Donnerstag, 29. Januar 2015

Instrumentalisierte Kommunikation beim Eurovision Song Contest als Einstimmung auf einen europäischen Krieg

Die Eurovisions-Saison 2015 ist in vollem Gange. Diese Zeit, in der die nationalen Vorentscheidungen diverser Länder stattfinden und in der noch alles offen ist, ist mittlerweile das, was den Spaß am Hobby ESC ausmacht. In dieser Zeit sind wir Fans unter uns. Wir schauen uns gemeinsam die Vorentscheidungen aller teilnehmende Länder über Live-Stream an und lassen uns auf Facebook von Landsleuten Sendung und Liedtexte übersetzen.

Möglich wurde dies durch das Internet, das sich bei ESC-Fans als Hauptinformationsquelle und Kommunikationsplattform etabliert hat. Es hat das TV mit seinem autoritären Top-Down-System, seinen Spezialisten, Funktionsträgern und festen Sendeplätzen in seine Schranken gewiesen. Das ist um so bemerkenswerter, da ja der ESC 1956 als ein TV-Event ins Leben gerufen und bis heute als solches nach immer dem gleichen Schema zelebriert wird. Während einer rumänischen Vorentscheidung habe ich mal eine Ahnung bekommen, was das Internet dieser TV-Show an zusätzlichen Möglichkeiten bieten könnte, indem ich zwischen zahlreichen Webcams switchen und mich mit diversen Fans und Stars vor Ort unterhalten konnte. Das autoritäre TV-Modell stellt sich dieser transparenten Kommunikationsform gegenüber taub und nutzt das Internet bestenfalls als Werbe- und Propagandaplattform. 

Seit einigen Jahren entwickeln sich quasi zwei Kommunikationssysteme beim ESC
Während unserer Internetkommunikation bekommen wir Fans auf fast anarchische Weise ein Gespür dafür, was ein Staat mit dem Namen Europa sein könnte. Diese Kommunikation wird aber von den Veranstaltern weder geschützt noch geschätzt. Wer das Internet lediglich als eine Werbe- und Propagandaplattform betrachtet, sieht in uns nicht mehr als eine Pegida der Eurovision, die mit Sonderbespaßung und Einschüchterung „eingegliedert“ werden muss. 

Ein Blick auf die offizielle Internetseite der Eurovision zeigt, wie autoritär und geschlossen die Eurovision von der EBU über seine Referencegroup bis zu den verantwortlichen Rundfunkanstalten organisiert ist. Das letzte Glied in dieser Kette sind die Fanclubs mit der straff organisierten OGAE und deren nationale und regionale Untergruppen. Waren die Fan-Vereine in ihrer Entstehung noch selbstbestimmte Musikfans, haben die TV-Veranstalter diese Vereine in den letzten Jahren zu einer Art Eurovisionswächter instrumentalisiert. 

Fanclubs als gelenkte Konsumentengruppen 
Durch Exklusivverträge der EBU mit der amerikanischen Musikindustrie  verliert der ESC seinen europäischen Ansatz. In den nationalen Vorentscheidungen diverser Länder wiederum wird man mit schwedischen Produktionen erschlagen. Würden Fan-Vereine gemäß ihrer ursprünglichen Satzung handeln, müssten sie dies alles zumindest kritisieren. Sie tun aber genau das Gegenteil. 

Fanclubs als eine Art verdeckt arbeitende NGOs 
Viele ihrer Äußerungen und Anliegen gehen weit über das hinaus, was man mit einem Musikfanclub verbindet.

Beispiel: Genug! Keine Diktaturen mehr beim Eurovision Song Contest!
Beispiel: ESC und Menschenrechte - Hilft ein Boykott?

So wird vor dem Hintergrund eines trivialen Musikspektakels ständig ein Ost-West-Konflikt heraufbeschworen. Extrem wurde dieser Ost-Westkonflikt in Deutschland durch Medien und Politik während der Vorbereitung auf den ESC in Aserbaidschan geschürt - und die Fanclubs machten mit. Ich hatte 2012 einige Zeitungen und Parteien gebeten, die Hasskampagne einzustellen, weil wir Schlagerfans als politische Laien und Touristen reisen und nicht die Absicht haben Regierungen zu stürzen. Zudem waren mir die Hasstiraden gegenüber den aserbaidschanischen ESC-Fans über alle Maßen peinlich. Die Reaktionen waren niederschmetternd, allein schon deswegen, weil ich die einzige war, die sich beschwerte. 

Ich blogge seit 2008 zum ESC, bin Mitglied eines deutschen ESC-Vereins und seit Jahren jeden Tag auf mehreren Fanportalen unterwegs. Dass Einfluss auf diese Gruppen genommen wird, steht außer Frage. Wie dies geschieht, soll der 1. Teil meines Dossiers an Beispielen aus Deutschland darlegen: 
Die Deutschen als Eurovisionswächter und kein bisschen Frieden 

Ein Vorteil der Internetkommunikation ist, dass man eine Außenperspektive auf sein Land bekommt. Blicke ich aus aserbaidschanischer Sicht auf Deutschland, fällt mir das völlige Fehlen einer kritischen Presse in Deutschland auf. Diese Erfahrung möchte ich im 2. Teil mitteilen:
Running Scared - Wegrennen vor willigen Vollstreckern und Maulhelden

In Teil 3 führe ich vor, wie ESC-Fans zwischen Verführung, Überhöhung, Desinformation und Scharfmacherei einer Gehirnwäsche ausgeliefert sind und was das für verheerende Folgen hat:
Wir sind Satellite - Die Anliegen der NATO im Zeitalter des real existierenden Schlagertextes 

Wie es gelingen kann, militärische Interessen durch den Unterhaltungs- und Freizeitsektor als vom breiten Publikum (nicht Bürger) als gewollt durchzusetzen, ohne dass die Gesellschaften diese Manipulation bemerken, beschreibt das Buch „From Dictatorship To Democracy“ von Gene Sharp. Zu diesem Buch kurz:
Fairytales - Vom Mainstream zum Brainstream 

Vor dem Hintergrund der Gene-Sharp-Strategie werfe ich einen Blick auf den derzeitigen Stand der Fanclubs:
OGAE – eine feine Sache – fragt sich nur für wen 

Wie kam es zu dem Autonomieverlust der Fanclubs? 
Rise Like A Phoenix: ESC-Fankultur raus aus der Nische – rein ins Rampenlicht


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