Sonntag, 28. Februar 2016

Eurovision Song Contest: Brüskierung Russlands durch Ukraine gerät ins Stocken

Am 16.02.2016 sagte ich bereits den VE-Sieg Jamalas am 21.02.2016 begründet voraus. Bis dahin lief die Kampagne wie geplant. Seit einer Woche stockt sie. Wenn Russland weiterhin die Füße still hält, wenn es partout keine russische „Aktivistengruppe“ gibt, die im Namen Putins auf Singverbot besteht, wird die ukrainische ESC-Delegation in ihrem provokanten Polit-Song noch mal nachlegen müssen. 

Das Sensationelle an Jamalas Beitrag „1944“
ist derzeit, dass es - im Gegensatz zu vorangegangenen Hasskampagnen – keine gegnerische Gruppe gibt, die sich verteidigt. Die Promotion dümpelt auf kleiner Flamme durch Wiederholungen in den westlichen Mainstream-Medien sowie durch ein paar sensationslüsterne „ESC-Fans“ in den Social-Media-Gruppen vor sich hin. Dass die ukrainische 

VE durchgehend simultan ins Englische übersetzt und – wie Ruslana hervorhob – von den Amerikanern überwacht
wurde, berichten die Medien nicht. Dass es sich um eine konzertierte Aktion handeln könnte, auch nicht. Nur das Neue Deutschland zitiert einen Tweet vom Vorentscheidungsabend: „Schicken Sie 4 auf die Nummer 7766, schrieb kein geringerer als Swjatoslaw Zegolko, Pressesprecher des ukrainischen Präsidenten Petro Poroschenko, am vergangenen Sonntagabend auf Twitter“ heisst es dort.

Sensationsmeldung aus Ukraine erst nach der Siegerverkündung 
Brav wird Jamalas VE-Sieg als faires Wahlergebnis einer dramatischen Show und als Wille der Ukrainer dargestellt. Es wäre interessant zu erfahren, wie viele der Schreiber sich die VE überhaupt angesehen haben. Für nur 6 Songs dauerte die Show wegen zähen Streitereien 4 ½ Stunden. Dass neben Gesinnungsfragen die Regelwidrigkeit einiger Songs erst im Finale kritisiert wurde, wollte die Pseudo-Konkurrenz natürlich nicht einsehen. Erst nun schienen sie zu bemerken, dass sie nur als Wettbewerbs-Füllstoff dienten, damit die Beliebtheit einer Jamala vorgetäuscht werden kann. 

Deutsche Medien berichten einseitig, tendenziös und unvollständig 
Focus online schreibt einen Tag später über den Seitenhieb gegen Putins Territorialhunger 

Spiegel-Online hebt die politische Sprengkraft des Songs hervor, da die Krim vor zwei Jahren von Russland annektiert wurde  

Auch der Stern sieht in der „Wahl“ einen Affront gegen Putin.  

Alle thematisieren den potenziellen Regelbruch, leiten daraus aber keine Konsequenzen ab
Da Russland nicht reagiert, wird der erwartete russische Protest schon mal vorweggenommen. Stern befürchtet einen möglichen Ausschluss der Ukraine, auch der Tagesspiegel erinnert daran, dass Lieder mit politischem Inhalt beim ESC nicht erwünscht seien.  

Der DLF verliert jede journalistische Distanz. Er identifiziert sich vollständig mit Sängerin und ihrer Polit-Botschaft, lobt einerseits das hochbrisante Lied einer Frau, die andrerseits „eigentlich“ gar keine Politik machen möchte, als würde sie mit 70 Jahren Verspätung nur Gottes Plan durchführen. Weiterhin wird der Patriotismus der Ukrainer hervorgehoben, man will von Krimtataren gelesen haben, die das Lied auf „besetzter“ Krim im Cafe den ganzen Tag rauf und runter hören.  

Ungeduldig legt die DW etwas später nach mit einem Jamala-Zitat: "Keine Politik in meinem ESC-Lied" und wiederholt das bereits Bekannte.  

Seitdem wird nur noch wiederholt, ich erspare mir weitere Aufzählungen. Aber wo ist die Verteidigung, die Beschwerde, die Forderung nach Verbot? Ich musste lange suchen, um auf 2 Statements zu stoßen: 

Ein lesenswerter Text vom 23.02.16 zitiert Ruslan Baalbek, Deputy Prime Minister of the Republic of Crimea: „They want to exploit the tragedy of the Crimean Tatars to impose the European public a forced image of alleged persecution of members of this community in the Russian Crimea.  

Am 24.02.16 berichtet die Moscow Times, dass „first deputy chairman of the Duma Committee on Information Policy Vadim Dengin has said he hopes Eurovision will not allow Jamal to compete with the song, which could add a political edge to the May competition.“ 

Euronews stellt die Provokation schließlich in eine Linie mit gleichen Kampagnen aus den Vorjahren 
  • Georgien provozierte 2009 Russland
  • die Conchita-Wurst Kampagne war 2014 zunächst auf Weissrussland und 2015 auf Russland gerichtet.
  • Man kann den Vorwurf der Schwulenfeindlichkeit gegen die Serben in 2008 und 
  • gegen die Russen in 2009, 
  • die deutsche Hasskampagne gegen Aserbaidschan in 2012 und 
  • den armenischen „Gedenksong“ aus 2015 gegen Aserbaidschan und Türkei noch hinzuzählen. 

Diese Kampagnen sind alle nach dem gleichen Muster gestrickt und zeigen die Handschrift Gene Sharps. Stets geht es um politische und geo-poltitische Interessen der Militärs, doch das wird dem Konsumenten verheimlicht. 

Die Aggressoren als Designer dieser Kampagnen kommen stets im Gewand der Opfer daher
und fordern mit einem Betroffenheitsszenario vom Konsumenten Unterwerfung. Mit dem ständigen Gefotzel soll sich der Konsument auch noch überlegen und gewitzt fühlen.

Was die Musik betrifft 
sind die Ukrainer dafür bekannt, dass sie aus Dreck musikalisches Gold machen können. Die überarbeitete Studioversion von Jamalas Beitrag klingt dementsprechend nicht übel, im Einheitsbrei des ESC dürfte es einer der wenigen interessanten Songs werden, der auch ohne provozierenden Inhalt punktet. Ich verstehe Musiker nicht, die sich inhaltlich so einseitig festlegen und instrumentalisieren lassen.  

Da fällt mir zu „1944“ eher Deutschland ein


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7 Kommentare:

Eurovision-Berlin hat gesagt…

29.02.2016 Global Voices:
Ukraine's Eurovision 2016 Entry Is About Stalin’s Repressions. Russia Isn't Thrilled.
https://globalvoices.org/2016/02/29/ukraines-eurovision-2016-entry-is-about-stalins-repressions-russia-isnt-thrilled/#

Eurovision-Berlin hat gesagt…

Und weiter gehts:
Vor allem die Antwort auf Frage "Woher kam die Idee für den Song" zeigt das übliche Argumentationsmuster der Gene-Sharp-Kampagnen.
http://www.express.de/news/politik-und-wirtschaft/eurovision-song-contest-jamala--die-singende-ohrfeige-fuer-putin-23643366

Eurovision-Berlin hat gesagt…

Umfrage: Ukrainer glauben nicht an Rückgabe der Krim
Vizeregierungschef der Halbinsel kritisiert Missbrauch des Eurovision Song Contest

Es wird die Frage aufgeworfen, wieso das Spektakel überhaupt noch von Zwangsgebühren finanziert werden muss:

http://www.heise.de/tp/artikel/47/47555/1.html

Eurovision-Berlin hat gesagt…

Die Anstrengungen der USA gehen weiter, diesmal ist es Vitaly Milonov
http://www.billboard.com/articles/news/6897262/eurovision-ukraine-jamala-vitaly-milonov-russia

Eurovision-Berlin hat gesagt…

Es wird von massenhafter Kritik gesprochen, ohne einen Beleg dafür zu liefern.
http://www.donaukurier.de/nachrichten/panorama/promis/Ukraine-Russland-Leute-Krim-Musik-ESC-Konflikte-Minderheiten-Ukrainischer-Beitrag-zu-Eurovision-Song-Contest-trotz-Kritik-Moskaus-zugelassen;art369196,3192448

Eurovision-Berlin hat gesagt…

Die ARD ist mir noch eine Antwort schuldig, ich wünschte nur 1 Beleg für den Protest russischer Medien.
http://www.daserste.de/information/politik-weltgeschehen/europamagazin/sendung/ukraine-jamala-saengerin-100.html

Eurovision-Berlin hat gesagt…

Wenn es um Desinformation, Unterschlagen von Information oder Lügen geht, darf der Focus nicht fehlen. Diesmal sogar mir einer Sieger, als hätte es bereits einen Kampf gegeben. Und dann das Wunschdenken im Titel:

ESC-Eklat vorprogrammiert?

http://www.focus.de/kultur/musik/brisante-entscheidung-trotz-russischer-kritik-krimtatarin-jamal-darf-beim-esc-auftreten_id_5350381.html