Freitag, 19. Dezember 2008

Spaßgesellschaften im Repressionswahn

Der Contest ist eine Unterhaltungsshow, seit Einführung des Televotings sogar mit Spielcharakter. Alljährlich ermittelt das europäische Publikum das beste Lied, was bei einer Auswahl von ca. 45 Liedern nicht ohne Kompromiss zu haben ist. Aber geht es eigentlich noch um Musik?

Mit Einführung des Televotings rückte der Wettbewerbscharakter zugunsten der Musik ins Zentrum des Medieninteresses. Dieser Telefonier-Wettbewerb ist nun aber in eine neue Phase gegangen: Weil nämlich die Ergebnisse nicht den Vorstellungen der Organisatoren entsprachen, haben sie sich gegen das Publikum positioniert und die Jurys wiedereingeführt.

Dabei stört mich nicht das Prinzip „Experten-Jury“. Es ist durchaus vorstellbar, dass zur Planbarkeit des Riesenevents hinter den Kulissen zuvor auch schon Korrekturen am Wahlergebnis vorgenommen wurden. Zudem kann eine Experten-Jury als fester Bestandteil der Show die musikalischen Innovationen voranbringen.

Zuschauer wurden verwarnt
Es ist das Präfix „wieder“, das mir unangenehm auffällt. Statt einen bislang als technische Errungenschaft gepriesenen Status der Publikumspartizipation rückgängig zu machen, wäre es angemessener gewesen, das Spielfeld z. B. um das Medium Internet zu erweitern oder nach anderen technischen Möglichkeiten der gerechten Abstimmung zu suchen.

Unangenehm vor allem die Begründung, weil sie wie eine Bestrafung rüberkommt. Abgestraft werden scheinbare Nachbarschafts- und Migrantenvotings von Contest-Enthusiasten wie z. B. der Türkei, Russland, Armenien oder Griechenland, ungeachtet der Tatsache, dass deren Beiträge durch den Zuspruch des Publikums von Jahr zu Jahr besser wurden.

Bedenklich auch die Humorlosigkeit der westeuropäischen Länder dem anarchistisch-verspielten Abstimmungsverhalten und den spontanen Geschmacksurteilen des Publikums gegenüber. Es geht zwar „nur“ um einen Schlagerwettbewerb, über den vor allem Westeuropäer die Nase rümpfen, aber Spiel und Spaß verstehen sie demonstrativ nicht. Unter dem Vorzeichen von Gerechtigkeit setzt man sich jetzt schon bei belanglosen Spielchen die Betroffenheitsmaske auf fordert den gehorsamen Zuschauer.

Deutsches Publikum disqualifiziert
Die deutschen Televoter müssen 2009 eine Runde aussetzen, der NDR nominiert einen Kandidaten direkt für Moskau. OK, lieber Klausur als ideenlose „Wieder“holungen.

Also keine Mitsprache, keine Vorentscheidung, zwei Semifinale ohne deutsche Beteiligung zwischen 0:00 und 04:00 Uhr…

Da erwarten wir aber im Finale den ultimativen Best Live-Act International!

Dienstag, 2. Dezember 2008

Big Four

Der renommierte Komponist Andrew Lloyd Webber reist nach Russland, um bei Putin für sein Vorhaben, nämlich die Teilnahme am ESC, zu werben. Der Presse wird daraufhin folgendes mitgeteilt:

Putin gives Eurovision vote to UK

Und das, obwohl Lied und Interpret noch gar nicht feststehen. Will Webber im Vorfeld schon mal vorführen, dass das Voting wirklich nichts mit Musik zu tun hat? Oder hat Webber so lange gequengelt, bis Putin sich genötigt sah zuzustimmen? Gesetzt den Fall, dass Webber wirklich nach Russland reiste: Wie tief muss ein Teilnehmerland gesunken sein, um so eine PR nötig zu haben?

Frankreich scheint es mit ähnlicher Formel zu versuchen: Senior gleich seriös. Dafür wurde die Luxemburgische Teilnehmerin aus dem Jahr 1973, Anne-Marie David, wiederbelebt. Sie kümmert sich jetzt darum, dass Frankreich sich für den nächsten Contest wieder auf seine Wurzeln besinnt. Das glaube ich prompt, denn außer 2007 und 2008 machen sie das seit 54 Jahren so.

Spanien erlaubt sich, die innovative Vorentscheidungsprozedur des Vorjahres via Myspace bzw. Internet zu wiederholen. Das ist nicht seniorentauglich, das ist nicht seriös. Und deswegen zur Beschwichtigung folgende Pressemitteilung gleich hinterher:

Spain: TVE takes Eurovision "very seriously"

Spanien nimmt die Teilnahme also ernst, hoffentlich tun das auch die abstimmenden User. Die deutschen Organisatoren hüllen sich in Schweigen und suchen wie jedes Jahr intensiv und “very seriously” wieder nach den drei (fünf?) hartnäckigsten Ladenhütern.


Sehen so Erfolgskonzepte aus?

Statt den Contest endlich mal in Beziehung zum aktuellen Musikgeschehen zu setzen um Schwung in die Sache zu bringen, setzt man auf das Image vergreister Idole oder anonymisiert und zerstreut die Verantwortung in Online-Aktivitäten.

Und warum die demonstrative Betonung auf Ernsthaftigkeit und Ehrwürdigkeit? Antwort: Weil mit Einführung der Semifinale die Big-4-Regelung grundsätzlich fragwürdig geworden ist und die vier Länder mit ihren schwachen Beiträgen außer Geld nichts Sinniges mehr zum Contest beigetragen haben.

Das Erkaufen von Wettbewerbsvorteilen ist für die übrigen Teilnehmer eine Brüskierung und für Interpreten der Big-4 eine Behinderung. Sie werden zum Finale durchgereicht wie Hilfsbedürftige, die 500 m Vorsprung und die wohlwollende Unterstützung einer anonymen Jury benötigen.
Arme Big-4. Geld allein macht nicht wettbewerbsfähig.

Montag, 3. November 2008

Input von der Peripherie

Amüsiert und gleichermaßen entsetzt lasen wir die kleingeistigen Kommentare eingeschworener Contest-Fans zu diesem Posting. Als gälte es ein Contest-Dogma zu verteidigen, als hätten Schwule ein Zuschauerpatent am Contest. Aber der Apfel fällt nicht weit vom Stamm: Das Festhalten an immergleichen Konzepten und Namen setzt im Publikum nicht unbedingt Mut und Kreativität frei.

Zum Glück ticken Musiker auf ihrer Suche nach neuen musikalischen Erfahrungen anders: Mögen Contest-Fans entsetzt sein, Schlagerfans weinen, Rapper sich gruseln und Jugendliche ein weiteres Mal erkennen müssen, dass Zeiten sich ändern können, es bleibt dabei:

Bushido feat. Karel Gott!

Das Teilen und Tauschen der Zielgruppen zahlt sich aus, ohne dass sich einer von beiden verbiegen müsste. Der bereits vergessene Karel Gott rückt wieder auf Platz 1 der Charts, ein Auftritt Bushidos in einer der zahlreichen volkstümlichen Musik-Sendungen der ARD ist nicht mehr ausgeschlossen und Kinder können ihren Eltern endlich guten Gewissens eine Platte von Bushido schenken.

Jetzt wissen wir: Bushido kann auch anders. Aber was eine Contest-Teilnahme beträfe, bitte keine Zugeständnisse. Wo Bushido drauf steht, soll auch Bushido drin sein. Denn um es mit Feddersens Worten zu sagen: „Hinter dieses Niveau - was Aufmerksamkeit, Kraft und Charme anbetrifft - geht nichts mehr zurück.“

Reich mir deine Hand
Die Initiative ging von Bushido aus. Er ließ ein Treffen mit Karel Gott arrangieren und stieß bei dem mit seinem Vorhaben wider Erwarten spontan auf offene Ohren: „Ich erzählte von meiner Mutter, ihrer Krankheit, meinem Leben, meinem öffentlichen Image als bedrohlicher Gangster-Rapper und rechnete mit einer Absage. Doch Karel Gott gab mir die Hand wie ein Gentleman und antwortete kurz: ‚Bushido, ich bin dabei’.“

Den Eurovisions-Fans ist Karel Gott natürlich als Vertreter Österreichs mit dem von Udo Jürgens komponierten Lied „Tausend Fenster“ aus dem Jahr 1968 bekannt. Ein Jahr zuvor sang er sich mit dem Stück „Weißt du wohin“ aus dem Film Dr. Schiwago in die deutschen Hitparaden. Als „Karel Gott – Die goldene Stimme aus Prag“ brachte er der Tschechoslowakei während der 60er und 70er Jahre schließlich die meisten Devisen ein.

Mittwoch, 24. September 2008

"Provokationen? Her damit!"

So forderte es im Juli NDR-Blogger Feddersen. Wir Berliner Fans fanden die Forderung spontan sympathisch. Unsere Provokation polarisiert und mischt die Popmusikwelt auf. Mit einem streitbaren Image, das für Deutschland erfrischend untypisch ist. Und seine Musik repräsentiert einen wichtigen Teil des aktuellen
Musiklebens in Deutschland.


http://www.mtv.de/videos/19592516 >


Bushido für Deutschland zum Eurovision Song Contest 2009 in Moskau!

Nicht familientauglich? Familientauglich ist heute nichts mehr, denn DIE Familie, die gemeinsam vor dem TV sitzt, gibt es nicht mehr. Vielmehr folgen viele Eltern ihren Kindern mittlerweile in die Bushido-Konzerte. Verhindern konnten sie ihn nicht, also finden sie ihn cool.

Nicht seniorentauglich? Killerargument. Welche Senioren möchten heutzutage mit Produkten abgespeist werden, die sie als alt abstempeln?

Und ob das Publikum tatsächlich immer nur Castingstars und deutsche Hanswürste, Newcomer und unbekannte Spartenmusiker möchte? Mittlerweile wirkt jeder deutsche Beitrag wie kalkuliertes Mittelmaß, für das man finanziell Wettbewerbsvorteile erkaufen und eine Jury zu Hilfe holen muss, um den deutschen Image-Schaden zu begrenzen. Mit unserer Lösung kann man sich all diese Sonderausgaben und Anstrengungen sparen, denn Provokationen rechnen sich.

"Du kriegst mich aus Berlin, doch Berlin niemals aus mir!"

Nach all den deutschen Niederlagen soll unsere Kampagne im Namen Berlins geführt werden! Der Berliner Bushido repräsentiert für uns die interkulturelle, geschäftstüchtige und leicht überdrehte Millionenstadt, die sich sehen lassen kann – und gesehen werden will. Mit seiner gerade erschienenen Biographie steht er in der Spiegel-Bestsellerliste neben Persönlichkeiten wie Gerhard Schröder, Hape Kerkeling und dem Papst auf Platz 1. Anfang Oktober erscheint sein neues Album. Aber die wahre Erfolgsstory möchten wir gemeinsam mit Bushido im Mai 2009 beim Song Contest in Moskau feiern.

Neue Musiktrends nicht unterdrücken

Weniger für das Publikum als vielmehr für den NDR mag Bushido die größte Provokation darstellen. Doch Rap begeistert eine wachsende Zielgruppe, und das gilt für ganz Europa. Wenn der Westen wieder mitreden will, darf er seine neuen Musiktrends nicht unterdrücken. Das Beste an ihr: Sie repräsentiert Jugendlichkeit, Frechheit, Mut. Genau diese Attribute fehlten bislang allen deutschen Beiträgen. Spießig, bieder, geduckt war gestern, jetzt heißt es:

Zeiten ändern sich!



Auch für organisierte Fans könnte Bushido ein Glücksfall werden. Neue Mitglieder gewinnt man am ehesten über die Musik. Und junge Mitglieder, vor allem junge Frauen, wären für die Vereine sicherlich eine Bereicherung.





Freitag, 12. September 2008

Von den letzten Dingen

Der wilde, furchterregende Balkan (1)










das unberechenbare Belgrad...










... rüstet auf. Überall Sprengstoff! (3)










Endlich angekommen. (4)










Die Stadt, wie ausgestorben...(5)










... unzivilisiert (6)











Hier fanden wir ein Versteck (7)











vor den Serben. (8)











Unsere dürftige Unterkunft (9)










mit Esszimmer! (10)










Keine Serben,
sondern europäische Flüchtlinge, (11)










die hier Zuflucht suchen
vor den Serben. (12)










Doch es gab kein Entkommen,
sie fanden uns,
die Serben. (13)











Sie schlichen sich an uns heran, (14)











brachten uns auf, (15)











bis der Saal nur noch tobte.(16)











Um kurz vor 12 geschah das Unfassbare:
Die Finnen eröffneten das Feuer! (17)










Alles war verloren.
Wir sahen uns vor
dem Jüngsten Gericht. (18)










Wenn nicht 3 Männer in der Situation
einen kühlen Kopf bewahrt hätten.
Sie taten das einzig Richtige:
Sie fielen auf die Knie und ergaben sich.(19)










Die Situation war gerettet.
Es war eine schlimme Zeit!
Fürs nächste Jahr heißt es also:

AUFRÜSTEN! (20)









1. Mündung der Save in die Donau
2. Savebrücke
3. Festung Kalemegdan (Vorbereitungen fürs Final-Feuerwerk)
4. Armeemuseum Belgrad (man achte auf die Feinheiten des Fahrzeugs)
5. Knez Mihailova Ulica (Fußgängerzone)
6. Geschäftsviertel mit Park
7. - 10. Skadarlija (altes Bohèmeviertel)
11. - 12. Belgrad Arena
13. Intervalact 2. Semifinale
14. Opening 2. Semifinale
15. Intervalact Finale (Goran Bregovic Wedding & Funeral Orchester)
16. Belgrad Arena
17. Teräsbetoni (Finnland)
18. Elnur Hüseynow & Samir Javadzade (Aserbaidschan)
19. Dima Bilan, Jewgeni Pluschenko und Edvin Marton (Russland)
20. Armeemuseum Belgrad

Fotos: Tobias E.

Freitag, 29. August 2008

Zivilisierter Krieg

Fürs mediale Großereignis vermarktet man das Publikum gerne mit. Das Zauberwort heißt „Telefonvoting“, und es wird seit 1997 beim Song Contest eingesetzt. Im Laufe der Jahre haben sich nach und nach alle teilnehmenden Länder von den Jurys verabschiedet.

Durch die Telefonabstimmung wird der Zuschauer ins Geschehen eingebunden und in dieser Rolle ist ihm eine gewisse Verantwortung für das Endergebnis nicht mehr abzusprechen. Sollte man jedenfalls meinen. Im Grunde ist diese Mitverantwortung und partizipierende Produktion von Stars eher Schein, denn die Spielregeln und die potentiellen Verdiener sind top-down klar vorgegeben.

Meiner Wahrnehmung nach hat das Telefonvoting zur Folge, dass sich der Contest immer mehr von der Musik verabschiedet. Dieses Jahr ist das Verhältnis zwischen brauchbaren Songs und Trash-Produktionen zugunsten letzterer schließlich gekippt. Zynische Medien und Organisatoren auf der einen Seite und ein angepeiltes schadenfrohes Publikum auf der anderen Seite sollten sich wohl nur noch ungestört selber feiern. Nichtsdestotrotz hat das europäische Publikum ausschließlich ernsthaft engagierte Teilnehmer auf die ersten zehn Plätze gewählt.

Herrschaftsbeziehungen müssen endlich wieder geklärt werden: Her mit der Jury!
So fordert es mittlerweile ein Teil der westeuropäischen Fans. Denen ist nämlich diese Art Rezipienten-Partizipation mittlerweile verhasst. Das Abstimmungsergebnis wird als unglaubwürdig befunden, reine Effekthascherei fürs Voting hat nur noch Qualitätsverlust zur Folge und ermüdend ist die ständige Genese und Demontage von Wegwerf-Stars.

Immer verbitterter und verbissener kreisen die Diskussionen in der Fangemeinde um sich selbst, als wäre nur noch dies Zweck der Fankultur. Die hitzigen Debatten wiederum dürften für die Organisatoren sehr werbewirksam sein, ab und zu wird mit provozierenden Pressemitteilungen gerne Öl ins Feuer gegossen.

Die unselige Mischung aus Mitbestimmung und Ohnmacht scheint wie ein Teufelskreis empfunden zu werden mit teilweise fatalen Folgen für die gesamte Fan-Kommunikation. Nur zu bereitwillig lässt man sich in seiner Argumentation vor dubiose politische Karren spannen. Und wehe, wer nicht mitmacht. Es werden Fronten gebildet, Sündenböcke gesucht – und gefunden. Der türkische Nachbar, der armenische Immigrant, der Ost-Sympathisant, der säbelrasselnde Russe, der besoffene Bruder, die gesamten Nachfolgestaaten der ehemaligen UdSSR usw. usw.

Jenseits von Apokalypse und Euphorie bleibt Ratlosigkeit. Haben Fans DAS gewollt?

Samstag, 9. August 2008

Das Lied vom Scheitern

Ich wusste stets, was ich will, doch das wollen viele.
Trotzdem setze ich mich zwischen alle Stühle.
Und machte es mir bequem. Bis hierhin kein Problem.

Das ESC-Merchandising erfasst mittlerweile sogar Bereiche, die zuvor nur von und für organisierte Fans interessant waren. Abgesehen davon, dass den Fans damit die Definitionsmacht über das "Wahre Fan-Dasein" abhanden kommt, bedeutet diese Entwicklung auch, dass ihre Arbeit zunehmend einer irritierenden Konkurrenz ausgesetzt ist, z. B. bei der Darbietung von Hintergrundinformationen, der Berichterstattung am Austragungsort und bei der gesamten Performance ihrer Tätigkeiten. Contest-spezifische Bezugspunkte haben sich in den letzten 10 Jahren durch das Internet mit Chats, Foren, Homepages und - man höre und staune - Blogs vervielfacht, sodass eine Abgrenzung immer unmöglicher wird. Dies kann man begrüßen, andererseits bedeutet die massenweise Vervielfältigung von Fan-Kultur eben auch einen Kontrollverlust des Profils und des Ansehens.

Ein gutes Beispiel für irritierende Konkurrenz und fragwürdigem Themen- und Zielgruppenmarketing ist das NDR-Weblog in der hier geführten Blogliste. Selbstverständlich geht man bei Öffentlich-Rechtlichen Rundfunkanstalten zunächst davon aus, von ehrlichen Journalisten informiert und unterhalten zu werden. Schaut man genauer hin, unterscheidet sich dieses Weblog nicht von einem normalen Unternehmensblog, das mit PR-Texten Kunden binden und seine Produkte mit dem Kunden ins Gespräch bringen möchte. (Funktionen von Unternehmensblogs: to "generate interest, drive action and sales, establish expertise - and - create goodwill". )

Ich machte es allen recht, alle sollten mich lieben.
Sah nicht die Dämonen, die mich dazu trieben.
War gefangen und nicht mehr frei, und ich ging kaputt dabei.

Vorweg: Es gibt keine Sendung im öffentlich-rechtlichen TV, in der sie sich als Förderer und Kenner moderner Pop-Musik beweisen. Und die Erfolge beim Song Contest bleiben regelmäßig aus. Möglicherweise fehlt in dem Putin-Posting daher das Produkt. Stattdessen - in scheinbar harmloser Gestalt eines Textes zum banalen europäischen Song Contest - tun sich Abgründe an Ignoranz auf: Der Blogger spielt schon in der Überschrift ironisch auf den Führungsstil der Konkurrenz, also des erfolgreichen Siegerlandes Russland, an. Wahrscheinlich gerichtet auf Vorurteile vergangener Jahrzehnte meint er, Putin wie einen Nestbeschmutzer des ESC darstellen zu dürfen, dessen Show wir Fans wie gedemütigt ausgeliefert sein werden. Darüber will man sich beim NDR also mit Fans unterhalten? So schätzt man den Fan also ein?! Wie auch schon Serbien will uns wieder ein osteuropäisches Land mit Krimsekt begrüßen, und uns liegt angeblich nichts anderes am Herzen, dorthin zu reisen, um den Gastgebern den Sekt ins Gesicht zu schütten?

Man kann die Welt nicht ewig blenden,
ich muss den Matsch sofort beenden.
(fettgedruckt: Liedzeilen aus "Das Lied vom Scheitern" von Die Ärzte)

Freitag, 8. August 2008

Von Berlin nach Warschau

Ich Troje – das sind polnische Musiker, die ihr Handwerk in erster Linie auf der Bühne erlernt haben. Ihr Motto könnte lauten: Making By Doing. Am Anfang stand hier nicht die Casting Show, sondern leidenschaftliches Karaoke in Singapur.

Ihre Popularität erreichten sie vor allem durch den ständigen Kontakt zum Publikum während zahlreicher Konzerte im In- und Ausland. Oft im Widerstreit mit unsinnigen Reglementierungen aller Art und mit der polnischen Gesellschaft, die ihnen den Erfolg offensichtlich neidet, ist ihnen mittlerweile keine Hürde zu hoch, kein Weg zum Fan zu weit und kein Business zu riskant. Sie sind Musiker, Musikmanager, Produzenten, Promoter, Marketer und z. B.

http://www.ubezpieczeniawisniewski.pl/

Und trotzdem mag man nicht von einer Bilderbuchkarriere sprechen, dafür war der Weg für das ehemalige Heimkind Michal, das mit den denkbar ungünstigsten Voraussetzungen ins Leben startete und jetzt Idol einer Generation ist, zu steinig. Vergessen hat er diese Zeit nicht und er lässt keine Gelegenheit aus, für Kinderheime und andere soziale Einrichtungen zu spenden.

Zwei Mal nahmen sie bereits am Eurovision Song Contest teil: 2003 erreichten sie einen akzeptablen 7. Platz und 2006 verpassten sie dann leider den Einzug ins Finale: Zu bizarr! Was aber nicht bedeutet, dass Ich Troje dem Contest den Rücken gekehrt hätten. Wie man es von echten Kämpfern nicht anders erwartet, wollen sie für ein drittes Mal zurückkehren. Wer weiß, vielleicht sogar schon in Moskau? Aber auch das wird ein Kampf, denn Unterstützung und Siegeswille der polnischen Organisatoren sind genauso bescheiden wie in Deutschland.

„We Play In Team“ erscheint heute am 08.08.08.





























Freitag, 1. August 2008

Früher war alles besser

Trotz Unterschiede im Alter, im Geschlecht sowie in der sozialen und kulturellen Selbst- und Fremdverortung kommen wir Fans bei vielen Grundsatzdebatten überraschend schnell zu dem ausnahmsweise mal übereinstimmenden und verblüffenden Ergebnis, dass "früher alles besser war".

Aber was war besser? Die Darbietung der Contest-Show im Fernsehen? Das Clubleben? Das Fan-Dasein? Die Musik? Der Musikgeschmack? Und schon ertappe ich mich dabei, dass meine Gedanken zu kreisen beginnen und sich mal wieder zu einem unfassbaren Problem verschärfen. Und ab zurück auf Los!

Der ESC-Fanclub OGAE entstand 1984 in Finnland und in Folge 1987 auch in Deutschland. Entwickelte sich das durchaus kreative und produktive fankulturelle Engagement zunächst mehr im nicht-öffentlichen Bereich und in distanzierter Auseinandersetzung mit den Fernsehanstalten, haben sich die Grenzen zwischen den Organisatoren und den Fans im Laufe der Zeit mehr und mehr aufgehoben mit der Folge, dass auch die Exklusivität des Clubs und seines Angebotes langsam schwindet.

Wie kam es dazu? Und welche Folgen hat dies für die Fankultur?

Interessierte sich vor 20 Jahren nur eine kleine Gruppe intensiv für den Contest, ist er heute Massenkultur. Lösten eingeschworene ESC-Fans früher noch Befremden und Belustigung aus, wurden viele Aspekte der ESC-Fankultur spätestens seit 1998 mit dem Auftritt Guildo Horns vom allgemeinen Fernsehpublikum begeistert übernommen (Nussecken!). War früher das Clubangebot an Film- und Tonmaterial exklusiv, ist dies Material im Zeitalter von myspace und youtube jederzeit für alle verfügbar. Selbst die fanspezifische Rezeption medial vermittelter Contest-Inhalte (Clubtreffen) wird von den Rundfunkanstalten kopiert, wenn sie z. B. in ihren Vorentscheidungs-Shows ehemalige ESC-Stars imitieren und karikieren. Mit geschickten Personalbesetzungen wurde last not least sogar die schwule Perspektive auf das Spektakel gleich mit vereinnahmt.

Nach wie vor werden typische Inhalte der Fankultur in Club-internen Zeitschriften wie auch vor allem auf den Vereins-Hompages dokumentiert. Aber auch hier stehen nicht-organisierte Fans und Rundfunkanstalten mittlerweile nicht mehr zurück. Vor allem der NDR hat in den letzten Jahren genau diese Inhalte auf ihre Internetpräsenz übernommen und bietet sie mit ihren Rundfunkgebühren-finanzierten Mitteln entsprechend opitimiert dar.

Das Kopieren muss positiv als eine Akzeptanz der langjährigen Fan-Arbeit und der Fan-Verschrobenheit betrachtet werden. Andererseits ist diese Vereinnahmung auch negativ als eine Kommerzialisierung und einer damit einhergehenden Banalisierung zu kritisieren.