Mittwoch, 9. März 2016

Jamie-Lee Kriewitz - Japanischer Manga-Stil im Märchenwald der Gebrüder Grimm

Dass Jamie-Lee Kriewitz die deutsche Vorentscheidung gewinnen würde, hatte ich am 09.02.2016 schon vorhergesagt. Zu dem Zeitpunkt hätte ich nicht gedacht, dass mich ihr Sieg so angenehm berühren würde. Das lag zum einen daran, dass sie den Super-Gau verhinderte: Axel Diehl. In dieser Einschätzung gibt es eine bis dahin nie gekannte Übereinstimmung unter allen ESC-Fans, national wie international. Zum anderen liegt dies bislang auch an die: 

Angenehm unaufdringliche Vermarktung  
Während Politikernichte Lena Meyer-Landrut als Karikatur des Fräuleinwunders zum "emotionalisierenden", "polarisierenden" und damit nervtötenden Medien-Hype wurde, scheint man für Jamie-Lee's Starprofil noch keine passende Schublade gefunden zu haben. Wahrscheinlich sucht man nicht mal danach. Barbara Schöneberger fasste es in einem Kurz-Interview zusammen (ab 05'15): Zu Jamie-Lee müssen wir nichts erklären, wir schicken sie und sie steht für sich selbst. 

Puppen-Punk
Bunte Knallbonbons hat man schon öfters beim ESC gesehen, Beispiel Moje 3 aus Serbien in 2013, aber hier wurde das Outfit im Nachhinein angepasst und war eher der Ratlosigkeit geschuldet, um überhaupt noch was rauszuholen.  

Das ist bei Jamie-Lee anders, sie präsentiert sich in einem Mode-Stil, den uns der NDR mit Schlagworten wie Manga-Kultur, Decora Kei oder Lolita erst mal erklären muss. Jamie-Lee stilisiert sich zu einer fiktiven Figur, zu der sie zugleich Distanz wahrt. Das gefällt mir. Das passt auch zu ihren eigensinnigen Äußerungen: Sie hat sich ein trauriges Lied gewünscht, will ihrem Decora-Kei-Style treu bleiben, möchte für ihre Performance ein krasses Bühnenbild und will das Publikum vor allem mit ihrer Stimme erreichen. Nur 

Das muss jetzt alles zu einem Bonbon zusammengeschmolzen werden
Als ESC-Fan ist man oft und gerne mit Musik aus anderen Ländern beschäftigt, so auch mit japanischer Musik, und die punktet mit viel Technik, Tricks und Kitsch. Wahrscheinlich entwickelt man dabei unbewusst eine Erwartungshaltung. Ich verweise auf die Band Sekai No Owari, die mal am asiatischen Abu Song Festival teilgenommen haben: 1 Ton, 1 Baum, Feder- und Fledermauskostüm, der Rest ist Licht-, Schnitt- und Kameratechnik.   

https://www.youtube.com/watch?v=4v0Y0FVIbZk 

Ich stimme der Kritik des Prinzblogs zu, die den Auftritt von Jamie-Lee als unstimmig beschreibt. Wie kommt man vom japanischen Outfit der Sängerin auf den vergreisten Märchenwald der Gebrüder Grimm? Wozu ein Backgroundchor, der versteckt werden muss? Da er doppelt so alt klingt wie in der Studioversion, bekommt man das Gefühl, Mutti will auch mit auf die Bühne. Und Papis unbewegliche Kameraführung, die aus japanischem Manga ein niedersächsisches Provinztheater macht, geht gar nicht.


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