factor-Juror Simon Cowell ihnen mangelndes Talent und bezeichnete es als „Desaster“, wenn sie gewinnen würden." Ein Spitzbubenstreich also?


Ich habe eine Bitte an die Jedwards: Wenn ihr wirkliche schrille Rebellen seid, tut dem Publikum doch bitte den Gefallen, und haltet im Finale während des "Singens" einfach mal eure Münder zu. WOW!


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Sonntag, 8. Mai 2011

Lena Meyer-Landrut versinkt bei Proben im Sperma

Lena Meyer-Landrut hatte ihre offiziellen Proben. Inoffiziell scheint sie ihren Heimvorteil auszunutzen, indem sie heimlich zusätzlich probt.

Bei ihrem Auftritt wird sie von Tänzerinnen begleitet, die in ihren Silberkostümen wie „Sperma-Tänzer“ aussehen. Diese werden massiv vergrößert und vervielfacht an die Bühnenwand projiziert, so dass Lena vor diesen Riesen-Klonen wie eine Ameise auf der Bühne verschwindet.




Ironisch betrachtet könnte man das Bühnenbild durchaus für stimmig halten. Da nämlich die nunmehr 1 1/2 Jahre dauernde Lena-Werbung und -PR in ihrer Penetranz nur noch wie zwanghaftes Daueronanieren wirkt, wäre das bildliche Versinken im eigenen Sperma nur folgerichtig.

Realistisch betrachtet empfinde ich das Bühnenbild bei einigen Teilnehmern wie eine Sabotage. Sicherlich entspricht die finale Kameraführung nicht diesen frontalen Probenaufnahmen, aber diese Proben geben in einigen Fällen Anlass zur Sorge. Die Niederländer zeigen sich z. B. froh, dass sie ihren eigenen Regisseur dabei haben, weil man nicht davon ablassen wollte, die Kamera andauernd auf das Gesicht des Sängers zu halten.

Die ironische Interpretation mit dem beeindruckenden Sperma ist das einzige, was bei diesen Proben stimmig war. Lenas Gesang war es mal wieder nicht, sie klang im besten Falle experimentierend. Für die Titelverteidigerin eines internationalen Musik- und Gesangwettbewerbs finde ich dieses Gemurmel und überhebliche Gehabe nach 1 Jahr Vorbereitung eher beschämend. Sie trifft viele Töne nicht, lallt und keucht, als wenn es mit der Kondition auch hapert. Es ist das gleiche wie bei den Proben im letzten Jahr und wie bei dem Auftritt bei der Echo-Verleihung.

Man mag einwenden, dass die Proben-Videos keine gute Soundqualität haben. Das stimmt, ist aber bei den anderen Teilnehmern nicht anders. Und da hört sich der Gesang in den meisten Fällen wirklich wie Gesang an. Als Beispiel verweise ich auf die Probe der jungen Konkurrentin Nadine Beiler aus Österreich. Kaum im Geschäft, gibt es von ihr jetzt schon mehr Live-Auftritte im Ausland zu bestaunen, als Lena jemals haben wird, von der Titelverteidigerin Lena gibt es nach einem Jahr immer noch NICHTS. (Dass uns die deutsche Journaille was von Beliebtheit im Ausland vorgaukelt, ist schon aus diesem Grund ein Witz.)

Bei den ESC-Proben steht Nadine zunächst ganz allein auf der Bühne und singt a capella. Und so, wie sie singt, überzeugt sie aus sich selbst heraus. Davon war und ist Lena Meyer-Landrut mit ihrer Blendwerkerei Lichtjahre entfernt.





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Nachtrag 09.05.11
Ich habe auf Wunsch eines anonymen Kommentars den Satz, in dem ich mich auf Zeitungsberichte zu Lena Meyer-Landruts Konzerttour beziehe, herausgenommen.

Freitag, 6. Mai 2011

Frauenpower aus Slowenien beim ESC – Maja Keuc

Neben Weissrussland und Albanien (ferner auch Zypern und Griechenland) lässt auch der slowenische Beitrag gerade noch die Herkunft erahnen. Im Gegensatz zum albanischen Stück, das den Hörer auf Abstand hält, fühle ich mich von der slowenischen Power-Ballade in den Bann gezogen. Das liegt vor allem an der wunderschönen Background-Musik vom Komponisten Matjaz Vlasic mit der nuancierten Instrumentierung und entfernten Anklängen an Zigeunermusik.

Mir gefällt die
Karaoke-Version fast noch besser. Vielleicht gibt es ja die/den eine/n oder andere/n mit starker Folk-Stimme, die/der eine eigene Version zu diesem Lied ins Netz stellt? Ich würde mich darüber freuen.

Im Grunde kann die Karaoke-Version sogar als das Original betrachtet werden. Hierzu die ESC-Interpretin Maja Keuc (Homepage mit Video zur 1. Probe und Pressekonferenz):

“First was only an instrumental background. I was adding a vocal melody, Mr. Vlasic and his wife were writing the lyrics and Mr. Grabner arranged the whole song. After that we try to do some improvements, but it was not so easy because the music was already expressed something that cannot be put into words and cannot remain silent.”


Mit ihrer Interpretation dieses slowenischen Liedes “Vanilija“ gewann sie eindeutig die slowenische Vorentscheidung, im Vergleich zur etwas geglätteten, englischen ESC-Version „No One“ klingt die slowenische Version insgesamt wilder:






Maja begründet ihre Entscheidung, ihr Lied in Englisch vorzutragen, ausschließlich musikalisch. Es falle ihr leichter, Melodien und Töne in englischer Sprache zu artikulieren. Das glaube ich ihr. Maja fühlt sich nämlich am meisten zur Soul- und Funkmusic hingezogen, was man hört, aber was für meinen Geschmack nicht 100%-ig zu dieser Ballade passt. Obwohl sie fantastisch singt, geht mir R & B- und Neo-Soul-Gesang, der vor allem in Casting-Shows bevorzugt kopiert wird, mit seinen lauten Passagen und immergleichen Verzierungen langsam auf die Nerven. Und dabei böte gerade der Song Contest mit seiner langjährigen Geschichte und seinen starken Sängerinnen - von Frida Boccara (1969) bis zu Marija Serifovic (2007) - viele Vorbilder für europäische populäre Gesangskunst. Mit europäischen Vorbildern würde es dann auch mit der slovenischen Sprache wieder besser klappen.


Maja Keuc ist dieses Jahr mit ihren 19 Jahren die jüngste Sängerin. In Interviews und in Pressekonferenzen macht sie allerdings mit ihren oft unkonventionellen, pragmatischen Antworten einen sehr selbstbewussten, sicheren und humorvollen Eindruck. Auf die Frage eines Bewunderers, woher ihre gute Stimme käme, antwortete sie: „Von meiner Lunge.“ Auf die Frage nach der politischen Dimension des Contestes, auf die fast alle Teilnehmer ausweichende Antworten geben, antwortete Maja: „It can bet rue, that the contest is a political event. […] I think that competition in artistic sphere is like an illusion. Everyone sees different things and appreciate different features. But I am not against competitions, because there is a lot of fun and sometimes we need a little bit more adrenalin in our life.”


Maja Keuc verabschiedet sich in ihrem Lied "No One" von falschen Freunden, die einen zunächst völlig vereinnahmen, dennoch nie zufrieden sind und im Grunde nicht bieten, was sie versprachen. Ich frage mich heimlich, ob sich darin nicht auch eine kleine politische Spitze des Balkans verbirgt…


I’m not made of stone

I’m gonna stand on my own

Not gonna break me down

No one will stop me now.


No one will stop me now... Ja, das wird man ihr nach der Power-Vorstellung wohl abkaufen. Unterstützt wird sie in Düsseldorf von den Background-Sängerinnen Katja Koren, Sandra Feketija, Martina Majerle und Ana Bezjak. Für diese Sängerinnen ist die ESC-Bühne nicht neu, alle haben schon als Backgroundsängerinnen teilgenommen.


Hintergrundinformationen: esckaz.com
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Sonntag, 1. Mai 2011

Aurela Gace für Albanien - You Pay A Price To Be Yourself

Tendenziell werden die meisten der gesamten ESC-Beiträge musikalisch mehr und mehr zum anglo-amerikanischen Einheitsbrei. Aus dem Grunde möchte ich nach Weissrussland noch die Beiträge würdigen, die zumindest musikalisch ihre Herkunft gerade noch erahnen lassen, es steht nämlich zu befürchten, dass sie gerade deswegen kaum noch eine Chance auf eine gute Platzierung haben werden. Diesmal handelt es sich um den albanischen Beitrag

„Feel The Passion“ von Aurela Gace.


Wem die Tendenz zum Formatradio nicht gefällt, dem kann ich die albanische Vorentscheidung, das "Festivali i Kenges", empfehlen, die jährlich zu Weihnachten von 23.12. bis 25.12. stattfindet und die leicht übers Internet verfolgt werden kann. Eine Vorgabe für die Teilnahme ist z. B. die Landessprache, um so ärgerlicher, dass manche Gewinner kurz darauf ihr Lied für den ESC dennoch ins Englische übersetzen. Interessant an der albanischen Vorentscheidung ist die Vielfalt der musikalischen Stile und die Leidenschaft, mit denen die Stücke vorgetragen werden, von albanischer Folklore,

z. b.
Enkeleda Arifi mit dem Stück Nje dashuri,

bis hin zu völlig neuen experimentellen Formen der Popmusik,

z. B.
Albi Xhepa ft. Semi Jaupaj mit dem Stück Drite,

ist alles vertreten. Man könnte das Ganze auch unter dem Oberbegriff „antikommerziell“ zusammenfassen. Mich überrascht vor allem auch das in der Musik und den Videos transportierte moderne Frauenbild, von dem sich die deutsche (Pop)musikkultur noch eine Scheibe abschneiden kann.


Auch Aurela Gaces Siegersong „Kenga Ime“ reiht sich da ein, ich höre es als eine Mischung zwischen Folk, Pop und Psychedelic. Hier werden keine regressiven Hörgewohnheiten bestätigt, hier wird weder gezuckert noch geschmeichelt, Aurela hält uns mit ihrem eher sperrigen und schroffen Lied auf Abstand, und versucht lediglich uns mit ihrem powervollen Vortrag in den Bann zu ziehen.






Die 37-jährige Aurela gehört dieses Jahr zu den älteren Teilnehmerinnen, die dafür aber jede Menge Erfahrung mitbringt. Sie war schon in zahlreichen Wettbewerben erfolgreich und hat bereits 6 Alben veröffentlicht. Seit 2002 pendelt sie zwischen Albanien und den USA hin und her, aber ihr Herz und ihr Blut sind laut eigener Aussage albanisch geblieben. In Los Angeles wurde in den Village Studios dann aus Kenga Ime der Song Feel The Passion, ein Lied, dass sie vor allem auch in englischer Sprache als maßgeschneidert für sich empfindet:


„I have many things to show, a lot to say to Europe. Europeans know very little about my country, and unfortunately are more familiar with the not very good side. […] But the majority is good, with a good heart and an open mind. We have good music, beautiful old places, a beautiful language that differs from others. […] My main purpose is to touch people. I work for music, new songs but not for money. People who listen to me will say: Well, at least she told the truth.”


Ihren Slogan auf der Homepage hat sie klug gewählt: You pay a price to be yourself. Er passt zu ihrem Gesangsstil, zu ihren Statements, zu ihrem Lied und
zu ihrem schrillen Outfit. Da sie als Brünette mit Liza Minelli und als Blondine mit Pink verglichen wird, entschied sie sich für Düsseldorf spontan zu roten Haaren, aber man wird sehen… Auf der Bühne in Düsseldorf werden sie drei Background-Sänger, ein Drummer und ein Gitarrist begleiten.

Am meisten faszinieren mich Aurelas Live-Sessions, von denen es auf youtube viele zu bestaunen gibt. ... to touch people, work for music, but not for money... Ich glaube es ihr.






Hintergrundwissen: http://esckaz.com


Mittwoch, 20. April 2011

Gedenkminuten für die ausgeschiedenen Favoriten

... denn dieses Jahr wird es wieder vielfach piefig. Auf Fanportalen liest man genauso wie schon im Vorjahr einstimmig Äußerungen über enttäuschte Erwartungen: Zu viele Musikstücke seien mittelmäßig, 1000x gehört. Erst recht stellen sich Zweifel ein, wenn man die Vorentscheidungen anderer Länder mitverfolgte. Erfolgreiche Musiker und ansprechende Stücke wurden weggekickt, stattdessen "gewannen" unbekannte Superstars oder Ladenhüter, Retrostücke und Spartenmusik - dieses Jahr zum Trost immerhin mit sehr guten Musikern, aber welcher TV-Zuschauer wird das während der 3-Minuten-Auftritte überhaupt registrieren? Fazit: Zu viele der Lieder würde wohl kaum jemand freiwillig hören oder gar kaufen.

Selbst wenn das Zufall sein sollte, möchte ich der TV-Piefigkeit zwei Vorschläge machen.

1. Die Koppelung von ESC-Sieg mit der Ausrichtung des Contestes im Folgejahr für probeweise 3 Jahre aufheben.
2. Die Jury wieder abschaffen

Zu 1) Der ESC-Sieg ist mit der Verpflichtung verknüpft, den Contest im Folgejahr auszurichten. Diese Verpflichtung scheint viele Länder abzuschrecken, da ihnen wohl das Geld, die Infrastruktur oder Zeit und Lust für ein solches riesiges Event fehlen, deswegen schicken sie möglicherweise chancenlose Beiträge ins Rennen. Ich finde, man sollte das jeweilige Gastgeberland (mit entprechenden finanziellen Anreizen) vorher festlegen und erhoffe mir davon, dass dann alle Länder unbefangen ihr Bestes geben.

zu 2) 2008 wurden die "Experten-Jurys" wiedereingeführt- Die Bezeichnung deutet an, dass musikalische Innovationen auf den Weg gebracht werden sollen, was aber in den letzten 3 Jahren nicht unbedingt der Fall war.
Die westeuropäischen Länder gewinnen nun zwar, aber dafür werden die übrigen 42 Beiträge nachweislich immer mehr zum Einheitsbrei in englischer Sprache. (Meines Wissens ist das differenzierte Ergebnis vom letzten Jahr immer noch nicht veröffentlicht worden.)

Der Song-Contest-Sieg als PR-Geck
Dass beim alltäglichen Spiel von Angebot und Nachfrage die 5 Juroren pro Land 50% der Wertung mitbestimmten, finde ich schon deswegen unlogisch, weil die Jury doch gar nichts kauft. Ich habe eher den Verdacht, dass sie verkaufen will, nämlich genau die Musik und die unbekannten Sternchen, die sich auf dem freien Markt nur nach langer Aufbauphase und mit aufwändigem Marketing verkaufen würden, wenn überhaupt.

Schwedens Strategen tricksen sogar jedes Voting aus
Schweden bastelt sich regelrechte Schein-Kartelle zurecht, lässt seine immer gleichen Leute in alle Länder strömen und beliefert alle Länder mit immergleichen ESC-Produktionen nach dem Motto: Lieber wegtrampeln und verdrängen statt fairer Wettbewerb. Darauf haben sich dieses Jahr immerhin Russland und Aserbaidschan eingelassen. Und diese Strategie fährt Raab dieses Jahr auch im Inland.

Grund zum Ärgern?
Ja und Nein.
Für den Hardcore-ESC-Fan ist der Sieg nur ein Teil des ESC-Kultes. Manchmal können sogar Kandidaten mit 0 Punkten größeren Kultstatus bekommen als ein fader Sieger. Insofern kann man sich die Marktschreierei und (Un)Social-Media-Kampagnen auch stecken.
Manche in den Vorentscheidungen gescheiterte Kandidaten tauchen jahrelang in Quizfragen und anderen Musik-Spielen als Geheimfavoriten wieder auf. In diesem Sinne möchte ich 4 Beiträge würdigen, die ich gerne in Düsseldorf erlebt hätte. Und hier darf ich mir vollkommen sicher sein: Nicht nur ich!

Lettland hätte uns süchtig machen können nach Banjos

Der Interpret Lauris Reiniks ist seit vielen Jahren als erfolgreicher Sänger, Songwriter und Schauspieler im Geschäft. Er hat bereits 6 Alben veröffentlicht, als Sänger und Komponist zahlreiche Awards gewonnen. Sein eingängiges "Banjo Laura" wäre ein guter ESC-Sommerhit geworden. Platz 2 in der Vorentscheidung.






Estland hätte uns mit Hoppe Hoppe Reiter
den Kopf verdrehen können
Auch die aus Estland stammende Gyrcelea-Ithaka-Maria Rahula – kurz Ithaka Maria – ist seit Jahren als Solistin sowie auch als Leadsängerin in diversen Bands unterwegs. Schon des öfteren an der estnischen Vorentscheitung teilgenommen, hatte sie auch dieses Jahr wieder Pech. Als eine Mischung zwischen Lady Gaga und Shakira hätte sie mit dem Titel Hopa'Pa Rei – in spannender Erwartung vorweg als Hoppe Reiter zum Favoriten avanciert - dem Publikum gehörig eingeheizt. Platz 2 in der Vorentscheidung.






Österreich quetschte die Luftquetsch'n

Ein Partyknüller für Jung und Alt - europaweit. Die schon im Vorfeld in Österreich absolut erfolgreichen Trackshittaz wären mit "Oida Taunz" der Knaller des Abends geworden... Platz 2 in der Vorentscheidung.






Jamala's Smile hätte Europa geweckt

"You can go to Moscow, You can go to Oslo, It's no matter where you are, Shorten distance, baby

And you'll feel much better, For you know that Love can start - With a SMILE... Just SMILE..."

Im ukrainischen Beitrag der Fanfavoritin Jamala hörte ich die Jury-Verarsche heraus, denn die seit 2004 originellen und erfolgreichen Ukrainer haben bei der "Experten-Jury" kein Gehör mehr gefunden. Und so sind sie seit 2008 zu den letzten Austragungsorten Moskau und Oslo nur noch gefahren um zu lächeln. Nach Deutschland wäre Jamala mit einem völlig veralteten amerikanischen Musical-Stil mit Jodeleinlage gekommen, sodass es am Schluss mit der charismatischen Interpretin doch wieder echt ukrainisch gewirkt hätte - nämlich genial. Die Ukrainer sind bereits im September 2010 enthusiastisch mit ihrer Vorentscheidung angefangen, die dann aber irgendwann im Sande verlief. Nach einem kleinen Skandälchen wird die Ukraine nun mit einer piefigen Ballade vertreten, lt. Aussage der Interpretin mit Unterstützung aus den USA. Da wäre Jamala origineller gewesen.