Freitag, 19. Dezember 2008

Spaßgesellschaften im Repressionswahn

Der Contest ist eine Unterhaltungsshow, seit Einführung des Televotings sogar mit Spielcharakter. Alljährlich ermittelt das europäische Publikum das beste Lied, was bei einer Auswahl von ca. 45 Liedern nicht ohne Kompromiss zu haben ist. Aber geht es eigentlich noch um Musik?

Mit Einführung des Televotings rückte der Wettbewerbscharakter zugunsten der Musik ins Zentrum des Medieninteresses. Dieser Telefonier-Wettbewerb ist nun aber in eine neue Phase gegangen: Weil nämlich die Ergebnisse nicht den Vorstellungen der Organisatoren entsprachen, haben sie sich gegen das Publikum positioniert und die Jurys wiedereingeführt.

Dabei stört mich nicht das Prinzip „Experten-Jury“. Es ist durchaus vorstellbar, dass zur Planbarkeit des Riesenevents hinter den Kulissen zuvor auch schon Korrekturen am Wahlergebnis vorgenommen wurden. Zudem kann eine Experten-Jury als fester Bestandteil der Show die musikalischen Innovationen voranbringen.

Zuschauer wurden verwarnt
Es ist das Präfix „wieder“, das mir unangenehm auffällt. Statt einen bislang als technische Errungenschaft gepriesenen Status der Publikumspartizipation rückgängig zu machen, wäre es angemessener gewesen, das Spielfeld z. B. um das Medium Internet zu erweitern oder nach anderen technischen Möglichkeiten der gerechten Abstimmung zu suchen.

Unangenehm vor allem die Begründung, weil sie wie eine Bestrafung rüberkommt. Abgestraft werden scheinbare Nachbarschafts- und Migrantenvotings von Contest-Enthusiasten wie z. B. der Türkei, Russland, Armenien oder Griechenland, ungeachtet der Tatsache, dass deren Beiträge durch den Zuspruch des Publikums von Jahr zu Jahr besser wurden.

Bedenklich auch die Humorlosigkeit der westeuropäischen Länder dem anarchistisch-verspielten Abstimmungsverhalten und den spontanen Geschmacksurteilen des Publikums gegenüber. Es geht zwar „nur“ um einen Schlagerwettbewerb, über den vor allem Westeuropäer die Nase rümpfen, aber Spiel und Spaß verstehen sie demonstrativ nicht. Unter dem Vorzeichen von Gerechtigkeit setzt man sich jetzt schon bei belanglosen Spielchen die Betroffenheitsmaske auf fordert den gehorsamen Zuschauer.

Deutsches Publikum disqualifiziert
Die deutschen Televoter müssen 2009 eine Runde aussetzen, der NDR nominiert einen Kandidaten direkt für Moskau. OK, lieber Klausur als ideenlose „Wieder“holungen.

Also keine Mitsprache, keine Vorentscheidung, zwei Semifinale ohne deutsche Beteiligung zwischen 0:00 und 04:00 Uhr…

Da erwarten wir aber im Finale den ultimativen Best Live-Act International!

3 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Ich glaube, der NDR macht einen großen Fehler. Wird eigentlich irgendwann ein anderer Sender das übernehmen (Mitte der 90er war doch auch mal der MDR dran)? Oder du gründest EDDA-TV, wirst Mitglied der Eurovision und kaufst dem NDR die ungeliebte Sendung für einen symbolischen Euro ab. Du hast noch nicht alle Möglichkeiten genutzt!!

LG Dieter V.

Anonym hat gesagt…

Wie kommst du darauf, dass die beiden Semis in Moskau ohne deutsche Abstimmung ablaufen werden? Ich denke, es wird wieder so sein wie 2008: in einem der beiden Semis dürfen auch wir ans Telefon.

Eurovision-Berlin hat gesagt…

Soll heißen: Ohne Beteiligung eines deutschen Interpreten. Leider. Daher werden die Semis im TV so stiefmütterlich behandelt.