Sonntag, 15. Mai 2011

Nach dem Overkill Fernweh nach Aserbaidschan

Bei ihrer erst 4. Teilnahme insgesamt gewann Aserbaidschan den 56. Eurovision Song Contest. Mir ist kaum ein Land bekannt, dass sich so um einen ESC-Sieg bemüht hat wie Aserbaidschan, den Freudentaumel gönne ich ihnen von Herzen.

Für mich war es ein Überraschungssieg. Im Gegensatz zu den vorangegangenen 2 Jahren war dieses Jahr ständig Bewegung in der Wertetabelle, so dass die Spannung bis zum Schluss anhielt, was den Contest - selbst wenn es interne Absprachen oder Nachbarschaftsvotings gegeben haben sollte - ein Stückchen Glaubwürdigkeit zurückgebracht hat.




Deutschland und Irland als die moderneren und jüngeren Beiträge des Abends finde ich unterbewertet, obwohl Lenas irrsinniger Gesichtsausdruck mit den aufreizenden Posen ihr "Taken By A Stranger" schon deplatziert und ausgestiegen wirken ließen.

Ausgerechnet die am meisten beworbenen Universal-Stückchen landeten somit im Mittelfeld, dafür war ihr Italiener Raphael Gualazzi mit Platz 2 der Durchstarter des Abends (seit 1970 sind für mich die Zweitplatzierten die wahren Sieger). Ausgerechnet der einzige Teilnehmer, der mit keiner Silbe beworben wurde und den nur ein paar Fans auf ihrer Favoritenliste hatten, und der wie erwartet mit reiner Leistung und Originalität bestach! Verehrtes Universal-Music, wenn das also möglich ist, dann bitte mehr davon und stattdessen keinen Castingmüll mit Social-Media-Kampagne mehr.


Der Kommentator Peter Urban hat die Zuschauer mehrere Male beschwichtigt, dass Lena nie wieder am Song Contest teilnehmen würde. Abgesehen davon, dass sie schon - wenn auch scherzhaft, aber man weiss ja nie - andeutete, im nächsten Jahr als Komponistin zurückzukehren, lenkt diese Beschwichtigung vom eigentlichen Problem der Lena-Kampagne ab, denn das ist nicht Lena Meyer-Landrut. Es war die Penetranz, mit der uns dieser künstliche Hype um ein Testimonial ausschließlich zugunsten der Privatwirtschaft fast 2 Jahre lang um Augen und Ohren gehauen wurde. 20x Lena, d. h. 20x das gleiche Motiv bei verschwindend geringen Einschaltquoten, da erübrigt sich die Frage nach der Qualität - und im Sinne der Rundfunkgebührenzahler eigentlich auch nach der Fortführung dieses Konzeptes.


Im Großen und Ganzen bot Düsseldorf von der Organisation, über Arenaausschmückung bis hin zur Moderation einen unterhaltsamen und professionellen Eurovision Song Contoest. Sie dürfen genauso stolz sein wie die Aserbaidschaner!

Aber für mich war es kein Contest aus Deutschland, sondern eben aus Westdeutschland. Irgendwie sieht es aus Berliner Perspektive so aus, als wäre die Wiedervereinigung noch nicht in Düsseldorf angekommen. Opening Act, deutscher Beitrag und Pausenact hörten sich immer noch nach unbezaubernder amerikanischer Besatzungszone an. Statt Jan Delay hätten für meinen Geschmack genauso gut z. B. Dirk Michaelis, Hans Eckard Wenzel, Polarkreis 18, Silly oder oder oder... die Pause bestreiten können.





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