Trotz Unterschiede im Alter, im Geschlecht sowie in der sozialen und kulturellen Selbst- und Fremdverortung kommen wir Fans bei vielen Grundsatzdebatten überraschend schnell zu dem ausnahmsweise mal übereinstimmenden und verblüffenden Ergebnis, dass "früher alles besser war".
Aber was war besser? Die Darbietung der Contest-Show im Fernsehen? Das Clubleben? Das Fan-Dasein? Die Musik? Der Musikgeschmack? Und schon ertappe ich mich dabei, dass meine Gedanken zu kreisen beginnen und sich mal wieder zu einem unfassbaren Problem verschärfen. Und ab zurück auf Los!
Der ESC-Fanclub OGAE entstand 1984 in Finnland und in Folge 1987 auch in Deutschland. Entwickelte sich das durchaus kreative und produktive fankulturelle Engagement zunächst mehr im nicht-öffentlichen Bereich und in distanzierter Auseinandersetzung mit den Fernsehanstalten, haben sich die Grenzen zwischen den Organisatoren und den Fans im Laufe der Zeit mehr und mehr aufgehoben mit der Folge, dass auch die Exklusivität des Clubs und seines Angebotes langsam schwindet.
Wie kam es dazu? Und welche Folgen hat dies für die Fankultur?
Interessierte sich vor 20 Jahren nur eine kleine Gruppe intensiv für den Contest, ist er heute Massenkultur. Lösten eingeschworene ESC-Fans früher noch Befremden und Belustigung aus, wurden viele Aspekte der ESC-Fankultur spätestens seit 1998 mit dem Auftritt Guildo Horns vom allgemeinen Fernsehpublikum begeistert übernommen (Nussecken!). War früher das Clubangebot an Film- und Tonmaterial exklusiv, ist dies Material im Zeitalter von myspace und youtube jederzeit für alle verfügbar. Selbst die fanspezifische Rezeption medial vermittelter Contest-Inhalte (Clubtreffen) wird von den Rundfunkanstalten kopiert, wenn sie z. B. in ihren Vorentscheidungs-Shows ehemalige ESC-Stars imitieren und karikieren. Mit geschickten Personalbesetzungen wurde last not least sogar die schwule Perspektive auf das Spektakel gleich mit vereinnahmt.
Nach wie vor werden typische Inhalte der Fankultur in Club-internen Zeitschriften wie auch vor allem auf den Vereins-Hompages dokumentiert. Aber auch hier stehen nicht-organisierte Fans und Rundfunkanstalten mittlerweile nicht mehr zurück. Vor allem der NDR hat in den letzten Jahren genau diese Inhalte auf ihre Internetpräsenz übernommen und bietet sie mit ihren Rundfunkgebühren-finanzierten Mitteln entsprechend opitimiert dar.
Das Kopieren muss positiv als eine Akzeptanz der langjährigen Fan-Arbeit und der Fan-Verschrobenheit betrachtet werden. Andererseits ist diese Vereinnahmung auch negativ als eine Kommerzialisierung und einer damit einhergehenden Banalisierung zu kritisieren.
Freitag, 1. August 2008
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2 Kommentare:
Da ist es doch erschütternd, wie weit der NDR den ESC heruntergewirtschaftet hat.
Das "Früher war alles besser"-Gejammer ist mir zu platt. Da klingt immer die Haltung von jemandem durch, der nicht mit der Zeit gehen und akzeptieren will, dass sich im Lauf der Zeit eben Dinge ändern. Was ist denn so schlimm daran, dass man jetzt auch bei Youtube alte ESC-Auftritte ankucken kann? Ich finde das sogar gut und mache das selber gern.
Und dass der NDR als zuständige Anstalt eine ordentliche Website gestaltet, ist für mich auch okay und kein Kritikpunkt. Ich wünschte nur, er würde genauso viel Arbeit und Mühe in die Suche nach guter Musik (gute Lieder) für die deutsche Vorentscheidung stecken. ;-|
Ferner finde ich, wir sollten uns doch freuen, dass der ESC einer breiten Öffentlichkeit Freude bereitet. Im Text klingt irgendwie sowas Elitäres durch - als ob es nicht okay wäre, dass "Hinz und Kunz" den ESC auch mögen, bzw. als ob man am liebsten "Krethi und Plethi" verbieten möchte, auch den ESC zu mögen.
Auch diese Kritik an einer "Kommerzialisierung" verstehe ich nicht ganz. Diese Klagen über eine Kommerzialisierung des ESC gab's schon in den 60ern und 70ern... Auch das klingt wieder so elitär. Als ob nur Liedermacher-Musik mit hohem Anspruch gewünscht wäre.
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