Der Einfluss der Politik auf den Eurovision Song Contest wird von den meisten nur bei der Punktevergabe wahrgenommen. Ich meine, dass auch die nationale Auswahl deutscher Beiträge Aufschluss gibt über den jeweiligen politischen Trend.
Die Bemühungen der 50er und 60er Jahre
sind kaum nennenswert. Erst Mitte der 60er, also zwischen dem Rücktritt Adenauers und Brandts Wahl änderte sich das politische Klima grundlegend, erst nun gelang es dem deutschen Schlager Anschluss an die internationale Entwicklung zu finden. Das gemeinsame Erfolgsrezept sozialliberaler Politik und deutschem Schlager war „die erfolgreiche Integration des bis dahin Ausgegrenzten“, in der Musik waren das z. B. Gitarren, Bass, Rock- und Soulrhythmen. Hießen unsere heimlichen Stars ohnehin Mick Jagger und Janis Joplin, kam jetzt eine Deutsche hinzu, nämlich Katja Ebstein. 1970 erreichte sie beim Song Contest mit Platz 3 das bis dahin beste deutsche Ergebnis. Als sie ein Jahr später mit einem Umwelt-Schlager noch mal dritte wurde, war der Höhepunkt der Politisierung des Schlagers jedoch schon erreicht. Dass 1982 Nicole mit einer Friedensschnulze gewann, ist
Eine andere Geschichte.
Für mich war das „bisschen Frieden“ Ausdruck der von Kohl angedrohten geistig-moralischen Wende. Es beschwor eine hysterische Weltuntergangsstimmung, besang die Resignation, die Heimat- und Naturverbundenheit und das kleine persönliche Glück des volkstümlichen Schlagers. Ach, und es hätte so schön werden können, wenn z. B. bereits 1976 Ina Deter als deutsche Teilnehmerin zum Song Contest geschickt worden wäre. Als spätere Vertreterin der Neuen Deutschen Welle stand sie für einen innovativen, selbstbewussten und humorvollen Schlager. Die NDW durfte uns unter Kohl natürlich nicht beim ESC vertreten. Erst als sich der progressivere Teil der NDW vom Schlager verabschiedete, durfte der verbliebene konservative Teil zum Ende der 80er Jahre das besinnungslose, entideologisierte Spaßjahrzehnt einläuten, dass in Guildo Horn, Stefan Raab und einem Spaßkanzler Schröder seine schrägen Höhepunkte feierte. Aber jetzt habe ich vorgegriffen.
Piep, piep, piep
1995 entfiel die Vorentscheidung, der MDR schickte ein Retortenduo ins Rennen und irgendwie meine ich mich zu erinnern, dass dieser Beitrag von ‚Kohl als Jury’ favorisiert wurde. Ergebnis war der legendäre 1 Punkt aus Malta. 1996 ließ man uns gar nicht erst antreten. 1997 zeigten wir uns mit einem steifen, konservativ-barocken Beitrag unbelehrbar deutsch. Und dann kam 1998. Der Regierungswechsel lag in der Luft, die Telekom mischte das Ganze mit Telefonvoting auf zugunsten von Raab und Horn. Auch nun wurde wieder die „erfolgreiche Integration des bis dahin Ausgegrenzten“ praktiziert, man entdeckte nämlich die Homosexuellen als Zielgruppe. Diese feierten für die nächsten 2 Jahre mit den Siegen einer israelischen Transsexuellen und einem künstlich aufgemachten, schwedischen Wesen ihre Höhepunkte.
Also wissen Se, nee!
Bis 2005 schlugen wir uns dann wacker durch, mit dem Regierungswechsel war der Spaß vorbei. Gegen die wachsende Dominanz osteuropäischer Länder setzte man Merkels Busenfreundschaft zu Bush entgegen. Erzkonservative amerikanische Genres wie Country, Swing und Musical (sorry, hier fehlten 0,5%), die sonst kein Deutscher irgendwo zu hören bekam, repräsentierten uns beim Contest. So viel Unglaubwürdigkeit und Anbiederei wurde dementsprechend vom europäischen Publikum abgestraft.
Da sich Geschichte gerne wiederholt, darf man sich jetzt fragen wie es weiter geht:
a) einen Regierungs- und damit einhergehend einen Konzeptwechsel beim NDR wie 1998 wird wohl niemand ernsthaft wittern.
b) 1 Punkt aus Malta wegen Aufgewärmtes, wegen Mut- und Ideenlosigkeit? (Fortenbacher)
c) Oder wird endlich mal wieder etwas „bislang Ausgegrenztes erfolgreich integriert“? (Bushido)
d) Jetzt kommt der Gau: Verdrängung eigener Unzulänglichkeit und Spielverderberei beim Wettbewerb (Big 4), metaphernreiche Ressentiments gegenüber Osteuropa, gedämpfte Schadenfreude über die erzwungene autoritäre Jury, Abschaffung der Zuschauerpartizipation und vollständige Kontrolle über die deutsche Vorentscheidung… passt bestens zu einem Kanzler Roland Koch. Da empfehle ich Ralph Siegel, der angesichts einer Weltwirtschaftskrise die hysterische Weltuntergangsstimmung schürt, mit Resignation und Heimatverbundenheit schmeichelt und uns in die Grenzen unseres kleinen persönlichen Glückes zurückverweist.
(Die Überschrift ist Titel eines Liedes von Bully Buhlan, komponiert von Günter Neumann 1949)
Samstag, 3. Januar 2009
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