Samstag, 25. Dezember 2010

Aserbaidschan – Ausrasten bei der Vorentscheidung

Ausgerastet sind diesmal nicht das verärgerte Publikum oder die Organisatoren, sondern die Musiker. Und nicht vor oder hinter der Bühne, sondern auf der Bühne. So wie es muss! Kultstatus hat jetzt schon Altun Zeynalov erreicht mit seiner Interpretation des ungarischen Beitrags 2007 „Unsubstantial Blues“:



Was ist los in Aserbaidschan?

Aserbaidschan nimmt erst seit 2008 am ESC teil, und dies mit Erfolg. Ihre Beiträge müssen sich aber stets den Vorwurf der teuer erkauften ästhetischen Überfrachtung gefallen lassen. Für den ESC 2011 haben sich die Aserbaidschaner zum ersten Mal einen Vorentscheidungsmarathon vorgenommen. In sieben Wochen werden jeweils 11 Kandidaten vorgestellt, die eine Woche lang jeden Abend ein Lied präsentieren. Vorgaben sind Montag ein Evergreen, Dienstag ein aserbaidschanisches Lied, Mittwoch ein ESC-Klassiker, Donnerstag ein Lied nach Wahl und Freitag wird gevotet.


Der Wettbewerb hat sich vorverlagert
Die jahrelange Erfahrung lehrt, dass die Auswahl an ESC-Beiträgen im Finale nicht notwendigerweise die Musikszene des jeweiligen Landes repräsentieren, sondern eher Geschmack und Strategie der staatsnahen TV-Anstalten. Wer sich für die Musikszene der europäischen Länder interessiert, wird in den nationalen Vorentscheidungen fündiger. Dieses Jahr also auch in Aserbaidschan.

Und was da zum Vorschein kommt, lässt mich geradezu aufatmen, nämlich ganz normale musikalische Bedürfnisse. So etwas wäre im deutschen TV undenkbar.


Vor allem Altuns Pflicht-Darbietung eines aserbaidschanischen Liedes hat mir sehr gefallen. Ich gebe zu, dass ich lachen musste. Das liegt aber vor allem an der ernsten Rahmenveranstaltung und der Guckkasten-Bühne, auf der Altun gänzlich ohne technische Raffinessen auskommen muss. Meine heimliche Frage war: Was macht ein Grunge- und Garagen-Rocker, sonst Mitglied der Band Padzehir, in einer TV-Karaoke-Show? Und wie wird er mit der Kultur islamischer Gesangskunst und dem aserbaidschanischen Liedgut umgehen?

Antwort: Zunächst zügelt er sich noch, doch nach einer Minute bricht es aus ihm heraus... Bis zum letzten Ton bleibt er sich selber treu. Bravo!! Immerhin hat Altun von 11 Kandidaten den 6. Platz belegt.


Sonntag, 12. Dezember 2010

Ich zahle gerne für gute Musiker - Witloof Bay aus Belgien














… wenn man mich nur ließe. Diesmal geht es um eine Band, die an der belgischen Vorentscheidung zum Eurovision Song Contest 2011 in Düsseldorf teilnehmen möchte und dafür finanzielle Unterstützung brauchte. Leider war dies aus Deutschland nicht möglich.


Das belgische Subskriptionsverfahren
Beim Vorentscheidungskonzept hat Belgien dieses Jahr einen neuen Weg eingeschlagen. Nach dem Subskriptionsverfahren müssen Musiker zunächst von den Musikkonsumenten 20.000 Euro einsammeln, bevor sie an der Vorentscheidung im TV teilnehmen dürfen. Danach entscheiden die belgischen Zuschauer per Telefonvoting über den endgültigen Sieger.

Dieses neuartige Verfahren in der Popmusik wurde 2008 vom belgischen Label Akamusic ins Leben gerufen und nun mit einer eigenen Homepage auf die belgische Vorentscheidung übertragen. ESC-Fans investieren also in potenzielle Hits und Stars und dürfen bei Erfolg auf 40 % Gewinnanteile hoffen. Wer auf einen Act gesetzt hat, der die Hürde von 20.000 Euro bis Jahresende nicht überwunden hat, bekommt sein Geld zurück oder kann es auf einen anderen Musiker übertragen.


Ein Blick auf die Aka-ESC-Homepage beweist, dass dieses Prinzip erfolgreich ist. Zahlreiche Musiker haben ein Musikstück hochgeladen und noch mehr User haben sich bereits mit vielen Anteilen eingekauft und kommunizieren nun eifrig auf diesem Portal. 11 Acts haben bereits die 20.000 Euro zusammen. Zu ihnen zählen seit dem 04.12.2010 auch meine Favoriten Witloof Bay.


Strategien beim Subskriptionsverfahren

Offengestanden bin ich erstaunt über das bisherige Ergebnis. Im Gegensatz zum neuartigen Vermarktungsverfahren kommt mir das Ergebnis musikalisch eher rückständig vor. Ist das repräsentativ für Belgien? Oder nur für die ESC-Szene? Nach dem Durchklicken der ersten drei Seiten finde ich nichts, was mich spontan anturnt. Alles anhören ist mir zu viel.


Aber will ich denn überhaupt auf nur EIN Lied setzen? Nein, denn dann müsste ich mit einer Zocker-Strategie an die Sache herangehen. Ich würde nicht mehr das wählen, was mir als förderungswürdig erscheint, sondern nur das, was mir bei subjektiver Annahme eines allgemeinen ESC-Geschmacks für einen 3-Minuten-Act als profitabel erscheint. Möglicherweise kommt ja genau durch diese Haltung das bisherige enttäuschende Ergebnis zustande...?


Wenn ich schon investiere, dann in die Musiker

Von denen erwarte ich dann aber so viel Können und Kreativität, dass sie die Gratwanderung zwischen Publikumserwartung einerseits und kreativem Experiment andererseits zu meistern verstehen. Beim Anhören des Stückes „With Love“ von Witloof Bay vermutete ich dieses Können. Alles a capella mit Beatboxing. Das hat es beim ESC so noch nicht gegeben und für Belgien, das sich 2005 und 2008 schon mit vokalen Experimenten einen guten Ruf gemacht hat, sehr repräsentativ. Daraufhin habe ich versucht, im Internet Informationen zu den Musikern zu finden.



Wer ist eigentlich Witloof Bay?
Das Ensemble besteht aus 5 belgischen SängerInnen mit klassischer Gesangsausbildung und einem belgischen Beatboxer, der bereits Vizeweltmeister im Beatboxen war, und zwar RoxorLoops. Sie machen seit 2005 im Bereich Jazz und Pop gemeinsam Musik, und zwar strikt a capella. Sie schreiben eigene Arrangements, mittlerweile auch eigene Stücke und kreierten sich damit ihren persönlichen Witloof-Bay-Stil, den man sich auf ihrem 2007 erschienenen Album anhören kann.


Auffallenderweise haben sie bei Akamusic die meisten Produzenten und die meisten Fans, mussten sich allerdings mit relativ kleinen Anteilen nach oben arbeiten. Auf meine Frage, ob sie denn in Belgien schon so bekannt seien, antworteten sie: „We started giving concerts 4 years ago, and we start to have a good fan club in Belgium with many concerts (even in schools). We already sang abroad: Germany, France (a lot), Switzerland, Italy. We'll be tomorrow (11.12.10) in Netherlands, in January in London for the London a cappella festival with the Swingle Singers, and in August in Argentina.“


Mit mir haben sie zumindest auch schon mal einen Fan in Deutschland, aber finanziell unterstützen konnte ich sie leider nicht. Das verhinderte das belgische Konzept.


Nationalismus als Teilnahmebedingung?
Es durften nur solche Musiker ihr Musikstück hoch laden, die seit mindestens 2 Jahren ihren Wohnsitz in Belgien haben. Wenn man bedenkt, dass es beim ESC fast Kult ist, dass Interpreten und Komponisten nicht aus den Ländern kommen, für die sie beim ESC antreten (Ralph Siegel ist schon fast für jedes europäische Land angetreten), macht diese Beschränkung keinen Sinn. Für ein neuartiges popkulturelles Experiment finde ich es zu rückwärtsgewandt und als Internetkonzept einfach unmöglich. Ich meine, dass diese Rückständigkeit sich auch im bisherigen Ergebnis widerspiegelt.


Nicht mal die finanzielle Unterstützung als Shareholder aus Deutschland klappte, zumindest wurden meine Karten nicht akzeptiert. Diese Beschränkung ist wiederum bedauerlich für die Musiker. Akamusic und/oder die belgischen Organisatoren wollen sich wohl nicht vorstellen, dass den Fans die Musik wichtiger ist als die Nationalitätszugehörigkeit.


Vielleicht irre ich, aber meine Fragen an Akamusic blieben unbeantwortet, die Macher sind anonym. Denn einige Fragen bleiben bei diesem Konzept offen. Was ist mit den Anteilen, wenn die Favoriten zwar in die Vorentscheidung kommen, aber es nicht bis zum ESC schaffen? Wie lange verdient man am Lied?


Dafür ist die Usability der Seite sehr gut, so dass man das Gefühl bekommt, Akamusic bestünde nur aus einem Programmierer und einem Vermögensverwalter.




Sonntag, 5. Dezember 2010

Ich zahle gerne für gute Musiker - Beispiel Siddharta aus Slovenien

… wenn man mich nur ließe. Bei meinem Erlebnis mit Siddharta handelt es sich nicht – wie der Name vielleicht andeuten mag – um ein religiöses Erlebnis, obwohl buddhistische Geduld und Leidensfähigkeit durchaus nützlich gewesen wären. Es handelt sich schlicht um ein Erlebnis, dass ich als normale Musikkonsumentin und Fan der europäischen Musik mit unserer sonderbar aufgestellten Musikindustrie hatte.

Angeregt durch unseren geselligen Regio-Contest in Berlin stieß ich auf die slowenische Hardrock-Band Siddharta.





Da mir die Musik gut gefällt, versuchte ich über Berlins Kulturkaufhaus Dussmann eine CD zu bestellen. „Das kann lange dauern und etwas teurer werden, ist ein Import, wahrscheinlich US.“ Warum, frage ich mich, muss ich eine CD aus Slowenien teuer aus den USA beziehen?


Also ging ich ins Internet und fand schnell die Homepage der Band. Schließlich sind sie in Slowenien bereits seit 20 Jahren bekannt und beliebt. Die Seite hatte sogar einen Shop, nur konnte man da nur mit slowenischer Währung bezahlen. (Auch so eine Sache!) Das war mir zu riskant. Daraufhin habe ich über myspace Kontakt zur Band aufgenommen und sie gefragt, ob sie mir gegen Rechnung oder Barzahlung per Post zumindest die EP meines Lieblingsliedes schicken könnten. Die Band reagierte sofort, man wollte sich kümmern.


Wochen später kam von Siddharta die Aufforderung, die EP im Voraus zu bezahlen, dafür gab man mir Kontaktdaten. Bei der Bank erfuhr ich, dass mir eine einfache Überweisung nach Slowenien 15,00 Euro Gebühren kosten würde. Wie bitte?! Für eine CD, die 9,00 Euro kostet? Jeder kann sich vorstellen, wie viel Arbeit Musiker investieren – über gemeinsames Üben von der Komposition bis zur Einspielung auf CD – um überhaupt eine CD herauszubringen. Das wird dann insgesamt für 9,00 Euro angeboten. Und die Bank verlangt für das Ausfüllen einer Überweisung 15,00 Euro Gebühren? Am Bankautomat könne ich mir die Gebühren sparen, hieß es. Gesagt, getan, das Ganze hat mir 2 Minuten Zeit gekostet, hoch gerechnet ergibt sich daraus für die Bank also ein Stundenlohn von 450,00 Euro. Für „nichts".


Aber es klappte und keine ganze Woche später fand ich in meinem Briefkasten die lang ersehnte CD von Siddharta. Das hat mich so gefreut, dass ich über Silvester eine Reise nach Ljubiljana buchen werde, um mich noch mal persönlich bei der Band zu bedanken.


Die europäischen Nationalkäfige der Musikindustrie

Wo lebe ich eigentlich? Und: In welcher Zeit lebe ich eigentlich? Lang ist es her, dass der Eurovision Song Contest die einzige Möglichkeit war, überhaupt Musik aus dem übrigen Europa zu hören. Hatte man sich allerdings in ein Stück verliebt, dass z. B. „nur“ den 2. Platz erreicht hatte, hatte man Pech, dieses Lied hörte man nie wieder. Nicht zuletzt aufgrund dieser Musikmisere entstand die OGAE, ein Zusammenschluss von ESC-Fans verschiedener Länder, wo man – teilweise gegen viel Geld – seine Favoriten doch noch erwerben konnte.


In dieser Hinsicht hat das Internet für ESC-Fans paradiesische Verhältnisse geschaffen. Auf Homepages der Stars oder gar youtube findet man alles, was das Herz begehrt. Man kann sogar die Vorentscheidungen einzelner Länder im Internet verfolgen. Nur eines kann man immer noch nicht:


Die Musik aus Europa ganz normal kaufen

Sicherlich hätte ich das Musikstück von Siddharta mit ein paar Mouseklicks schnell und sogar umsonst bekommen können. Aber zeigt mein Erlebnis nicht beispielhaft, dass Musikfans geradezu zu anderen Wegen gezwungen werden? Und da heult die Musikindustrie uns die Ohren voll von illegalen Downloads?


Da wächst Europa angeblich zusammen, aber die Musikindustrie scheint nicht mal ansatzweise daran interessiert zu sein, ihr Angebot dahingehend zu erweitern. Stattdessen erlebt man derzeit in Deutschland genau den gegenläufigen Trend. Man spart an Musik und Musiker und setzt nur noch auf Werbung für billig gepuschten amerikanischen Einheitsbrei und Kunstprodukte, für musikalisches „Nichts“. Geradezu bezeichnend, wie schon das Interesse für Musik und Musiker aus anderen europäischen Ländern im Keim zerstört werden soll, wenn uns beispielsweise der Eurovision Song Contest mit großartigen Schlagzeilen gar als ein Lena-Liederwettbewerb angegaukelt wird.


Mittwoch, 17. November 2010

Lena Meyer-Landrut – alles nur Hochstapelei?

Vor kurzem war Lena Gast bei Radio-Fritz, was in einem sympathischen Video dokumentiert ist.






Ich habe mich allerdings gefragt, was sie da überhaupt wollte. Im Gegensatz zu den meisten anderen Fritz-Gästen weigert sie sich, etwas zu performen. Auf die Frage nach ihrem neuen Album reagiert sie unwissend. Und ausschließlich für den Eurovision Song Contest kreiert, scheint sie nicht das geringste Interesse daran zu haben. Damit untergräbt sie das Profil, das seit fast einem Jahr mit einer Wahnsinns-PR-Maschinerie um ihren Namen aufgebaut wird.

Dieser PR zufolge müsste sie schon als Exportschlager in Las Vegas erfolgreich sein. Stattdessen tingelt sie von Hannover über Rüsselsheim nach Düsseldorf und trifft sich mit Fritz-Moderatoren in einer Berliner Hinterstube, wo man mit ihr nur ein Bildchen bastelt. Im Gegensatz zu anderen ESC-Stars gibt es übrigens im Internet bis heute nicht ein einziges Video, wo sie sich mal als eine würdige Teilnehmerin (Siegerin!) eines europäischen Musik- und Gesangwettbewerbs präsentiert. Nur völlig überflüssige Laber-Auftritte. Die Diskrepanz zwischen PR-Märchen und Lena-Wirklichkeit sieht sehr nach Hochstapelei aus.




Lena Meyer-Landrut und die Natürlichkeit
Lena war schon in Oslo so unvorbereitet und unwissend, dass sie bei den Pressekonferenzen nicht mal Hänschen-Klein singen konnte. Das wird uns und wahrscheinlich auch ihr als "Natürlichkeit" eingeredet. Das deutsche Team sah sich dennoch genötig in die Offensive zu gehen, indem man Lenas natürliches Unvermögen hinter vorgetäuschter Selbstironie zu vertuschen versuchte.





Tabubruch beim Eurovision Song Contest

Dass sich diese selbsternannten ESC-Profis in Deutschland keinen Deut um Zuspruch scheren müssen, ist wohl mittlerweile schmerzhaft klar geworden. Dass ihnen aber die Akzeptanz im europäischen Ausland auch egal sein kann, wundert dann doch. Nie zuvor hat eine Delegation die Unabhängigkeit von Jury- und Publikumsmeinung so selbstgefällig vorgeführt wie diese drei Deutschen. Daraus leite ich ab, dass der Sieg abgesprochen war, man musste sich bis zum Sieg nur noch durchlavieren. (Ich glaube nicht mal, dass Lena im Finale live gesungen hat). Ein weiterer Grund für die Annahme von Absprachen ist, dass die Wertungsergebnisse bis heute nicht vollständig veröffentlicht wurden, was außer ein paar kritischer Fans niemanden zu interessieren scheint.


Eine dritte Überlegung ergibt sich aus der Lektüre von Tim Renners Buch „Kinder. Der Tod ist gar nicht so schlimm!“, der feststellt, dass Musikkonzerne wie Universal Music das Wort „Risiko“ nicht mal mehr zu buchstabieren wissen. Das Risiko einer Auseinandersetzung mit Musikern und Publikumsgeschmack wird vermieden, stattdessen sucht man sich Erfüllungsgehilfen beim TV, die innerhalb von 2 Monaten im TV-Prgramm für das TV-Event ESC einen Casting-Star kreieren, der dann zufälligerweise dieses ESC-Event auch noch gewinnt. Mit anderen Worten: Der Sieg beim Eurovision Song Contest soll dieses Billigkonzept als erfolgreich darstellen.


Die Lena-Märchenstunden-PR dient nur dem Zweck, Ursache und Wirkung zu vertauschen. Der Sieg also nicht als (Aus)wirkung, sondern als Ursache und Ansporn für die lauthals zelebrierte Kooperation mit den Privaten und der Lena-Kampagne.


Lena Meyer-Landrut – die Rampensau der Eurovision

Weil es so schön geklappt hat, nächstes Jahr die Wiederholung. Für 2011 machen die prinzipienlosen Lena-Macher ihre Lena zur Rampensau der Eurovision: 18 Lieder in der Vorentscheidung, Opening Act im Finale, deutscher Beitrag im Finale, warum nicht auch noch den Pausenact und am Schluss ihren Siegertitel singen?


Denn eins ist klar: Dieser musikalische Super-Gau muss PR-mäßig getoppt werden, und so ist ein zweiter Sieg gar nicht unwahrscheinlich. Ich hoffe nur, dass nicht irgendwann die Gebühren- und Steuerzahler diesen Bluff bezahlen müssen.

Montag, 1. November 2010

Berlin geht beim Eurovision Song Contest eigene Wege ;-)

Enttäuscht, dass der Eurovision Song Contest 2011 nicht in der Hauptstadt ausgetragen wird? Das muss nicht sein! Berlin geht jetzt mit einem eigenen Beitrag an den Start, und zwar für die Schweiz. Wenn schon, denn schon.

Im Klartext bedeutet das:
Die in Berlin ansässige deutsch-niederländische Band AnsoticcA nimmt mit dem Stück "Rise" an der Schweizer Vorentscheidung teil und freut sich über kräftige Unterstützung, und zwar auf folgender Seite und für folgendes Musikstück:


https://service.gmx.net/de/cgi/derefer?TYPE=3&DEST=http%3A%2F%2Fwww.eurovisionplattform.sf.tv%2Fvideos%2Frise

Das Voting läuft vom 01.11. - 10.11.2010, nach einer schnellen Registrierung hat man 4 Stimmen, die man frei verteilen kann.

Wie alles begann...
Das Schweizer Fernsehen ludt bis zum 30.10.2010 mit einer Internetplattform Musiker ein, sich mit einem Videoclip für die Vorentscheidung zum Eurovision Song Contest 2011 zu bewerben. Seit dem 01. November können nun Internetuser über ihren Favoriten mitbestimmen. Die zehn besten Kandidaten werden ihre Songs dann in einer großen Liveshow am 11. Dezember 2010 im Schweizer TV präsentieren, das Publikum ermittelt mittels Televoting, wer die Schweiz beim Eurovision Song Contest vertreten wird.

Dieses offene und moderne Internetkonzept richtete sich vor allem an praktizierende Musiker. AnsoticcA weiß solche Konzepte zu würdigen und hat sich spontan zur Teilnahme entschlossen. Daher würde sie sich jetzt über

… ein bisschen Berliner Lokalpatriotismus
riesig freuen, damit sie am 11. Dezember 2010 bei der Schweizer TV-Show mit dabei sind. Ihr Beitrag „Rise“ bietet zugleich einen Vorgeschmack auf das am 05.11.2010 erscheinende gleichnamige Album. Eine spannende Rockballade mit hymnischer Melodie und powervollem Refrain, kombiniert mit heavy Gitarren und Schlagzeug. Gesungen wird das Stück von der charismatischen Frontfrau Carie van Heden, die von Adrian Delborg, Maarten de Vries, Jay Zee, Vince Laboor und Zack Rabarti begleitet wird. Für ihren glamourösen Vorentscheidungssong werden sie zusätzlich von einer Cellistin unterstützt (mal sehen, vielleicht ja aus der Schweiz :-) wer weiss? )...

Eine deutsch-niederländische Band mit kroatisch-keltischem Bandnamen und einem englischen Text für die Schweiz? Na klar. Denn was hat die Nationalität mit Musik zu tun? Schließlich sollen bei einem Musikwettbewerb nicht eine Nation, sondern in erster Linie das beste Lied und die besten Musiker gewinnen. Dass die dann ausgerechnet aus Berlin kommen, wäre doch mal ein netter Nebeneffekt.


Freitag, 8. Oktober 2010

USFS – Unsere Stars für die Schweiz

Das Schweizer Fernsehen lädt mit einer Internetplattform Musiker ein, sich mit einem Videoclip für die Vorentscheidung zum Eurovision Song Contest 2011 zu bewerben. Aus der vom SF und DRS 3 selektierten Wahl dürfen dann ab November auch Internetuser über ihren Favoriten mitbestimmen. Die zehn besten Kandidaten werden ihre Songs dann in einer grossen Liveshow am 11. Dezember 2010 im TV präsentieren, das Publikum ermittelt mittels Televoting, wer die Schweiz beim Eurovision Song Contest vertreten wird.

UNSERE Stars für die Schweiz... Zum ersten Mal kann ich ehrlich und mit gutem Gewissen das Wörtchen „uns“ in Großbuchstaben niederschreiben. Denn beworben haben sich Mave O'Rick & Patryk Smolarek als Duo mit dem Stück „The Story“. Sie sind nicht etwa nur Fanfavoriten, sie sind Fans, d. h. Teil der Fangemeinde. Dieses Duo als Teilnehmer auf der Schweizer Plattform zu finden, ist natürlich für Fans der Hammer!


Mave O'Rick & Patryk Smolarek mit ihrem Lied „The Story“.




Du hast keine Chance, aber nutze sie
So mögen viele heimlich denken. Aber mal Hand auf's Herz und Ohren gespitzt: Sind die beiden schlechter als das, was uns das deutsche TV in der Regel als erfolgreich verkaufen will? Mitnichten. Entspringt der Zweifel am Erfolg unbekannter und auf sich selbst gestellter Teilnehmer nicht eher einer Resignation gegenüber der aggressiven Vermarktungsstrategie all der Lady Gaga's und Lena Gaga's? Und hinterlassen deren penetrante Medienpräsens mit all den Erfolgsmeldungen und Siegen in Serie nicht einfach nur einen faden Nachgeschmack?


Genau deswegen wünsche ich mir, dass die kleinen Acts erst recht ihre Sonderstellung behaupten. Gerade bei den angeblich Chancenlosen kann man die nötige Leidenschaft voraussetzen, nur sie könnten diesem mittlerweile als abgekartert empfundenen Spiel zwischen Major Label und TV-Stationen endlich wieder seine spannende Dramatik und seinen Wettbewerbscharakter zurückgeben.


Denn egal, für welches Land die vermeintlich schwächeren Davids antreten mögen, schon ihr mutiger Versuch, die Goliaths niederstrecken zu wollen, ist immer ein heimliches Vergnügen für das Publikum und sichert den Musikern international Sympathien.


Weiter so – und bitte mehr davon!

Die Schweiz präsentiert sich für 2011 mit einem offenen und modernen Konzept, das sich über das Internet vor allem an junge, eigenwillige Künstler richtet, die mehr als Karaoke zu bieten haben. Ich würde mich daher freuen, noch mehr deutsche Beiträge auf dieser Plattform zu entdecken (und nicht nur deutsche). Die Webseite ist auch keine anonyme Plattform, sondern gute Erreichbarkeit und aufmunternde Worte der Macher beweisen, dass man als Musiker bei den Schweizern gut aufgehoben ist.


Interview mit Mave O'Rick – Self supported Super-Star





Samstag, 18. September 2010

the.princess.and.the.pearl – Die sanfte Verschwörung

Common-Creative-lizensierte Musik und das Internet überhaupt bieten nicht nur neue Handlungsperspektiven für Musiker, sondern auch für Contest-Fans.

Das bewies mir der letzte Free! Music! Contest!, der mit seinen 130 Teilnehmern aus 30 Ländern zu einem World-Internet-Song-Contest wurde und bei dem ich als Jury mitmachen durfte. Jetzt ist er da,
der Sampler mit den Gewinnerliedern, und steht zum kostenlosen Download zur Verfügung. Zugleich gibt es zum ersten Mal ein Publikumsvoting.

Wie bereits erwähnt,standen uns Juroren lediglich die Musikstücke zur Bewertung zur Verfügung ohne Nennung von Namen, Titel oder Herkunft. Umso erstaunter und erfreuter war ich zu erfahren, dass mein persönlicher Favoritensong von einer deutschen Band eingereicht worden war, und zwar war es
Billows von the.princess.and.the.pearl.

Für gewöhnlich kann bei der heutigen Dauerbeschallung durch Radio und TV, in Kneipen, Discos und Cafes Musik nicht laut und schrill genug sein, um überhaupt noch wahrgenommen zu werden. Anders ist es bei Billows: Ruhig, getragen, introspektiv und total harmonisch. Ich fand es nicht nur schön, sondern auch klug und habe versucht herausfinden, wer und was sich hinter dieser Strategie der „sanften Verschwörung“ verbirgt.

Interview mit Sascha von the.princess.and.the.pearl

Eurovision-Berlin
: Beim Versuch, eure Musik einzuordnen, fielen mir Stichworte ein wie Esoterik oder New Age. Aufgrund der teilweise feierlichen und getragenen Stimmung dachte ich auch ein wenig an Kirchenmusik. Auf jeden Fall wirkt so viel Harmonie auf mich sehr entspannend. Habt ihr überhaupt einen Bezug zu solchen Themen? Oder haltet ihr diese Wirkung für individuell, also eher für Zufall?

Sascha:
Also, mit Esoterik oder New Age hat das, was wir machen, eigentlich nichts zu tun, uns geht es um Gefühle, Vertonung von Sehnsüchten, Ängsten, Enttäuschung oder auch ganz klassisch um Liebe und Begehren, darum, Bilder zu malen, mit Texten und Klängen, und wir haben keine Angst vor der großen Geste, wenn es sein muss.

Bei der Wirkung kann man ja immer nur von sich selbst ausgehen, denn jeder Mensch sitzt ja irgendwie hinter seinem eigenen Wahrnehmungsapparat. Ich mag es z. B, wenn ich mich in einem Song verlieren kann, wenn man immer wieder kleine Details entdeckt, die man vorher noch nicht bemerkt hat und wenn der Text offen genug ist, um Interpretationen zuzulassen. Unser erstes Album ist ein Konzeptalbum, das vom ersten bis zum letzten Song eine Geschichte erzählt, witzigerweise hab ich immer eine andere Geschichte darin gesehen als Michael. Hat was von impressionistischer Malerei, klar genug um etwas anzudeuten, aber doch traumartig diffus genug um Projektionsfläche zu bieten. Also eher Emotionen als Esotherik (klingt fast wie ein t-shirt spruch) :o)


Eurovision-Berlin:
Aus welcher "Musiktradition" kommt ihr? Rock, Folk, Klassik...?

Sascha:
Ich hab früher mal in der Hardcoreband "Saém" geschrieen und Gitarre gespielt, heute mache ich neben "the.princess.and.the.pearl" noch Postrock und Folk mit "the dead eyes of london" und electro/indie mit meinem soloprojekt "ecoustic".

Michael ist noch bei der Rockband "Patchwork Projekt" und spielt dort Gitarre und singt.
Michael und ich machen seit ca. Ende 2006 zusammen Musik. Wir haben uns bei mir im Wohnzimmer ein kleines Heimstudio eingerichtet, in dem wir die Songs aufnehmen und produzieren.

So als Koordinatensystem mal ein paar Bands, die wir so hören : Radiohead, Muse, ólafur arnalds, sigur rós, digitalism, arms & sleepers, Tool, deftones, manchmal auch Klassik ( vorwiegend Chopin), und an seltsamen Tagen Lady Gaga und Justin Timerlake :)

Eurovision-Berlin:
Könnt ihr von Musik leben?

Sascha:
Leben können wir von der Musik bisher nicht, Micha hat einen Bürojob und ich bin letztes Jahr mit meinem Studium (freie Kunst) fertig geworden und versuche mich mit freelance-pixelschubserei und Kunst zu etablieren. Da wir nur zu zweit sind, ist es ziemlich schwer manche Songs live zu spielen (vor allem die, die über 50 Spuren haben). Bisher haben wir ein Konzert in Braunschweig gespielt, hatten uns dann aber entschlossen, erstmal das zweite Album fertig aufzunehmen, damit wir eine flexiblere Songauswahl für kommende Gigs haben. Und ohne Live-Präsenz ist es schwer wahrgenommen zu werden. Nun ja, wir verkaufen hin und wieder ein paar Alben über unsere Seite und versuchen auf Samplern vertreten zu sein (was ja tollerweise mit eurem geklappt hat), damit Leute wissen, dass es uns gibt. Jetzt proben wir parallel zum Aufnehmen wieder etwas und haben vor, demnächst verstärkt auf Konzerte zu setzen.

Eurovision-Berlin:
Wie arbeitet ihr? Ich frage mich, wie eine solch harmonische Musik entsteht?

Sascha:
Meistens jammen wir einfach drauf los, bis etwas Interessantes entsteht. Auf dieser Grundlage wird dann weiter gejammt und herumprobiert, bis das intstrumental einigermaßen steht. Anschließend fragen wir uns, was für Bilder der Song bis dahin malt, klingt es eher nach "September-Regen in der Stadt" oder „Sepiafarben“ etc. Und nach so blumigen Assoziationen geht dann das Getexte los, was eigentlich immer der zeitintensivste Teil des ganzen Prozesses ist. Wir lassen das Ganze dann eine Zeit lang sacken und schauen, ob das Lied nach ein paar Tagen immer noch so funktioniert, z. B. ist die Delaygitarre zu weit gepant?, passt der Telefonfilter noch auf die Stimme?, sind die Electrobeats noch originell, oder einfach nur nervig...?

Wenn es noch passt, wird feingeschliffen, wenn nicht umgeräumt. Wir haben auch schon komplette Songs verworfen oder umgekrempelt, an denen wir ewig gearbeitet haben, weil sich dieses spezielle Gefühl nicht eingestellt hat.


Eurovision-Berlin:
Hat euer Bandname eine Bedeutung?

Sascha:
Unser Bandname sollte Assoziationen an Märchen wecken und gleichzeitig nicht "cool" oder witzig klingen, eher nach verdrehten Tim-Burton-Bäumen, Sehnsucht und Sepia. Also so gesehen hat er keine spezielle Bedeutung, außer dass man im besten Fall Bilder im Kopf hat. Und, ja, wir werden oft gefragt wer von uns beiden denn nun die Prinzessin und wer die Perle ist :o) (Hätten wir beim Bandnamenaussuchen eigentlich drauf kommen können)

Eurovision-Berlin:
Mit CC-Lizenz verbindet sich die Idee des freien Kulturaustausches, ein Modell also, das das vorherrschende Musikbusiness ablehnt und oder in Frage stellt. Glaubt ihr, dass sich diese unterschiedlichen Ausrichtungen/Modelle auf das musikalische Schaffen auswirken?

Sascha:
Ich finde generell, dass Medien den Menschen weiterbringen, und dass es nicht sein kann, dass mein Kontostand darüber bestimmt, wie gebildet ich sein soll. Jedes Lied, das ich höre, bringt mich als Musiker weiter, jeder neue Gedanke, den mir ein Medium vermittelt, hilft mir als Mensch mich zu entwicklen, indem er bestenfalls meinen Horizont erweitert.

Es müssen legale Wege geschaffen werden, wie jeder Mensch an jedes Wissen kommen kann. Auf der anderen Seite müssen aber Menschen, die etwas produzieren, additional zur eigenen Befriedigung, auch einen Gegenwert bekommen: sonst kann er das nicht für immer weitermachen. Auch Künstler müssen essen. Zusammengefasst finde ich also schon, dass Kultur bezahlt werden muss, allerdings nicht so, wie dies bisher der Fall ist. Ich finde die Idee von einer Kulturflatrate z. B sehr interessant, habe aber generell zu wenig Überblick um da jetzt eine fachkundige Aussage treffen zu können.


Eurovision-Berlin:
Zum Schluss eine etwas provokative Frage: Musik und Musikbusiness, die sich gegen den neoliberalen Hegemonialdiskurs stellen, haben - zumindest in Deutschland - oftmals eine akustische Protestnote, so als wolle man aufrütteln. Unter diesem Gesichtspunkt müssten Kritiker eigentlich vor eurer Musik warnen: Zu harmonisch, zu entspannend, Opium fürs Volk. Euer Ansatz ist aber - wenn ich es richtig verstehe - sehr eigenwillig.

Sascha:
Ich habe in meinen damaligen Bands viel Rabbatz gemacht, viel geschrieen: Ist also nicht so, als ob uns das komplett fremd wäre, aber mit the.princess.and.the.pearl gehen wir einen anderen Weg. Es geht eher um das Innen als das Außen. Um Gefühlswelten, um Reflektion, um Träume, ums Verlorensein und um Hoffnung.

Wenn man sich mit unseren Texten auseinandersetzt wird man feststellen, dass es dort auch Kritik und Zweifel gibt, aber halt ohne Parole und Zeigefinger. Wir empfinden unsere Musik auch nicht unbedingt als entspannend und einlullend, sondern eher nachdenklich, inspirierend und melancholisch. Ich denke, man muss nicht immer auf die Trommel schlagen um auf sich aufmerksam zu machen, der lauteste Redner ist nicht unbedingt der Inhaltsvollste.

Linkliste

the.princess.and.the.pearl bei myspace

the dead eyes of london bei myspace

ecoustic bei myspace

patchwork projekt bei myspace


Billows





Mittwoch, 1. September 2010

Free! Music! Contest!

Zum zweiten Mal hat der Musikpiraten e. V. den Free! Music! Contest! organisiert. Neben Spaß und Unterhaltung gilt dieser Contest als praktisches Beispiel für freien Informationsfluss im Internet, denn alle eingereichten Musikstücke stehen unter Creative-Commons-Lizenz.

Vom 01. bis zum 31. Juli 2010 konnten Musiker und Bands, die ihre Werke unter CC-Lizenz veröffentlichen, sich auf der Homepage der Musikpiraten anmelden. Zusätzlich wurden Künstler gebeten, auch einzelne Tonspuren einzureichen, die dann von Remix-Künstlern bearbeitet werden konnten.


Im Vergleich zum Vorjahr hat sich die Zahl der Teilnehmer mehr als verdoppelt: Es gab 129 Anmeldungen aus 30 verschiedenen Ländern. Eine 20-köpfige Jury hat daraufhin entschieden, welches Musikstück als Belohnung auf dem Sampler für 2010 veröffentlicht wird.


Zur Jury gehörten u. a.:


Matthias Gutjahr von
numblog.de,

Mike Gregoire von
blocSonic.com,

Rene Walter vom Blog
nerdcore,

Micha Schmidt von
Weblog.Micha-Schmidt,

Timo, better (aka online) known as
Geisterkarle,

Sven Krohlas, Moderator von
Darkerradio.com,

Roland von
machtdose.de,


Jörgen Kosche von Mnementh,

Daniel Dotzel von Ambitio,

Marc von murdelta,

Ronny Kraak von Kraftfuttermischwerk,

Daniel Wagner von der Agentur Wagner,

Nico Schipper vom Musikblog nicorola,

Eric Sesterhenn vom Chaos Computer Club Mainz,

Christian Hufgard vom Musikpiraten e. V.,

Ryo, blogger and netcaster for quite some years,

Jens Hillmann, I'm just a guy who loves good music. No website, no blog, no nothing,
just born with my headsets on. :-)


und ich.


One and Zero

Der Jury standen lediglich die Musikstücke zur Bewertung zur Verfügung ohne Nennung von Namen, Titel oder Herkunft. Ganz im Sinne der Tradition der Digital Natives gab es keine Punkteorgien wie z. B. beim ESC, sondern die Bewertung beschränkte sich auf 0 und 1. Nach diesem Prinzip mussten aber alle 129 Stücke gehört und bewertet werden.


Der Sampler wird zum kostenlosen Download angeboten, aber auch auf CD gepresst.
Interessierte User und Hörer werden noch die Möglichkeit haben, die Musikstücke auf dem Sampler einzeln zu bewerten. Musiker und Jury freuen sich schon auf großes Feedback, zum anderen kann zugleich die Usability der Votingseite getestet werden, bevor sie im nächsten Jahr möglicherweise zur Bewertungsgrundlage wird (?)



Beitrag aus Weissrussland:

Teania - Something Wicked This Way Comes


Samstag, 14. August 2010

Geloven in het Leven - die 3JS für die Niederlande

Die Niederländer haben ihre Teilnehmer für den Eurovision Song Contest 2011 bereits nominiert, und zwar entschied sich die TROS für das Trio 3JS. Dies wurde von vielen Fans mittlerweile enthusiastisch begrüßt (ich mit einbeschlossen), andere wiederum fragen sich entsetzt, wie sich diese Musiker so einem albernen Spektakel wie dem ESC hingeben können. Grund für ihre Zusage ist ihre Wahrnehmung, dass neuerdings nicht mehr irgendwelche schrägen Nummern, sondern endlich wieder die Lieder und die Musik im Vordergrund stehen.

Am 08. August 2010 sind sie trotz vollen Terminkalenders für den Radio 2 Zomerhit Award per Helikopter an den Strand von Sint-Laureins in Westende (Belgien) geflogen und haben dort für die
B.O.Studio’s ein Interview gegeben. In diesem sympathischen und unterhaltsamen Interview geht es ausschließlich um ihre Teilnahme am Contest im nächsten Jahr, ich habe es daher im Anschluss an das Video ins Deutsche übersetzt.



Reporter
: Jaap de Witte, Jan Dulles und Jaap Kwaakmann, bekannt als die 3JS, kommen – wie vom Himmel gefallen – aus den Niederlanden, und zwar von der Gay-Pride – habe ich gehört…?

Jan Dulles
: Nein, wir waren nicht auf der Gay-Pride, da waren unsere Kollegen Nick und Simon, wir sind darüber hinweggeflogen. Wir hatten keine Zeit dahin zu gehen, aber eigentlich sind wir auch lieber hier [in Belgien].

Reporter
: Ihr werdet zum Eurovision Song Contest gehen, wo ihr dann mit der großen weiten Welt konfrontiert werdet, aber was ist nun eure wirkliche Motivation, da mit zu machen?

Jan Dulles
: Wir möchten einfach das ganze Spektakel mal mitmachen. Es schauen 135 Millionen Menschen zu, es scheint ein ungeheuerliches Spektakel zu sein, nun ja, ihr wisst es ja eigentlich besser als wir… Wir möchten nächstes Mal dabei sein und dort ein schönes Lied von uns präsentieren.

Reporter
: Die Niederländer sind wegen der jahrelangen schlechten Resultate mittlerweile ziemlich müde vom Contest, müsst ihr jetzt das Vaterland retten?

Jaap Kwaakmann
: So lautet der Auftrag, aber damit können wir uns nicht beschäftigen, dann würde die Last zu schwer werden. Man muss von dem ausgehen, was man kann und will. Wenn man alle externen Faktoren wie Meinungen und Kritik mit einbeziehen würde, das wäre wie beim Fußball, da gäbe es dann auf einmal in den Niederlanden 80 Millionen Coaches, die es alle besser wissen. So ist es ja auch schon beim ESC, aberdarauf können wir uns nicht einlassen.

Reporter
: Jeder Musiker hat doch als Teilnehmer des ESC einen Plan, ihr geht sicherlich nicht nur hin, weil die TROS es gerne möchte, was ist euer wirkliches Ziel? Und richtet sich euere Zielsetzung auf den inländischen oder ausländischen Markt?

Jaap de Witte
: Inländischer Markt und Belgien, unsere Ambitionen gehen nicht darüber hinaus.

Reporter
: Es wird gesagt, dass ihr auf jeden Fall auf Niederländisch singen werdet…?

Jan Dulles
: Nun, das steht noch nicht fest. Wir werden 5 Lieder schreiben und einige Melodien, die wir schreiben, erfordern nun mal einfach einen englischen Text. Wir wollen auf keinen Fall jetzt schon versprechen, dass es ein niederländisches Lied werden wird.

Reporter
: Ich habe mir sagen lassen, dass eure Lieder im Ausland geschrieben werden sollen, und zwar in Frankreich. Wann wird das geschehen?

Jaap de Witte
: Das wird im Oktober und November sein. Wir haben in beiden Monaten eine Woche dafür reserviert. Wir hoffen, in dieser Zeit die Lieder fertig zu stellen, vielleicht sogar noch mehr, aber für die Vorentscheidung werden es 5 Lieder sein.

Reporter
: Ist es euer Anliegen, in diesen 5 Liedern dem Publikum euer gesamtes Repertoire und euer Können anzubieten und vorzuführen?

Jaap Kwaakmann
: Das wäre schön, aber da muss man sehen, was dabei herauskommt. Es ist natürlich das Bestreben, eine Art Zusammenstellung verschiedener Genres abzuliefern, von Ballade zu einer Up-Tempo-Nummer, so dass es eine echte Auswahlmöglichkeit gibt. So ist unser Plan, wie es letztendlich wird, daran müssen wir jetzt hart arbeiten.

Reporter: Eure letzte Single "Geloven in het Leven" habt ihr gemeinsam mit John Ewbank aufgenommen, und das Lied hat einen sehr schönen internationalen Sound. Ist das ein Mann, der als Unterstützung für eure Kompositionen in Frage kommt?



Jan Dulles
: Prinzipiell ja, aber John ist schon sehr ausgelastet. Jetzt ist er eingespannt bei den Aufnahmen von Marco Borsatos neuestem Album, dessen Lieder sind alle von John. Aber wir haben ihn schon angerufen und gefragt, ob er ggf. für den Notfall zur Verfügung steht. Kann also sein, aber das kann man bei John wegen Zeitmangel nie genau sagen.

Reporter
: Wie wird die Auswahl eurer Lieder vonstatten gehen? Beschließt das die TROS oder seit ihr autonom in euren Entscheidungen?

Jaap de Witte
: Ja, wir können einbringen, was wir gut finden, wobei wir allerdings nicht all zu extrem sein dürfen. Die TROS hat uns ihr Vertrauen geschenkt. Wir werden die 5 Lieder selber einbringen, was davon zum Contest geschickt wird, das wird das Publikum und eine Fachjury entscheiden.

Reporter
: Die irische Folkmusik ist eure erste musikalische Visitenkarte, wird das auch ein Element in eurer Auswahl sein, dies auch in Bezug auf den internationalen Sound?

Jaap Kwaakmann
: Es wäre etwas sonderbar, wenn wir ausgerechnet irische Einflüsse mit einbringen würden. Da würden ja die Iren sofort denken „Moment mal, das ist aber von uns!“, und so etwas geht auf dem internationalen Podium einfach nicht. Aber etwas Internationalität wie bei der Weltmusik, das könnte auf internationale Bühne gut funktionieren, und das ist uns natürlich nicht fremd.

Reporter
: Ich habe gesehen, dass euer erstes und zweites Album eine special edition bekommen hat, das dritte Album ist jetzt auch schon raus, wird also dann auch eine special edition herauskommen mit den fünf Liedern, die ihr noch komponieren werdet?

Jan Dulles
: Darüber wurde schon nachgedacht, aber noch ist nicht entschieden, wie wir diese fünf Lieder herausbringen werden. Wir können damit auch nicht bis zum vierten Album warten, das wäre auch sonderbar, also darüber müssen wir noch nachdenken.

Reporter
: Ein äußerst wichtiger Punkt beim Contest, ja noch wichtiger als die Musik, ist die Kleidung. Habt ihr dafür schon Entwürfe erstellt?

Jaap de Witte
: Wir werden dafür noch in ein schönes Modegeschäft gehen, aber wir werden keine verrückten Dinge ausprobieren, es wird nichts Bombastisches geben, einfach nur drei Jungens mit wahrscheinlichen drei schönen Anzügen, zwei Gitarren und eine Stimme. Und das wird reichen.

Reporter
: Ihr dürft mit sechs Leuten auf die Bühne, wird es trotzdem bei den 3JS alleine bleiben?

Jan Dulles: (Scherzen) Wir werden wahrscheinlich mit sechs Leuten auf der Bühne stehen, wir brauchen noch drei Musiker, und das werden wahrscheinlich Bass, Drums und Violine sein.





Reporter: Nick & Simon z. B. ?

Jan Dulles
: Nee, das wäre dann doch zu durchsichtig.

Reporter
: Ich habe in euren Online-Shop geschaut. Ihr verkauft offensichtlich Strings. Wird es für den Contest davon etwas Contest-Spezifisches geben?

Jan Dulles
: Die Strings gehen nicht wirklich auf unser Konto. Ich weiß nicht, ob die belgischen Frauen vielleicht darauf stehen, aber: Die könnt ihr kaufen!

Donnerstag, 5. August 2010

Die Imkermeister des natürlichen Kunsthonigs

Dass Lena Meyer-Landrut nächstes Jahr ihren Titel beim Eurovision Song Contest verteidigen soll, war also schon vor dem Finale 2010 abgesprochen. Das bestätigt meine Wahrnehmung, dass sie uns regelrecht aufgezwungen wird. Gestern abend Werbung für Lena in den ARD-Nachrichten... und ich fühle mich langsam wie ein Versuchskaninchen.

Starkonzept „Lena“

Ich bin erstaunt, dass so ein autoritäres Starkonzept in der Popmusik überhaupt ankommt. Es ist ja nicht so, dass Lena ambitioniert und exzentrisch auf die Kacke hauen will, sondern sie folgt brav und bieder einem maßgeschneiderten Plan: "Ich muss nicht noch mal gewinnen". so
Lena in einem Interview. Warum denn ein zweites mal mitmachen, Lena? Zwingt dich jemand?

Die Lena-Attribute "Natürlichkeit, Anmut, Aura" haben sich mittlerweile auch als schlichte Verkaufsstrategie entpuppt: "Alles zu extra gemacht, zu viel Absicht, zu groß und dick, die coole Friedrichshain-Fensterglasbrille, irgendwie", so
Böhmermann in seinem Blogartikel. Sein Fazit:

Da muss mehr kommen!

Ich frage: Was soll da eigentlich jetzt noch kommen? Beim Lena-Starkonzept hat man den Sieg eines internationalen Musikwettbewerbs, der doch eher als Höhepunkt einer Karriere Sinn macht, an den Anfang gesetzt, jetzt folgt naturgemäß das Recyclingprogramm. Welchen Sinn macht es überhaupt, den ESC mit solchen Kunst-Karrieren zu trivialisieren, wenn man doch eigentlich mit dem Thema längerfristig Geld verdienen möchte? Oder etwa nicht? Vorbild könnten Schweden und Norwegen sein.

Warum das Geld immer nur in die Taschen einiger weniger fließen lassen? Warum die gesamte deutsche Musikszene ausgrenzen? Warum keine Vorentscheidung mit unbekannten UND bekannten Stars? Der Bundesvision Song Contest wäre doch da ein guter Anfang.

Risiko? Beim Blick auf die
Landkarte der diesjährigen Punkteverteilung ist doch eine Blockbildung nicht von der Hand zu weisen. War Lenas ESC-Erfolg vielleicht doch eher ein außermusikalischer? Die Jurys minimierten den Risikofaktor Publikum. Um nun auch von unten zu überzeugen, greift man seit Web 2.0 gerne auf Marketing-Strategien des Social Networking in Kommunikationsportalen (Facebook, Foren, Blogs etc.) zurück. Fleißigen Support leisteten hier angeblich die Kirchen. Dementsprechend hieß Lenas erster Karriereknick nicht etwa Jennifer Braun oder Safura, sondern Joachim Gauck.

Die Imkermeister des natürlichen Kunsthonigs erschaffen sich ihren natürlichen Kunst-Fan

Aufgrund "eines" Liedes und noch vor Lenas "einem" Auftritt fanden sich schon zahlreiche absolut begeisterte Lena-Fans auf Facebook und in einem Lena-Forum zusammen. Dafür mussten sich aber Stars von Vicky Leandros bis zu den Beatles mehr anstrengen. Mit anderen Worten: Grotesk!


Lena-Fans sind auch nicht die schon vorher dagewesenen Hardcore-ESC-Fans. Den landeseigenen Beitrag in allen Ehren, aber ESC-Fans interessieren sich genauso viel oder sogar mehr für Beiträge aus anderen europäischen Ländern, vor allem, wenn diese ihre Herkunft erkennen lassen und in Landessprache gesungen werden. Überhaupt ist die Landessprache zu einer Art musikalischer Parameter avanciert, sozusagen als zusätzlicher Sound. Das gilt für jede Sprache, außer Englisch. In diesem Sinne haben Lena und die ESC-Fans sich eher verpasst.


Lena-Fans scheinen sich nur bedingt für Musik, mehr für Lena und am meisten für Deutschland zu interessieren. Überhaupt scheint die Lena-Frage bei ihnen weniger eine Geschmacks- sondern eher eine Gesinnungsfrage zu sein. Fast könnte man meinen, sie nähmen Lena und Raab nur als Aufhänger, um ihr nationalistisches Gedankengut und ihre autoritären Denkformen unters Volk zu bringen. X-beliebiges Beispiel aus einem ESC-Kommunikationsportal, das ESC-Fans überzeugen soll: „Ich vertraue Raab blind, er weiß was das Beste ist. Wer Deutscher ist und beim ESC gut abschneiden will, sollte auf Raabs Entscheidungen vertrauen.“


Stefan Raabs Erfolg...

... besteht darin, dass der NDR ihn in eine Position gehievt hat, von der aus er die ARD, deren Jugendwellen, die Presse, die Musikszene, die Fans und nicht zuletzt Lena Meyer-Landrut 2010 vor sich hertreiben und 2011 in ihre parasitären Ecken zurück verweisen kann. Mit inszenierter Verantwortung und unternehmerischer Tatkraft wird Raab uns als „neutrales“ Wunschbild des erfolgreichen Neoliberalen präsentiert. Dementsprechend hebt er in jeder PR-Meldung nicht etwa seinen musikalischen Stil oder seine Themen, sondern ausschließlich seinen Geschäftssinn hervor. In dieser Hinsicht bietet er sich genau wie Lena wie eine inhaltsleere Projektionsfläche an, die für Vereinnahmungen geradezu prädestiniert ist:


USFO als deutsch-nationale Aufgabe unermesslichen Ausmaßes.

Das deutsche Volk steht hinter Lena.

Lena unsere Rettung.

Lena, wir danken dir.

usw. usw.


Lena hat sich nie aktiv mit Musik beschäftigt, bis heute keinen geraden Ton gesungen und kam zu ihrem Erfolg wie die Jungfrau zum Kind. Wenn das Anlass zum Nationaljubel ist, könnte man genauso gut jedes Wochenende den neuesten Lottokönig preisen. Zudem aus pädagogischer Sicht ein unverantwortliches Signal an die Pisa-Generation: Pfeift auf eine Ausbildung, rühmt unter der Deutschlandfahne lieber das Glück der Auserwählten.


Freerk Huisken bezeichnet dieses Phänomen in seinem Text "
Lena, Lena, Lena. Der natürlich gänzlich unpolitische Sonntagsnationalismus" als Sonntags- und Partynationalismus, der nicht weniger gefährlich ist, nur weil er sich auf Trivialitäten wie den ESC oder die WM bezieht. Im Gegenteil! Aus dieser Perspektive macht es allerdings Sinn, wenn die deutschen Imkermeister einen Noname zur Bienenkönigin gemacht haben. Jeder renommierte Musiker, der sich vor solch einen Karren spannen lässt, müsste zumindest vor seinen Fans Rede und Antwort stehen. Aber der „neutrale“ Geschäftsmann Raab und „irgendeine“ Lena? Ein Schelm, wer Böses dabei denkt.

Donnerstag, 1. Juli 2010

Der ESC-Sieg im Zeitalter seiner strategischen Reproduzierbarkeit

Lena soll 2011 ihren Titel verteidigen. Eigentlich kann sie auch ein 3., 4., 5. Mal teilnehmen. USFO hat mit seiner erfolgreichen, alles und jeden umschmeichelnden Strategie klar gestellt, dass es in Deutschland keine Alternativen mehr gibt.






Wer will noch an etablierte Musiker mit Nachhaltigkeitsanspruch glauben, wie z. B. Jan Delay, Sasha, Xavier Naidoo, Adel Tawil, Nena, Müller-Westernhagen...? Auch sie haben als Juroren USFO beschworen, sich vorbuchstabieren lassen, wie wahrer Erfolg zu funktionieren hat und können sich nun bei der nächsten Karaoke-Show überzeugt hinten anstellen... oder sie kopieren das Konzept wie Sido.

Den Sieg beim Eurovision Song Contest banalisiert
Hatte sich der NDR mit Raabs kultivierter Unterstützung 1998 noch damit begnügt, die ESC-Show durch den Kakao zu ziehen, ist man 2010 einen Schritt weiter gegangen und hat mit einer Top-down-Kampagne den Sieg beim ESC schematisiert und damit banalisiert. Auch die Ankündigung einer Titelverteidigung noch am Finalabend ist eine solche Banalisierung und stellt zugleich die Erfolgsmeldungen zu USFO in Frage: keine Wiederholung.


Die Organisatoren bauen keine Musiker als Testimonial auf, um sie ein Jahr später gegen die Wand zu fahren. Daher erwarte ich, dass Lena bei ihrer 2., 3., 4., 5. Teilnahme genauso überraschend gewinnen wird wie beim 1. Mal.

Genug der Polemik!
Deutschland hat gewonnen, aber für Fans, Musik und Musikszene empfinde ich das als einen Verlust. Meine kritische Distanz erklärt sich zunächst einmal damit, dass sich die Macher mit ihren Erfolgsmeldungen zur Kooperation zu sehr in den Vordergrund geschoben haben. Das nahm der Unterhaltungsshow von vorneherein den Zauber und gab ihr einen abgeklärten und autoritären Anstrich.


Noch bevor überhaupt zumindest Kaufentscheidungen hätten gefällt werden können, fühlte man sich als Publikum genauso entmündigt wie die Musikszene. Ausschließlich einen Karaoke-Star als ESC-geeignet zu feiern, entwertet nicht nur deren selbstbestimmten Musikerprofile, sondern auf längere Sicht auch den ESC. Statt hier mit europäischer Vielfalt zu experimentieren, scheint man mit globalisierter Kraft das Niveau des anglo-amerikanischen Formatradios durchsetzen zu wollen.

Genau das, was USFO vorgab zu produzieren, habe ich vermisst: Originalität, Emotion, Natürlichkeit, Glaubwürdigkeit, Aura. Ich hatte zu keiner Zeit das Gefühl, ernst genommen zu werden, etwas zu entdecken, konnte nichts richtig auf mich wirken lassen, vergleichen, Geschmacksfragen ausdiskutieren. In einem 3-monatigen Hau-Ruck-Verfahren wurde ein No-Name zum Sieger hoch gepuscht und uns mit penetranter PR so lange um die Ohren gehauen, bis keiner mehr wagte, etwas dagegen zu sagen.


Nie zuvor wurde so nachhaltig versucht, die Fankommunikation zu lenken und Akzeptanz zu erzwingen. Und Medienhypes, die als Top-down-Kampagnen angesetzt und als "Nationale Aufgabe" deklariert werden, beweisen bestenfalls, dass die Zuschauer die Erwartungshaltung erfüllen.

Welchen ideellen Wert hat ein Sieg beim Song Contest nun noch?
Gibt es jenseits von Punktetabellen, Chartlisten, Downloadraten, Medienhypes und Aktienkurse überhaupt noch einen ideellen Wert? Ja, aber nur wenn Fans ihn selber beisteuern. Ich erinnere in diesem Zusammenhang an die
spannende Analyse und liebevollen Arrangements von Satellite von Amateuren auf youtube. Sie waren das Beste an der gesamten Lena-Kampagne, wurden aber von den Machern strikt ignoriert. Deren Arrangement von Satellite, dem Videoclip und der Finalperformance war genauso statisch-flach wie ihre Kampagne autoritär und eindimensional geführt wurde.

Lenamanie
Ich gehe mal davon aus, dass Lena eine talentierte und kluge Frau ist. Aber an ihrer inszenierten Blitz-Karriere, ihrem ausgesprochen schmalspurigen Musikerprofil und ihrer Performance überzeugt mich nichts. Müßig die Frage, ob Lena singen und englisch sprechen kann oder nur davon träumt. Als ein Kunstprodukt der Musikindustrie wird sie uns mit viel Promotion aufgezwungen, insofern darf man auch mal ein paar gerade Töne erwarten.

Statt aber diese Erwartung zu erfüllen, zelebrierte sie ihre Unzulänglichkeiten, was im Kreise ihrer älteren Urheber entsprechend primitiv, ja beinahe publikmsverhöhnend wirkt. So wie hier im Video würde wohl auch keine Delegation sich und seine Interpretin präsentiert haben, wenn der Ausgang des Wettbewerbs völlig offen gewesen wäre.





Mittwoch, 9. Juni 2010

Vom ESC-Kult zum Kult der Vermarktung

Teil 1 - Sehr geehrtes Fräulein Lena

Wir Fans sind specialists in Sachen Eurovision Song Contest und freuen uns jedes Jahr über spannende, innovative Produkte. Und Spaß. Sie boten dieses Jahr frischen Wind aus Deutschland. Wir sind bereit.


Entdecken Sie uns!

Ein einmal jährlich stattfindender Song Contest macht Ihre Karriere für die nächsten 10 Jahre planbar. Sie möchten nach dem ersten erfolgreich absolvierten Contest ungebremst auf Karrierekurs gehen? Wir werden Sie begleiten auf Ihren ersten Schritten in die Tournee – nach Skandinavien, USA, Australien… Ihr ganz individuelles Durchstarten. Gut, dass es Stars wie Sie gibt.


Professionalität und Perspektiven in der Welt der Fans

Wir bieten ein auf den Bedarf und die in Zahlen gegossenen Träume unserer Stars ausgerichtetes Leistungsspektrum an: Meetings, straffe Organisation, steile Hierarchien. Portale, Blogs, Foren. National und international. Maßgeschneidert für die Erfordernisse unserer Stars. Offene Kommunikation und globale Präsenz ist die Grundlage unseres Modells.


Die Fanclubs werden die Erfolgsstory des modernen ESC-Wettkampfes schreiben. Vergessen Sie alles, was Sie bislang im Zusammenhang mit dem Musikbusiness gelernt haben. Sie sind bereit für Neues? Musikbusiness ohne Musik?

Votings, Chartergebnisse, Wettquoten, Punktetabellen und Hitraten sagen mehr als Millionen Noten. Sie sorgten dafür, dass wir damit ein gesundes Optimum erreicht haben. Darin liegt Ihre Stärke. Und der vertrauen wir. Wenn Sie weiterhin ihre Zukunft mit diesem Herzblut verfolgen, sind wir die richtigen Partner.

Sonntag, 30. Mai 2010

Eurovision Song Contest 2010 - Alles in allem...

... ein mittelmäßiger Contest aus Oslo ohne nennenswerte Höhepunkte.


Nicht für Europa, erst recht nicht für Osteuropa. Nur Deutschland darf sich nach 28 Jahren endlich wieder richtig freuen. Der Sieg ist eine Sensation. Lena war in Bestform, wie wochenlang zuvor auch schon Raab, ohne dessen Unterstützung dieser Erfolg nicht möglich geworden wäre.

Überraschung? Die größte Überraschung für mich war, dass der NDR zu gewinnen bereit war, hatte man uns doch Jahre lang das Gegenteil signalisiert. Wenn man dies - nach etwa der 5. Wertung - realisiert hatte, war der Punkteregen für Lena keine Überraschung mehr, sondern eher der konsequente Vollzug der zuvor massenhaft verbreiteten Sensationsmeldungen ihres Erfolges und Sieges.

Ein verdienter Sieg
denn mit einigen wenigen Ausnahmen war die Konkurrenz eher langweilig. Ich hätte es sogar begrüßt, wenn zumindest Osteuropa den bis dahin inszenierten Konkurrenzkampf mit der Aserbaidschanerin Safura bis ins Finale mit simuliert hätte. So kam bei mir - genau wie schon in den vorangegangenen Jahren - zu keinem Moment Wettkampfstimmung auf.

Die 12 Punkte aus Osteuropa
dümpelten stattdessen von einem Land zum anderen und vermittelten mir einen sehr zurückhaltenden Eindruck. Den Eindruck hatte ich übrigens schon bei der Auswahl der jeweiligen Musikstücke, weswegen ich bei einigen Musikern genauer nachhakte. Für die operettenhafte ESC-Revue waren zwar viele Stücke ungeeignet, aber immerhin hatten einige Musiker interessante Botschaften für Europa.

Diese wurden vom Kommentator Peter Urban durchweg ignoriert, er glänzte mal wieder als Experte für Make-Up, Frisuren, Choreographien und Kleidung und konnte sich bei keinem Beitrag aus Osteuropa eine gehässige Spitze verkneifen. Auch wiederholte er im Finale stumpf seine Anmoderationen aus den Semifinale. Aber genau dieser Stil repräsentiert leider das relativ niedrige Niveau des ESC-Diskurses in Deutschland.

Der wahre Gegenkandidat Deutschlands
war Russland. Während "Unser Star für Oslo" als ein geschickt inszeniertes Produkt der Musikindustrie seine erfolgreiche Vermarktung feiert, präsentierte Peter Nalitch OHNE vorangeganenes PR-Geklapper demonstrativ seine selbstbestimmte Marktuntauglichkeit, und führte bei immerhin 39 Teilnehmern mit einem sagenhaften Platz 11 im Finale alle Strapazen, Behauptungen und Berechnungen der Musikindustrie ad absurdum.

Samstag, 22. Mai 2010

Das Mysterium der Rankings und die Offenbarung der Wettquote

Lenas Glück beim Eurovision Song Contest

Mit eigens und auf die Schnelle für den Eurovision Song Contest produzierte Retorten kann ich nichts anfangen. Beim ESC steht dieses Jahr Deutschland als ein sog. Big-4-Land (mit Lena und dem Lied „Satellite“) für dieses Konzept – wahrscheinlich weil Deutschland sich wiederum den Forderungen der gleichnamigen Big-4 der Musikindustrie unterworfen hat? Das Fragezeichen soll darauf hinweisen, dass es in Deutschland zum Thema ESC keinen Musikjournalismus gibt, der Hintergründe beleuchtet, Organisatoren auf die Finger schaut und einen neutralen Blick über die deutsche Grenze wirft.


Für mich als interessierten Laien erwiesen sich somit das Internet und google’s Übersetzungsmaschine als ein wahrer Segen, denn es gab vor allem in Süd- und Osteuropa wieder Einiges zu entdecken. Beispiele:


Experimentelles aus Estland,

Diaspora-Konzept aus Armenien,

Protestlieder aus Griechenland und der Ukraine,

ernste U-Musik aus Israel und Polen,

der Ruf nach einem gerechten Europa aus Litauen und Lettland sowie

Free Music aus Russland.


Hinter diesen Konzepten stehen junge Musiker, die mit ihrem Contest-Auftritt offensichtlich mehr oder anderes verbinden als nur die Gier nach Punkten und Triumpf. In der deutschen Berichterstattung allerdings werden diese Musiker bestenfalls als Komparsen für den Auftritt von Lena Meyer-Landrut degradiert. Ausgerechnet.


Vom ESC-Kult zum Kult der Vermarktung

Lena, ein Teenie, die innerhalb eines Monats zur Werbe-Ikone hochgepuscht wurde, die zuvor nie was mit Musik zu tun hatte und am Finalabend ihre ersten Gehversuche auf internationaler Bühne machen wird. Sollte dies Erfolg haben, dürfen sich nicht Musiker, sondern Mediencoaches, Marktforscher, Imageberater, Agendasetter, Marketer, Spin-Doktoren, PR-Consultants usw. usw. anerkennend auf die Schulter klopfen.


In einem netten, 1-stündigen Gespräch auf Radio FRITZ am 14.05.2010 zeigte Lena sich als Musikerin entsprechend unerfahren und defensiv. Eher erstaunt über den von Stefan Raab erzeugten Medienhype um USFO und ihrer Person, amüsierte sie sich vielmehr – und zu Recht – über die teilweise grotesken Ergebnisse dieses Hypes. Die Organisatoren hatten mit Sensationsmeldungen auf Dauerfeuer schalten lassen und die deutsche Journaille ballert seitdem mit. Da muss man sich nicht wundern, wenn trotz starker Aufmerksamkeit der ESC in Deutschland weiterhin als Witzveranstaltung verkommt. Der größte Witz dabei ist Deutschland selber, denn es macht nicht mal richtig mit. Es kauft sich Wettbewerbsvorteile (Big-4-Status), damit Lena gleich im Finale starten kann, und die Forderung nach einer Jury lässt auch eher auf Risikovermeidung schließen.


Ein musikalisches oder sonst wie geartetes Konzept habe ich bei den Deutschen nicht entdecken können, in den Sensationsmeldungen geht es ausschließlich um Rankings, Downloadraten, Chartplatzierungen, Punktetabellen und Wettquotenergebnisse. Dem Zeitgeist entsprechend, erinnert mich das an ein spitzbübisches Börsenspekulantenspiel, bei dem unbekannte Aktien in die Runde geworfen und Aktionäre mit Rating-Agenturen zu blenden versucht werden - nur um sehen, wie weit man damit kommt...?


Das mag in der Wirtschafts- und Finanzwelt Spaß machen, aber beim Eurovision Song Contest verstehe ich nun mal keinen Spaß ;-)





Mittwoch, 19. Mai 2010

Litauens Botschaft beim ESC 2010: EUROPA GEHT UNS ALLE AN!

Fast hätte Litauen dieses Jahr wegen finanzieller Probleme beim Eurovision Song Contest gefehlt. Zum Glück fand sich ein Sponsor, der Litauen doch noch eine respektable Vorentscheidung ermöglichte. Bei diesem Wettbewerb gewann die Band InCulto mit dem herzerfrischenden, vom Ska-Punk inspirierten Song „Eastern European Funk“.

Nach dem Motto „Europa geht uns alle an“ wirft das von der Band selbst verfasste Lied einen kritischen Blick auf Unterschiede und Ungerechtigkeiten innerhalb Europas und zeugt vom Wunsch nach mehr Kooperation zwischen Ost und West:

“You've seen it all before, we ain't got no taste, we're all a bore
You should give us a chance, 'cause we're all victims of circumstance
We've had it pretty tough, but that's okay, we like it rough
We'll settle the score, survived the reds and two world wars
[...]
Yes sir, we are legal, we are, though we're not as legal as you
No sir, we're not equal, no, though we're both from the EU
We build your homes, we wash your dishes, keep your hands all squeaky clean
Some day you'll come to realise Eastern Europe is in your genes

Get up and dance to our Eastern European kinda funk...”






Der in Kolumbien geborene und in den USA aufgewachsene Lead-Sänger Jurgis Didziulis möchte den Song nicht nur als eine Provokation verstanden wissen. In einem Interview betont er, dass gerade die Mischung verschiedener musikalischer Stile auch Ausdruck ihrer litauischen Identitätssuche ist. 20 Jahre nach dem Fall der Mauer fällt eine Abgrenzung von den ehemals sowjetischen Einflüssen genauso schwer wie vom neuen “coolen” Stil des modernen Westens. Ein musikalisches “Sowohl-als-auch” soll die Wertschätzung verschiedener Kulturen zum Ausdruck bringen.

Europa von unten

könnte das Motto ihrer Promo-Tour sein, die bislang die unterhaltsamste, witzigste und sympathischste Tournee war, die ich im Zusammenhang mit dem ESC mitverfolgt habe. Kaum einen Cent in der Tasche wurden via Flugzeug, Bus, Bahn und Auto 13 europäische Länder besucht. Die meiste Zeit performten sie als Straßenmusiker, warben für ihren Contest-Beitrag und verdienten dabei sogar etwas Geld. Witzig die Reaktionen der europäischen Hauptstadtbewohner, die unausweichlichen Pannen, atmosphärisch die stets wechselnden Kulissen der europäischen Hauptstädte. Zwischendurch folgten auch kleine Live-Sessions und Interviews in TV- und Radiostationen. Das alles ist in Form von Videoclips auf der
Homepage von InCulto dokumentiert. Fazit eines rumänischen Passanten: "E o idee originală. Îi votez!" (Es ist eine originelle Idee. Ich vote!)

Stimmiger hätte InCulto das Thema Europa nicht umsetzen können, autenthischer hätten sie ihr Lebensgefühl nicht präsentieren können: “We are a bunch of musicians who want to live their lives to the fullest and are currently experiencing ..post post modernity.. and avoiding the prospects of a 9 to 5 job. We are taking the risk of trying to make a living off what we love doing. The diversity of the musicians' tastes and orientations is reflected in our recordings and on stage.” So die Selbstbeschreibung auf
Incultos Myspace-Seite.

Für die Eurovisionsgemeinde sind sie keine Neueinsteiger. Der Leadsänger Jurgis Didziulis ist verheiratet mit Erica Jennings, die bereits 2001 mit der Band Skamp Litauen beim ESC vertrat. InCulto nahmen schon mal 2006 an der litauischen Vorentscheidung teil und belegten damals den 2. Platz. Die Band besteht seit 2003, seit ihrem Debütalbum “PostSovPop” haben sie schon einige Preise erhalten. Ihr 2. Album “Hits In The Land Of Mary” erschien 2007, das dritte Album wird gerade vorbereitet. Zur Band gehören neben Jurgis Aurelijus Morlencas (Bass, Gesang), Sergej Makidon (Drums), Jievaras Jasinskis (Trompete, Gesang) und Laurynas Lape (Trompete).




Der Eurovision Song Contest ist zwar eine großartige Live-Übertragung, bedauerlicherweise gilt dies allerdings nur für den Gesang, die Instrumentalmusik kommt von Tonträgern. Da InCulto nur ungerne ihre Live-Musik imitiert, bleiben die Hände frei und man darf gespannt sein auf die Performance. Etwas davon kann man schon auf ihrer Homepage sehen.










Dienstag, 11. Mai 2010

Eve Of Destruction - Triste Nostalgie aus der Ukraine

Alyosha (Olena Kucher) wird die Ukraine beim diesjährigen Eurovision Song Contest mit dem Lied "Sweet People" vertreten. Geboren am 14.05.1986 in der Ukraine, mit abgeschlossenem Studium Popmusik-Gesang an der Kiewer Universität für Kunst und Kultur, einer 4 Oktaven umfassenden Stimme, mehreren Wettbewerbserfolgen und einem Plattenvertrag bei "Catapult Music" zeigt sie sich in Starlife überzeugt: "Mein Lied unterscheidet sich in seiner Art radikal von allen übrigen Songs der teilnehmenden Ländern bei der Eurovision 2010." (Моя песня кардинально отличается по стилю от песен других стран-участниц «Евровидения-2010)

Darum vote ich für Alyosha
Die älteren Musikfans werden sich erinnern: Es gab eine Zeit vor Abba. Abba gewann 1974 mit "Waterloo" den Grand Prix d'Eurovision de la Chanson und wird seitdem als die erfolgreichste Band dieses Wettbewerbs hochgehalten. Was war an Abba erfolgreich?

Für mich war Abba die erste Band, die kompromisslos nur auf wirtschaftlichen Erfolg ausgerichtete Mainstreammusik produzierte und dies massiv zelebrierte. Bis dahin beeinflusst von Musik der Alternativkulturen, fiel der Erfolg von Abba für mich zusammen mit dem Bedeutungsverlust von Popkulturerfahrungen, denen global gemeinschaftsstiftende Werte eigen waren wie Selbstbestimmung, Emanzipation, Solidarität, einem Misstrauen gegenüber dem politischen und wirtschaftlichen Establishment sowie einer kritischen Einstellung gegenüber Wohlstand und seinen umweltschädigenden Folgen.


Für uns zählten Musiker, denen ihre Message mindestens so wichtig war, wie der Erfolg. Wir waren ein Publikum, deren Maßstäbe sich nicht auf irgendwelche Rankings beschränkte. Das hat es mal gegeben, auch in Deutschland, sogar beim Grand Prix:


"Rauch aus tausend Schloten senkt sich über Stadt und Land,

wo noch gestern Kinder war'n, bedeckt heut' Öl den Strand.
In den Düsenriesen fliegen wir dem Morgen zu,
wie wird dieses Morgen sein,
sinnlos oder voller Sonnenschein?"
(Katja Ebstein: Diese Welt, Grand Prix d'Eurovision de la Chanson 1971, Platz 3)

An diese Zeit erinnert mich der diesjährige ukrainische Beitrag "Sweet People" von Alyosha. Zufall? Mitnichten. Für diese Message hat die Ukraine einen bereits zuvor nominierten Kandidaten fallen gelassen, wegen der damit einhergehenden Überschreitung der Dead-Line eine Geldstrafe in Kauf genommen und sich bei Punktegleichstand mit einer anderen Kandidatin für Alyosha entschieden. Was war geschehen?

Der ukrainische Eurovisions-Skandal

Die Ukraine hatte bereits im letzten Jahr Vasyl Lazarovych intern nominiert. Auf Grund eines Protestes von Musikern und begünstigt durch einen Führungswechsel im ukrainischen TV-Sender NTU hat man zwei Tage vor der offiziellen Verlautbarungsfrist eine neue Vorentscheidung ausgerichtet, die Alyosha mit dem Titel "To Be Free" gewann. Keine 24 Stunden später musste dieser Titel jedoch disqualifiziert werden, da er zum einen schon lange zuvor veröffentlicht worden war und zudem stark angelehnt war an das Lied "Knock Me Out" von Linda Perry und Grace Slick. Alyosha durfte ein zweites Lied vorschlagen und präsentierte einige Tage später ihren Song "Sweet People".


Sollte ein beim ESC erfolgsverwöhntes Land wie die Ukraine plötzlich die Regeln vergessen haben? Wie dem auch sei, dieser Vorfall unterstreicht meine Wahrnehmung: Grace Slick, das ergibt für mich einen interessanten Bezugsrahmen. Der ausgebootete Kandidat wäre übrigens mit dem Gegenteil, einer konservativen Liebes-Musical-Schnulze aus dem konservativen Germany angetreten.

Yes, the message is so real

Fans und ESC-Experten räumen diesem Lied wegen eines Defizites an bombastischen DUR-Akkorden nicht den Hauch einer Chance ein. Das mag richtig sein, aber liegt es am Lied? Oder liegt es vielleicht eher an den seit vielen Jahren eingeschliffenen Hör- und Schreibgewohnheiten rund um den ESC? Alyosha mutet uns mit "Sweet People" eine sperrige, triste, soulige Rockmusik zu, die aber bestens zur aufrichtigen und kritischen Message des Konzeptes passt: Tschernobyl.





Mit dem Thema ist für mich ein weiterer persönlicher Bezug hergestellt. Ich erinnere mich gut an den Mai 1986, wo wir nicht mehr mit Straßenkleidung die Wohnung betreten sollten, die Kinder von Sandkästen fern halten mussten, keine Milch mehr trinken durften... Der eiserne Vorhang erlaubte damals kaum einen Blick auf den Ort des Geschehens und die vom Unglück betroffenen Menschen. Wurden damals die Fakten des Unglücks heruntergespielt, erlaubt sich die Ukraine heute - ausgerechnet beim ESC - mit einem nostalgisch anmutenden Protestsong an eine kritische Haltung
gegenüber dem Wohlstand und seinen umweltschädigenden Folgen zu appellieren. 12 POINTS!