Beim Stöbern durch die Eurovisions-Blogosphäre fiel mir ein Nebensatz aus dem NDR-Blog auf: "Ich freue mich auf dieses Land, auf diese interessante kulturelle wie politische Erfahrung nur wenige Kilometer von Teheran entfernt."
"... nur wenige Kilometer von Teheran entfernt." Genau das verbinde auch ich mit Baku. Warum? Meine Antwort ist subjektiv: Nicht der 11.09.2001 hat die Welt verändert, dieser Vorfall hat meiner Wahrnehmung nach eine Misere nur befestigt. Verändert hat sich die Welt im Februar 1979 mit dem Machtwechsel im Iran. Bis dahin war dieses ganze Gebiet für uns "1000 und eine Nacht", das von Hippies auf ihrer Reise nach Indien locker durchquert werden konnte.
Persische Liebe
Passend zu dieser naiven, unpolitischen Wahrnehmung entstand zur gleichen Zeit ein fantastisches Musikstück, das in seinem genauso naiven wie kreativen Gebrauch von Samples unser Lebensgefühl unterstrich und mit seiner Sampling-Technik gleichzeitg einen Meilenstein in der Popularmusik darstellte: Holger Czukay's Persian Love. Nicht identifizierbare persische Stimmen aus dem Kurzwellenradio wurden mit einem Crossover von Weltmusik vermischt.
Von diesem Lebensgefühl kann seit 1979 keine Rede mehr sein. Nach 1979 haben sich Fronten verhärtet, mittelalterliche Diskurse wurden wieder salonfähig, aus den unbeschwerten Hippies wurden Junkies (Heroinschwemme) und Muslime (Cat Stevens), langsam aber sicher verschwand für uns westliche Wohlstandskinder das Wirtschaftswunder-Paradies. Im Vorlesungssaal fand man sich schließlich mit einer ganzen Generation entwurzelter Iranern und Iranerinnen wieder.
Ein Eurovision Song Contest in Teheran...
Das hätte nach 30 Jahren was. Immerhin: Bis 1988 hätte ich nicht im Traum daran gedacht, dass Russland jemals am ESC teilnehmen würde. Werden wir älteren Fans noch einen Song Contest in Teheran erleben? Der Iran ist immerhin passives Mitglied der EBU. Und das, was nun in Aserbaidschan geschieht, wäre doch auch im Iran möglich, sie dürften sogar über noch mehr und noch bessere Ressourcen verfügen. Voraussetzung wäre lediglich, dass sich das Land von dieser Art Grauschleier befreite. Unvergessen bleibt der mutige und absolut modern geführte und gut vernetzte Aufstand überwiegend junger Menschen im Jahr 2009, der nicht nur die iranische Regierung, sondern auch Regierungen westlicher Länder in Schockstarre versetzte.
Eines ist sicher: Der Iran beim Eurovision Song Contest wäre ein Knaller. Ich wette, sie würden gleich bei der ersten Teilnahme gewinnen. Richtig gewinnen!
PS: Wer sich für dieses Thema interessiert bzw. meinen verrückten Wunsch eines ESC in Teheran nachvollziehen möchte, dem empfehle ich den Film "Die Kaiserin und ich" von der Exil Iranerin und Journalistin Nahid Persson.
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