Mittwoch, 3. Februar 2016

Deutsche Vorentscheidung 2016: Axel Diehl mit Friedenslied in den Gesangskrieg

Während man sich 2015 über das von Polina Gagarina gesungene „Friedenslied“ für Russland wegen „Putins Verlogenheit“ echauffierte, scheinen deutsche Medien in einem „Friedenslied“ für Deutschland keine Widersprüche zu sehen. Deutsche Kriegsbeteiligung, Auslandseinsätze, fehlende UN-Mandate, Vertreibung ganzer Völker etc. werden von deutschen Eurovisionswächtern sorgfältig außen vor gehalten. 

Geschickt wird das "deutsche Friedenslied“ mit Hilfe einer Online-Petition für den ESC vermarktet. Die Online-Petition soll Maßstab für Zuspruch und Beliebtheit sein, aber tatsächlich zerstört sie den Beitrag und macht aus dem deutschen Sänger und seinem Publikum Idioten. 

Die Funktion der Musik entscheidet über ihre Aussage 
Axel Diehl schrieb anlässlich der Pariser Attentate einen Schlager mit dem Titel „Nur ein Lied“. Zum Lied gibt es eine rührselige Entstehungsgeschichte, eine Fan-Mission und eine edle Einspielung mit dem Münchener Rundfunkorchester. Leider wäre ausgerechnet der Charme einer Live-Einspielung beim vorgeschriebenen Playback des ESC dahin, was bliebe, wäre eben „Nur ein Lied“ und blödsinnige PR. 

Legt man den Begriff „Protest- oder Friedenslied“ aus den 60er Jahren zugrunde, mag Diehls bottom-up Perspektive als Protest durchgehen, sie drückt Sorge und den Wunsch nach Frieden und Solidarität aus: „Aus Angst wird Hass, aus Hass wird Krieg, bis die Menschlichkeit am Boden liegt, bis hier alles explodiert und jeder den Verstand verliert". 

Sobald aber dieser Beitrag vom staatsnahen Rundfunk abgesegnet wird und in einem internationalen Wettbewerb GEGEN andere Nationen antritt, verkehren sich Aussage und Funktion ins Gegenteil. Er wird zum entsolidarisierenden und repräsentativen Wettbewerbs-Beitrag aus Deutschland, eines der größten internationalen Waffenexporteure. Aus der top-down-Perspektive von Militärs und deutscher Rüstungsindustrie wird die oben zitierte Textzeile zur Verhöhnung. 

Online-Petition für „Nur ein Lied“ 
„Viele sehen in ihm einen Vertreter Deutschlands beim Eurovision Song Contest und starten eine Online-Petition, um den 28-Jährigen nach Stockholm zu entsenden“. (NDR) An eine natürlich gewachsene Fangemeinde kann ich bei Alex Diehl nicht glauben, denn mehr als „Nur ein Lied“ ist von ihm nicht bekannt. Und warum ausgerechnet den ESC anvisieren, der das Lied pervertiert?

Meine Antwort: Genau wie bei den Universal-Stars Lena Meyer-Landrut oder Conchita Wurst soll hier das Rezeptionsmuster gleich mitgeliefert werden. Die Petition ist als Aufforderung zum vorauseilendem Opportunismus zu sehen, sie zerstört die kritische Distanz des Konsumenten zu Autoritäten und vertuscht die Absichten der Militärs: "Aus Angst wird Hass, aus Hass wird Krieg, bis hier alles explodiert und jeder den Verstand verliert“. 

Ich vermute, dass es sich bei den Initiatoren der Petition um Mitarbeiter vom amerikanischen Universal Music handelt. Das würde erklären, warum die Qualitätsmedien und Fans sich mit Spott oder scharfem Protest zurückhalten (müssen).


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