Donnerstag, 28. April 2016

Obama erinnert in Rede an sein Druckmittel Eurovision Song Contest

Auch wenn wir langsam ahnen, dass bei dieser Scripted-Reality-Show nichts zufällig geschieht, müssen wir wie Kleinkinder zu Weihnachten jedes Jahr aufs Neue TOTAL von Show, Ergebnis und Stimmung überrumpelt sein. Alles andere käme einem Verrat gleich. Denn so lange der Westen das meiste Geld in unseren Spaß investiert und in den Gremien das Sagen hat, hat er auch die Deutungshoheit über den „gerechten und sauberen Wettbewerb“, repräsentiert durch US-Präsident Barack Obama.

 
Ausschnitt aus Obamas Rede April 2016 

Niemand wird annehmen, dass Obama den ESC als Fan und passiver TV-Konsument in seinen Reden erwähnt. Der ESC gehört längst zu den inoffiziellen politischen Druckmitteln, mit dem Konflikte in Europa erzeugt und Konfliktzonen ins Rampenlicht gerückt werden. Selbst die demonstrativen Auszeichnungen zur „Einigung Europas“ wie Karlsmedaille und Charlemagne Medal wirken aggressiv wie der diesjährige Slogan: 

Come Together
Verpackt in Musik-Promotion werden politische Hetz-Kampagnen - vor allem zur Diskreditierung Russlands - über Social Media und in Boulevardmedien verbreitet. Der Bezugsrahmen eines Pop-Spektakels ermöglicht es, mit reißerischen Aufmachungen ständig zwischen Seriosität und Ironie (oder sollte ich Satire schreiben) zu lavieren. Von Lena über Conchita bis Böhmermann wird der letzte Mist als zu verteidigendes Kulturgut der abendländischen Zivilisation aufgebauscht und mit Emotionalisierung, Betroffenheitsszenarien, Infantilismus und Entprofessionalisierung von allen Chefredaktionen gegen Putin und Erdogan verteidigt. 

Obama, wie war das mit den "24 languages in united Europe"?
Konnte ich in den Vorjahren zumindest noch 4 bis 5 Beiträgen etwas abgewinnen, hat der amerikanische Konzern Universal Music dieses Jahr alles auf ein Level getuned. Alle müssen in englischer Sprache singen, so dass man den Eindruck bekommt, die Castingsternchen treten nicht mehr für, sondern gegen ihre europäischen Herkunftsländer an. Das soll wohl die Popularität der USA vortäuschen…? 

Ist Obamas Erwähnung des ESC als Drohung zu verstehen?
Sollte es der USA in den Sinn kommen, die ganze Show als einen Fake auffliegen zu lassen, stünden nur ihre bis dahin moralisch über alle Zweifel und Kritik erhabenen Partner dumm da. Würde in Deutschland die Meyer-Landrut-Blase platzen, wären alle Helden unserer Popszene und die politische Elite um Merkel einer Blamage ausgeliefert. Oder kommen die einzeln dran?

Den Nicht-Nato-Ländern hingegen kann es egal sein, da ihnen ja rein programmatisch seit Jahren nur Böses vorgeworfen wird. So what?


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Dienstag, 19. April 2016

Fragen an den investigativen Journalismus zum Eurovision Song Contest?

Was das Nachvollziehen der Kommunikationsstrategien betrifft, bin ich als Zielgruppe zahlreicher Kampagnen mittlerweile recht aufmerksam. Die wirtschaftlichen und organisatorischen Strukturen beim ESC hingegen sind ein Buch mit sieben Siegeln. Es wäre interessant, wenn der investigative Journalismus hier etwas Licht ins Dunkel bringen könnte. 

Dieses Jahr liefert Rumänien die Vorlage
Mit rund 10.000.000 Euro bei der EBU verschuldet machen sie dennoch mit. Ähnliche Meldungen kamen in den letzten Jahren schon aus Griechenland (hier erwies sich das US-Label Universal als "Retter in der Not") Bosnien und Portugal. Und wie steht es um Moldawien, Armenien oder Albanien?

Sobald sich Länder aus finanziellen Gründen oder mangels Publikumsinteresse abmelden, reagiert die EBU reflexartig mit finanziellen Geschenken oder einer Umfrage mit dem Ziel „to make Eurovision 'even greater“.

Portugal - mit entsprechenden Protestliedern gescheitert - ist nun aufgrund schlechter Finanzen dieses Jahr nicht dabei. Daraus folgt, dass sie den ESC auch nicht ausstrahlen. Prompt bekommen sie ein Angebot der EBU

Teures Event für kulturelle Verarmung
Warum Australien in einem europäischen Wettbewerb? Warum wird der Wettbewerb immer uneuropäischer? Warum "greater", wenn doch zuvor die Vielfalt an europäischen Traditionen, Stilen und Sprachen zugunsten altmodischer anglo-amerikanischer Stile eliminiert wurden? Satirische, echt europäische Stücke wie "Euro Neuro" von Rambo Amadeus aus Montenegro werden regelmäßig abgestraft.

Das Ergebnis: Wer will sich am Finalabend noch 30 gleichförmige 3-Minuten-Songs nacheinander anhören? Und dass die Compilation mit den ca. 45 Songs kaum noch Käufer findet, ist auch kein Geheimnis mehr. Dieses Jahr hat man zudem die Durchsage der Telefonvoting-Ergebnisse einzelner Länder aus dem Programm genommen. Weil zu wenig anrufen? Oder will man nur die Mogelei vertuschen?

Eurovision goes Las Vegas 
Seit 1998 wurde der ESC mit Playback-Musik, One-Hit-Wondern, Hochstaplern, bunten Performances, zahlreichen Vorrundenshows, Einbindung von Publikum (Telefonvoting) und laienhaften Multiplikatoren (Fans) etc. an die amerikanische Unterhaltungsindustrie angepasst. Seitdem wird auf Biegen und Brechen versucht, die Show "greater" zu machen. Und nur greater...

Folge dem Geld - einige naive Fragen
Wie viel kostet der ESC der EBU jedes Jahr? 
Wie viel kostet das den europäischen Rundfunkhäusern bzw. dem Gebührenzahler? 
Wie ist das ganze wirtschaftlich strukturiert und organisiert? 
Gibt es Gewinne? 
Wenn ja, wer steckt sie ein? 
Fließt etwas davon an die Rundfunkanstalten zurück, die immerhin mit Vorentscheidungen, Star-Promotion etc. die Veranstaltung monatelang beworben haben?
Warum darf beispielsweise der NDR/Deutschland nur dann erfolgreich sein, wenn es dem Privatrundfunk PRO7 nutzt, so wie es 2010 der Fall war?
Gibt es zwischen Musik- und Telekommunikationsindustrie Querverbindungen zur Rüstungsindustrie? 
Gibt es bei diesem Wettbewerbs-Hype mit Regelwerken, Bestrafungssystemen und Eurovisionswächtern überhaupt einen wirtschaftlichen Wettbewerb?


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Donnerstag, 14. April 2016

Israel Calling als neues Promo-Event - Deutschland glänzt wie immer mit Abwesenheit

Vom 11.04.16 bis 13.04.16 zeigte sich Tel Aviv zum ersten Mal als Gastgeber eines Promo-Events für den Eurovision Song Contest. Unterstützt wurde die Veranstaltung von den Ministerien für Tourismus und Auswärtige Angelegenheiten sowie von der Stadt Tel Aviv. Angemeldet hatten sich prompt 20 Teilnehmer des diesjährigen ESC. Es wurde den Stars Einiges geboten, aber auch Einiges abverlangt. 

Neben Live-Auftritten in Club-Atmosphäre, zahlreichen Interviews, Pressekonferenz und Roter Teppich musste jeder Teilnehmer bei regnerischem Wetter ein Bäumchen pflanzen für den neuen Eurovisions-Wald. Dafür gab es Restaurant- und Kneipenbesuche, Stadtrundfahrten durch das alte Jaffa und Tel Aviv so wie eben ein Besuch des Waldes vom JNF-KKL, des Jüdischen Nationalfonds

Die Dokumentationen von und für Fans haben großen Unterhaltungswert! 
Teilgenommen haben Sergey Lazarev (Russia) Amir (France) Sanja Vucic ZAA (Serbia) Freddie (Hungary) Agnete (Norway) Poli Genova (Bulgaria) Donny Montell (Lithuania) Michal Szpak (Poland) ZOË (Austria) Samra (Azerbaijan) Joe and Jake (United Kingdom) Jüri Pootsmann (Estonia) Ovidiu Anton (Romania) ManuElla (Slovenia) Sandhja (Finland) Eneda Tarifa (Albania) Rykka (Switzerland) Lidia Isac (Moldova) Ivan (Belarus) Hovi Star (Israel).

Grundsätzlich wird bei diesen Events der Ball noch flach gespielt, denn sie sind vor allem für und von Newcomer und Fans, insofern sind die Rollen zwischen Fans und Stars mitunter kaum zu unterscheiden. Dadurch hat vor allem der israelische Vertreter Hovi Star, der zunächst durchfiel, ausgesprochen viele Sympathiepunkte bekommen.  Eine gute Zusammenstellung aller Promo-Events, Live-Auftritte, Interviews etc. findet man auf der Youtube-Seite von ESCKAZ. 

Jamie-Lee aus Deutschland auch in Israel nicht dabei 

Während sich andere Stars diesen Herausforderungen stellen und den Fans damit das eine oder andere unterhaltsame Video liefern, kommt von Jamie-Lee nicht mehr als „ich und mein Outfit, ich und mein Album, ich und mein Backgroundchor, ich und meine Berater, ich und meine tiefsinnigen Gedanken ich ich ich…“ Ihre über 30 Berater haben beschlossen, dass sie sich nicht überanstrengen soll. Das tut sie nun weder bei Auftritt noch bei Promo wahrhaftig nicht! 

Vorgetäuschte Fürsorge und Popularität kaschieren militärische Zwecke 
Man muss nur den Bezugsrahmen eng fassen und von außen auf Deutschland schauen, dann wird es überdeutlich: Wir Deutschen und unsere Stars werden in einem Goldenen Käfig zur narzistischen Selbstbespiegelung angehalten. Beschränkte Star-Promotion führt Stars und Publikum auf die falsche Fährte und isoliert. Um so bereitwilliger lässt man sich einen hegemonialen Habitus antrainieren, mit dem Vorurteile gepflegt und auf alles eingehauen wird: Russland, Weissrussland, Aserbaidschan, neuerdings Türkei… (der Fall Böhmermann ist nichts anderes) 

Spätestens seit dem ESC in Aserbaidschan ist klar, dass unsere Medien selbst bei den abwegigsten Themen von militärischen Interessengruppen zensiert und gelenkt werden. Mit einer bis dahin nicht vorstellbaren brutalen Hasskampagne gegen Teilnehmerland und Konkurrent Aserbaidschan wurde Deutschland innerhalb der Eurovisions-Gemeinde völlig isoliert. Der junge Casting-Star Roman Lob musste bei jeder sich bietenden Gelegenheit Negativ-Statements zu Aserbaidschan abliefern, die man ihm dann ohnehin nicht abkaufte. Denn was wussten wir denn schon darüber, wenn alles nur noch Propaganda und Hetze ist.

Während der NDR seine Eurovisionsseiten nur noch dem damaligen Menschenrechtsbeauftragten Markus Löning (FDP) für politische Statements zur "undemokratischen Lage" und zur "Pressezensur in Aserbaidschan" zur Verfügung stellte (leider werden die Seiten und Videos nach den Kampagnen gelöscht), alamierte uns das bekannteste Newsportal ESCKAZ am 24.04.2012: „Roman Lob is the only Eurovision artist who has totally rejected all proposals for Eurovision related interviews this year, handpicking only the couple of German media plus appearing at local TV and radio.“

Und dann wurde in Baku alles ganz anders.



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Freitag, 8. April 2016

Jamie-Lee Kriewitz startet durch in Moskau

Diese Schlagzeile mit entsprechendem Foto (das ich bei klatsch-tratsch.de geborgt habe) würde Fans und Leser freuen. Leider stimmt sie nicht. Jamie-Lee Kriewitz war nicht in Moskau. Wozu auch? Zieht man die internationalen Polls, Wettquoten-Ergebnisse, Klickzahlen und Chats heran, sieht es so aus, als wäre auch Jamie-Lee Kriewitz' Karriere direkt nach dem ESC wieder beendet. Wahrscheinlich müssen deswegen alle Vorhaben wie Album-Release schnell bis zum 14.05.16 in trockene Tücher gebracht werden. Der Nächste bitte...

Deutsche Stars sind stets die Stay-At-Home-Singer 

Im Vorfeld des ESC gibt es jede Menge Pre-Partys, die größten finden statt in Riga, Amsterdam, Moskau und London. Hier stellen sich viele der ESC-Teilnehmer auf kleiner Bühne vor, suchen den Kontakt untereinander und zu den Fans. Die Veranstaltungen sind eine Herausforderung für Newcomer, weil alles sofort ungefiltert auf youtube hochgeladen wird. 

Deutsche sind so gut wie nie bei diesen Events vertreten. Begründet wird dies – wie sollte es anders sein – mit Zahlen. Die Industrie verweist auf Ratings, Rankings, Klickzahlen, Einnahmen etc. und kommt zu dem Ergebnis, dass all diese Aktivitäten nichts einbringen. * 

Nur: Dieser Logik entsprechend könnte man 
  • den gesamten ESC, 
  • die vor kurzem verliehene Karlsmedaille an den ESC für Einigung und Identitätsbildung und 
  • jeden Schüler- und Studentenaustausch
abschaffen. Bei alledem geht es nur bedingt um Wettbewerbskalkül, Image-Pflege oder Party. Es geht in erster Linie darum, Interesse zu bekunden, es geht um Austausch und Anerkennung.  
  • Leider fordern deutsche Stars den internationalen Austausch nicht ein, 
  • nehmen ihre Isolation nicht mal als Handicap wahr, 
  • sondern gehen der (Un-)Logik der Industrie bereitwillig auf den Leim und 
  • übernehmen deren arrogante und ignorante Haltung (mit Ausnahme Roman Lob). 
Bereits 1 Tag nach der Vorentscheidung wusste Jamie-Lee Kriewitz, dass sie nicht gewinnen würde, angeblich aufgrund der Unbeliebtheit deutscher Politik. Fragt sich, für wen oder was sie dann überhaupt mitmacht. 

Diskursverengung, Isolation, Ignoranz und Zensur 
Zur Propaganda gehört nicht nur die Manipulation von Informationen (s. Beispiel Ukraine), sondern eben auch bewusstes Vorenthalten von Informationen. Dass z. B. Deutschland gar nicht richtig am Wettbewerb teilnimmt, sondern seinen Vertretern jedes Jahr einen Startplatz im Finale KAUFT, wird nicht diskutiert. Man stelle sich vor, Russland würde das machen!  

Genau wie das Publikum werden auch die deutschen Stars an kurzer Leine gehalten. Man hält sie von allen internationalen Promo-Events fern. So können deutsche Medien nämlich die Berichterstattung darüber erfolgreich vermeiden. Daraus folgt: 
  • Teilnehmer anderer Länder brauchen so nicht als nette Musik-Kollegen dargestellt werden,
  • Russland, Lettland, Niederlande und UK brauchen nicht als freundliche Gastgeber einer europäischen Pre-Party erwähnt werden,
  • internationaler Austausch und Anerkennung finden in deutschen Medien einfach nicht statt. 
Stattdessen werden TeilnehmerInnen anderer Länder auf ihre Funktion als "Landesvertreter" reduziert. Als solche werden sie dann nach Belieben diskreditiert (Russland), unangemessen gelobt (Ukraine) oder lächerlich gemacht. 

Aktuellstes Beispiel liefert die FAZ mit einem Beitrag vom 11.04.16 zum weissrussischen Lied, in dem auf Vokabeln wie "frühere Sowjet-Republik" und "Staatsrundfunk im autoritär geführten Weissrussland" natürlich nicht verzichtet werden kann. Lieber hätte ich einen Bericht über gemeinsame Aktivitäten von Ivan und Jamie-Lee bei den Promo-Events in Moskau, Riga oder Amsterdam gelesen. Der weissrussische Sänger war überall dabei, womit Weissrussland mehr Weltoffenheit zeigt als Deutschland.

Deutsche Medien missbrauchen den ESC am liebsten für Propaganda 
Jedes Jahr wird den Deutschen suggeriert, dass Misserfolge meistens auf die böse Außenwelt zurück zu führen sind, die Deutschland nicht mögen, die beim Voten immer nur betrügen usw... an diesem ganzen Arsenal an Vorurteilen und Abrechnungen darf sich ganz Deutschland nach dem ESC dann wieder abarbeiten. 


 * Ein einziges Mal hat sich 2010 das deutsche Team um Raab und Meyer-Landrut schon Monate vor der VE und dem ESC marktschreierisch aus dem Fenster gelehnt. Ganz Deutschland wurde einmalig vor den ESC-Karren gespannt und alle mussten ins gleiche Horn blasen. Selbst die Titelverteidigung 2011 wurde schon gleich nach der VE 2010 festgelegt. Das alles macht man nicht, wenn der Ausgang offen ist. Damit wäre der wirkliche Grund für die deutsche Zurückhaltung bei internationaler Promo klar: Man muss sich nicht anstrengen, weil man das Ergebnis schon kennt. Das gilt für Sieger und Loser gleichermaßen. 


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