Mittwoch, 7. Dezember 2011

Tatort x-factor: Kommissar David Pfeffer hat Blut geleckt

Es gibt also einen neuen x-factor-Sieger: David Pfeffer. Und sein Markenzeichen sind neben Polizeimütze ausgerechnet die leisen Töne. Ich fand ihn in der Gesamtshow auch am besten. Aber für dieses Ergebnis sollte man sich also wochenlang von zahllosen Kandidaten anschreien lassen? Und dann mit Musikstücken, die man schon monatelang zuvor im Formatradio in Rotation gehört hat? Wie aufregend.

Retro, Retro und noch mal Retro
Ich mag diese Shows nicht. Ganz schlimm, wenn sie sich einen seriös-kuscheligen Anstrich geben und sich doch nur durch Abgrenzung von Dieter Bohlen legitimieren. All die abgehalfterten Musiker, die sich in ihrer Selbstreferenzialität fast überschlagen: „Wir sind ja so anders, deswegen sind wir toll. Ja, das ist x-factor, das ist Voice of Germany, das ist USFx, wir sind lieb zu den Teilnehmern. Wir sind Gefühl pur, wir sind cool, wir sind Ausdruck, wir sind bla bla bla…“ Da ist mir Dieter Bohlen, der zumindest keinen Hehl aus seinen unterirdischen TV-Formaten macht, fast lieber, weil weniger arrogant.

Alle Castingshows sind gleich
Statements der Juroren durch Splitscreen mit eben solchen Statements der Castingteilnehmer umrahmt Schnitt Gefühlsausbrüche Schnitt einstudierte Blicke in die Kamera Schnitt Rückblicke Schnitt Auftritt Castingteilnehmer Schnitt Kameraschwenk Publikum Totale Schnitt Backstage Schnitt Logo Schnitt Zeitraffer Rückblick Schnitt Zoom Jurorenstatement Schnitt Gesichtsausdruck Castingstar nah, unendliche Umarmungen Schnitt noch unerträglicher der Sound, ein Mix von Jingles, Melodiefetzen anglo-amerikanischer Hits und Nachgesungenem dauerhaft unterlegt mit Gegröhle, Gekreische und Zurufen von Publikum und Mietmündern. Vor jeder Wertungsverkündung läuft der Moderator zur Hochform auf und liefert eine Predigt ab, als ginge es um Leben und Tod.

Witzigerweise sind die Werbespots und Vorankündigungen im gleichen Stil angefertigt, so dass man gar nicht mehr erkennt, ob man nun die Sendung oder ihren Werbespot sieht. DSDS, Deutschland sucht den Superstar, Voice of Germany, USFX, Germany's next Topmodel, Popstars, Das perfekte Model, The winner is (mit Linda de Mol)... Beim Durchzappen deutet nur noch das Senderlogo darauf hin, in welcher Show man sich gerade befindet, wobei Voice of Germany und USFX auf gleich zwei Sendern schon für Irritationen sorgen.

Du bist Deutschland
Ob sich die Macher dieser Shows wohl jemals vorgestellt haben, wie es ist, wenn man sich so eine Show alleine anschaut? Gehen die etwa davon aus, dass das Publikum im Familienverbund TV schaut, oder ausgerechnet eine Castingshow als eine identitätsstiftende Großveranstaltung feiert? Dass wir bei dieser ermüdenden Fließbandproduktion mit Schülern, Studenten, Hausfrauen und Arbeitslosen (und neuerdings auch Polizisten) noch kollektiven Fanatismus an den Tag legen? Fast können sie einem leid tun, die bemühten Juroren und ihr ganzer TV-Trash-Füllstoff. Die verkrampft seriösen Shows noch mehr als Bohlens entspannte Freakshow, denn ich nehme sie in ihrer Anbiederei beim Publikum mehr und mehr als Bettler wahr.

Und am Schluss hängt alles davon ab, dass das Publikum sich wieder blöd stellt und komplizenhaft so tut, als hätte es nach so viel mühseliger Fließbandarbeit zufällig auf der Straße einen Diamanten gefunden – einen Diamanten zum Wegwerfen. Denn immerhin haben uns bislang alle Castingsternchen den Gefallen getan, genauso schnell wieder zu verschwinden wie sie gekommen sind. Oh Graus, das wollen die Shows mit Anspruch jetzt ändern? Uns Publikum bleibt auch nichts erspart.

David Pfeffer, du bist schon OK!
Ich will nicht ungerecht sein, denn Till Brönners feinfühliger Schützling David scheint meinen Schmerz immerhin zu ahnen. Auf die Frage nach seiner musikalischen Zukunft: „Ich werde niemals Grönemeyer oder Xavier Naidoo beerben, das ist mir klar. Aber solange ich Musik mache, zu der ich stehe und die künstlerisch zu mir passt, bin ich zufrieden. Das ist mir wichtiger als kommerziell erfolgreich zu sein.“ So David in der BILD.

Lieber David, kommerziell erfolgreich sein, ist doch ok, aber warum Castingshow?



David Pfeffer und seine Band Inpaticula mit "
A Promise"
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