Donnerstag, 22. März 2018

Band Iriao aus Georgien lässt mit ihrem ESC-Beitrag „For You“ die Seele baumeln

Georgien nimmt seit 2007 am Eurovision Song Contest teil, und mehr als 10 Jahre habe ich auf diesen Beitrag aus Georgien gewartet. Der Song „For You“ wirkt auf mich wie eine akustische Klangmassage. Ob Burn-Out-Prophylaxe oder gottesdienstliche Meditation, dieses Lied sorgt für Harmonie und Wohlbefinden. Dass es im Text um zwischenmenschliche Wärme geht, versteht sich von selbst. 

Die einzige Spannung um dieses Lied ist die Frage, ob in einem aufgemotzten ESC das plötzliche Innehalten aufatmend angenommen oder schlicht überhört wird. 

Iriao ist eine 8-köpfige Ethno-Jazz-Band, die sich 2013 in Tiflis gründete, eigentlich mit dem gleichen Ziel, wie die Gruppe The Shin, die bereits 2014 für Georgien starteten. Beide Bands möchten die georgische Folklore modernisieren, indem sie sie mit Anleihen aus dem Jazz verbinden. Konzentriert sich The Shin auf Instrumentalmusik, dominiert bei Iriao die Vokalmusik.

Iriao singt georgische Version von Beethoven's 9. Symphonie "Ode an die Freude"

Als also am 31.12.2017 die Nominierung der Band bekannt wurde war klar, dass Georgien uns Europäer auch dieses Jahr wieder mit georgischem Eigensinn konfrontiert. Das taten sie bereits 2014, als The Shin das ESC-Publikum und die Jury mit Ethnojazz gnadenlos überforderten. 2018 erleben wir georgischen Gesang, und dieser wird konsequenterweise zum ersten Mal in der Geschichte des ESC vollständig in Landessprache gesungen. Ich hoffe inständig, dass Georgien dieses Mal für seinen Mut zur eigenen Tradition besser belohnt wird als 2014. 

Georgischen Gesang 
erkenne ich an der einzigartigen Klangfarbe der Männerstimmen, die wahrscheinlich alle auch einen ähnlichen Oktavumfang haben. Diese singen in polyphoner Mehrstimmigkeit, in einer Technik also, die im Westen aus der alten Kirchenmusik (Giovanni Pierluigi da Palestrina) bekannt ist. Polyphon heisst, dass die Stimmen gleichberechtigt sind und gleich klingen, während in der westlichen Tradition unterschiedliche Stimmlagen z. B. mit Sopran, Alt, Tenor und Bass herausgearbeitet werden. 

Nach meiner Wahrnehmung wechselt die Polyphonie zwischendurch in die Homophonie, wenn nämlich die Begleitstimmen nur noch akkordisch funktionieren und dem Stück dadurch einen feierlich-hymnischen Charakter geben. Die einfache Melodie im Dur-Moll-System schwächt die Strenge der georgischen Tradition ab und passt sich unseren westlichen Hörgewohnheiten gut an. Eine Anpassung an die Popmusik wird mit durchgehender Untermalung durch Synthesizer, Percussions und Bass erreicht. 

In Lissabon werden von den 8 Bandmitgliedern nur 5 auf der Bühne zu sehen sein. Diese sind 

Mikheil Javakhishvili 
George Abashidze 
Bidzina Murghulia 
Shalva Ghelekva 
Levan Abshilava

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