Deutsche Stars sind stets die Stay-At-Home-Singer
Im Vorfeld des ESC gibt es jede Menge Pre-Partys, die größten finden statt in Riga, Amsterdam, Moskau und London. Hier stellen sich viele der ESC-Teilnehmer auf kleiner Bühne vor, suchen den Kontakt untereinander und zu den Fans. Die Veranstaltungen sind eine Herausforderung für Newcomer, weil alles sofort ungefiltert auf youtube hochgeladen wird.Deutsche sind so gut wie nie bei diesen Events vertreten. Begründet wird dies – wie sollte es anders sein – mit Zahlen. Die Industrie verweist auf Ratings, Rankings, Klickzahlen, Einnahmen etc. und kommt zu dem Ergebnis, dass all diese Aktivitäten nichts einbringen. *
Nur: Dieser Logik entsprechend könnte man
- den gesamten ESC,
- die vor kurzem verliehene Karlsmedaille an den ESC für Einigung und Identitätsbildung und
- jeden Schüler- und Studentenaustausch
- Leider fordern deutsche Stars den internationalen Austausch nicht ein,
- nehmen ihre Isolation nicht mal als Handicap wahr,
- sondern gehen der (Un-)Logik der Industrie bereitwillig auf den Leim und
- übernehmen deren arrogante und ignorante Haltung (mit Ausnahme Roman Lob).
Diskursverengung, Isolation, Ignoranz und Zensur
Zur Propaganda gehört nicht nur die Manipulation von Informationen (s. Beispiel Ukraine), sondern eben auch bewusstes Vorenthalten von Informationen. Dass z. B. Deutschland gar nicht richtig am Wettbewerb teilnimmt, sondern seinen Vertretern jedes Jahr einen Startplatz im Finale KAUFT, wird nicht diskutiert. Man stelle sich vor, Russland würde das machen!
Genau wie das Publikum werden auch die deutschen Stars an kurzer Leine gehalten. Man hält sie von allen internationalen Promo-Events fern. So können deutsche Medien nämlich die Berichterstattung darüber erfolgreich vermeiden. Daraus folgt:
- Teilnehmer anderer Länder brauchen so nicht als nette Musik-Kollegen dargestellt werden,
- Russland, Lettland, Niederlande und UK brauchen nicht als freundliche Gastgeber einer europäischen Pre-Party erwähnt werden,
- internationaler Austausch und Anerkennung finden in deutschen Medien einfach nicht statt.
Aktuellstes Beispiel liefert die FAZ mit einem Beitrag vom 11.04.16 zum weissrussischen Lied, in dem auf Vokabeln wie "frühere Sowjet-Republik" und "Staatsrundfunk im autoritär geführten Weissrussland" natürlich nicht verzichtet werden kann. Lieber hätte ich einen Bericht über gemeinsame Aktivitäten von Ivan und Jamie-Lee bei den Promo-Events in Moskau, Riga oder Amsterdam gelesen. Der weissrussische Sänger war überall dabei, womit Weissrussland mehr Weltoffenheit zeigt als Deutschland.
Deutsche Medien missbrauchen den ESC am liebsten für Propaganda
Jedes Jahr wird den Deutschen suggeriert, dass Misserfolge meistens auf die böse Außenwelt zurück zu führen sind, die Deutschland nicht mögen, die beim Voten immer nur betrügen usw... an diesem ganzen Arsenal an Vorurteilen und Abrechnungen darf sich ganz Deutschland nach dem ESC dann wieder abarbeiten.
* Ein einziges Mal hat sich 2010 das deutsche Team um Raab und Meyer-Landrut schon Monate vor der VE und dem ESC marktschreierisch aus dem Fenster gelehnt. Ganz Deutschland wurde einmalig vor den ESC-Karren gespannt und alle mussten ins gleiche Horn blasen. Selbst die Titelverteidigung 2011 wurde schon gleich nach der VE 2010 festgelegt. Das alles macht man nicht, wenn der Ausgang offen ist. Damit wäre der wirkliche Grund für die deutsche Zurückhaltung bei internationaler Promo klar: Man muss sich nicht anstrengen, weil man das Ergebnis schon kennt. Das gilt für Sieger und Loser gleichermaßen.
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