... und errechnete Michael Schulte mit einem rührseligen Schmachtfetzen: Unglamourös, unprätentiös und ein bisschen harmlos.
Genau damit sei er der richtige Repräsentant der Deutschen, denn: „Wir sind keine Pop-Nation. Wir sind auch keine Unterhaltungskünstler. Wir tun uns verdammt schwer mit Leichtigkeit. Wir wollen weder anrühren noch mitreißen.“
Zu Asche, zu Staub
Wenn man „wollen“ mit „dürfen“ ersetzt, kommt man der Sache näher. Ich behaupte, dass amerikanische Zuchtmeister keine Siege durch Extravaganzen genehmigen. Dass wir allerdings einst dazu in der Lage waren, scheint aus dem Bewusstsein noch nicht ganz verschwunden zu sein, wie beispielsweise der Film „Babylon Berlin“ andeutet. Erst seit Ende des 2. Weltkrieges heisst die Devise:
Gut kopiert ist besser als schlecht erfunden
So äußerte sich Ralph Siegel, fragt dann auch folgerichtig, warum für eine Kopie nun so viele ausländische Komponisten nötig waren
und kritisiert nebenbei die ablehnende Haltung des NDR gegenüber deutschen Komponisten, Textern und Musikern. Siegel wundert sich über deren Ergebnis: „Dass man dazu vier Autoren braucht, um ein persönliches Lied über den Tod seines Vaters zu schreiben, ist mir ein Rätsel und man wollte doch mal originell und authentisch sein."
Geschmacksdiktatur und simulierte Abstimmungen
Auch Ungarn lässt über Vaterverlust singen, aber das ohne Unternehmensberater, Algorithmen und mathematische Formel, dafür aber laut, eckig, kantig und in ungarischer Sprache.
Im Falschwörterbuch des Neoliberalismus sind Länder wie Ungarn rassistisch, faschistisch, Diktatur. Schulte hingegen ist „authentisch“, obwohl er in der Realität 0815 ist. Aber deswegen auf Schulte herum zu hacken wäre unangebracht, denn er ist nicht schlechter als 100 Millionen andere „einzigartige“ Superstars, die Tag für Tag am Nasenring durch Conteste gezogen werden.
Michael Schulte ist nicht schlechter als die meisten Eurovisions-Teilnehmer 2018.
Absurdität des ständig Neuen stößt an Grenzen
Früher wurde das stets Neue gesucht, gefunden und gepriesen, das sich dann wie von selbst seinen Weg in Charts und an die Spitze der Wettbewerbe erkämpfte.
Seitdem es seit 30 Jahren im Westen nichts Neues mehr gibt, sind anstelle der Stars die Methoden zum Aufbau von Stars wichtiger geworden.
Ratings, Rankings, Votings, Castings, Conteste, Awards…
sind nicht mehr als Recyclingprogramme, um den Verlust an Ideen, Originalität und Akzeptanz als zu vertuschen und eine Fassade der Freiheit und Vielfältigkeit als Sensation verramschen zu können.
Das erklärt, warum der NDR dieses Jahr 99% für die Methode und 1% für den Beitrag aufgebracht hat. Nicht Michael Schulte, sondern die Voting-Methode beweist, dass Michael Schulte alles ist, was man sich nur wünschen kann und dass die Mehrheit zufrieden gestellt ist.
100 geprüfte Eurovisions-Klatscher, Abreifer und Möchtegerne-Stars als „internationale Experten-Jury“, eine auf „westliche Fassaden-Werte“ abgerichtete devote rechte LGBT und abhängige Medien stehen bei Fuß und freuen sich, dass sie es richten dürfen. Sie müssen uns nur die Zahlen eines noch nie kontrollierten Privatunternehmens namens DIGAME als wissenschaftliche Ergebnisse schön reden – und schon ist gerade das Unglamouröse, Unprätentiöse und Harmlose alles, was Deutsche sich seit je wünschen (dürfen).
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Montag, 5. März 2018
Der NDR versprach Eckiges, Lautes, Kantiges
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