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Samstag, 15. Mai 2021

Ein Lied für die weggesperrte Menschheitsfamilie

Angesichts Trübsinn, Abstumpfung und Entsolidarisierung zaubert die bulgarische Sängerin Victoria (Wiktorija Georgiewa) im trivialen Rahmen des Eurovision Song Contest für das weltweit eingesperrte Publikum einen kleinen Geniestreich auf die Bühne. Sie verzichtet auf übliche Phrasendrescherei und Appelle an Haltung und Gesinnung, stattdessen nehmen wir Teil an dem schmerzhaften Prozess des Reifens einer jungen, verletzlichen Frau. Mag man es für kitschig halten, kalt lässt es einen nicht. 

Victoria fordert Empathie und Fantasie heraus
Als Beispiel eines der vielen Reaction-Videos von ESC-Fans weltweit zu Victorias Musikclip:



Musikclip
„Growing Up Is Getting Old“
heißt der Songtitel. Das klingt bedrückend, ich fühle spontan, wie mir die Lebenszeit wie Sand durch die Finger geronnen ist. Mit dem Word „old“ assoziiert man Gebrechlichkeit, Überflüssigkeit, denn was alt ist, ist in unserer Gesellschaft verpönt. Aber sieht das die Sängerin überhaupt so? 

In ihrem Musikclip verfolgen wir, wie sie sich mit alten Spielsachen und Familienfotos umgibt. Untermalt mit einer melancholischen Melodie und einer fast weinerlichen Stimme sehen wir Victoria als Baby, als kleines Kind auf dem Arm des Vaters, was eine für den ESC ungewohnte Intimität erzeugt, die verstummte oder gar vergessene Saiten in uns zum Schwingen bringt. Dann wird der Sound voller und lauter, Victorias Stimme wird fester, was nach Mut und Entschlossenheit klingt. Älter werden bedeutet schließlich auch erwachsen und unabhängig werden. 

#Aufstehen ist das Gebot der Stunde
Im Musikclip gibt es eine weitere Ebene, die über das Familiäre hinausgeht. Mit dem Einblenden einer offiziellen Absage des ESC 2020 wird auf den Corona-Lockdown angespielt. Victoria, die schon 2020 für Bulgarien antreten sollte und sogar zu den Top-Favoriten zählte, bleibt nun frustriert auf ihrem Koffer im Kinderzimmer sitzen. Nach 1 ½ Jahren Corona-Maßnahmen assoziiert man die Enge der Räume, die gestreifte Tapete, den Fernseher als einzige Verbindung zur Außenwelt automatisch mit Ausgangssperre, Quarantäne, Freiheitsberaubung. Ein junger Mensch wollte voller Tatendrang hinaus auf die Bühne des Lebens, sich dem Wettbewerb stellen, auf eigenen Füßen stehen und erfolgreich sein – und wird dann wie Millionen anderer Menschen von sog. „Erwachsenen“ für unmündig erklärt, eingesperrt, eingeschüchtert, abgeschrieben. 

„Wir beobachten eine radikale, gewaltsame ‚Entzauberung der Welt‘: Alles, was das Leben lohnend macht; alle kleinen Freuden und Narrheiten; alles, was nur auch ein wenig Unterbrechung der Alltagsmechanismen und -ökonomien verspricht und den Menschen Gefühle der Sourveränität und der Solidarität verschaffen könnte, soll beseitigt werden“. (Rober Phaller, Erwachsenensprache, 2018, S. 204). Auf dass wir nicht reifen, sondern einfach nur alt werden… 

Wir stehen mit Victoria am Abgrund
Die erste Performance-Probe am 11.05.2021 muss umwerfend gewesen sein, wie beispielhaft aus den Worten von bekannten ESC-Influencer vor Ort deutlich wird: 

 

Victoria allein auf einer Felsenklippe im Meer, über ihr der Sternenhimmel, lässt uns am psychischen Prozess des Loslassens und Reifens teilnehmen.

I’m torn by nervous system’s aching
Growing up is getting old
Anxiety is draining
Getting up is growing old. 

Was tun angesichts Ungewissheit und Ohnmacht? Victoria ist zuversichtlich: 

If your world is breaking
And growing up is getting old
Know that you’re worth saving
And getting up is all you’ve got

 

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Sonntag, 5. Mai 2019

Große Überraschung: Die Niederlande triumphiert über Russland und gewinnt den ESC 2019

Am 16.04.2019 ärgerte sich der niederländische Fernsehmoderator und ESC-Experte Cornald Maas auf Twitter über eine Veröffentlichung zur Bewerbung der Stadt Maastricht, den nächsten ESC 2020 auszutragen.  Bereits vorher hatten Amsterdam und Den Haag ihr Interesse einer Austragung angemeldet. Seit Wochen reden sich BuchmacherEurovisions-Experten und Fans  den Sieg der Niederlande herbei. Obwohl die Niederländer erst noch die Vorrunde überstehen müssen steht fest, dass sie das Finale landesweit in 21 Kinos übertragen werden. Man bekommt Beklemmungen bei dem Gedanken, die Niederländer könnten vielleicht doch nicht gewinnen... 

Was spricht für einen ESC-Sieg der Niederländer in 2019? 
  • 59 mal haben die Niederländer bereits an der Eurovision teilgenommen, 4 mal haben sie gewonnen, der letzte Sieg liegt allerdings 44 Jahre zurück, so dass es mal wieder Zeit für einen Erfolg wird.
  • Seit 2013 verfolgen die Niederländer ein professionelles Konzept, indem sie statt Vorentscheidungsmarathone einfach einen Musiker nominieren und ihn selber über alles Weitere selbstständig entscheiden lassen. Dieses Konzept führte zu guten Beiträgen, was wiederum zur Bereicherung der Shows beitrug.
  • Die Niederländer haben eine quirlige Fangemeinde, denen man die Freude über einen ESC-Sieg durchaus gönnt.
  • Last not least verstehen die Niederländer etwas vom Showbusiness und werden sich mit Sicherheit als gute Gastgeber erweisen. Doch:

Warum ausgerechnet der Beitrag von Duncan Laurence? 
In einem Songcheck des NDR hört man nach vielen Lobpreisungen von Fans zum Ende hin den Musikredakteur Peter Urban mit der kritischen Anmerkung, dass der Song irgendwie ins Leere läuft.

Bei der Aufzählung von den Vorzügen dieses Songs muss ich sarkastisch werden:
  • Wie bei fast allen Siegen der letzten 20 Jahre ist der Sänger ein Noname. Wahrscheinlich weil statt der Sieger nur Abgreifer am Erfolg verdienen.
  • Wie bei vielen Siegen der letzten Jahre verletzt dieses Lied die Eurovisionsregeln, es wurde nämlich lange vor der Deadline veröffentlicht. (Auch das ukrainische Siegerlied wurde lange vorher schon aufgeführt, das israelische Siegerlied war wie einige andere vor ihm ein Plagiat usw. usw.).
  • Das Musikvideo passt nicht zum Song, es versucht mit pornographischen Mitteln an niedrige Instinkte zu appellieren.

Welche Funktion hat ein Wettbewerb, wenn Vorlieben bereits geklärt sind? 
Um im sarkastischen Modus zu bleiben: Um Fans und Zuschauer zur Unfairness, Doppelmoral und Infantilismus zu erziehen. 

Interessant wäre ja mal ein Konzept, bei dem ca. 40 Lieder ins Rennen geschickt werden, von denen man die Herkunftsländer nicht kennt. Daraufhin wird in Auseinandersetzungen zwischen Fans, Musikern und Experten argumentativ herausgearbeitet, welcher dieser Songs am besten ist.

Stattdessen geben Polls, Umfragen und Wettquoten den Ton an und können auf intransparente und manipulative Weise beliebige Hypes erzeugen. Meine Einschätzung von Hypes: Man dichtet sich DIE Kindermärchen zurecht, mit denen man sich später bescheissen lässt, indem man sich beispielsweise Regelbrüche, Unfairness, Volksverhetzung etc. schön redet. 

Mit gepflegter Verdummung gegen Russland 
Wem also nicht klar ist, warum ausgerechnet die Niederlande gewinnen sollte, braucht sich nur auf den Seiten der Wettbüros umschauen um dann zu wissen, GEGEN wen der niederländische Beitrag als siegreich zu gelten hat: [Russia] is rated as the 9/2 second-favourite with most bookmakers, behind the Netherlands entry, Arcade.“ Weiter: „In an open Eurovision, Lazarev [Russia] has to be taken seriously as a potential winner.  

Leider ist der Eurovision Song Contest alles andere als OPEN, denn weiter heisst es: „Any Russian entry is at risk of being hit by political sentiments, given the unpopularity of ‚the Putin regime‘ (Hervorhebung E. S.] and the ongoing situation in Ukraine.

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Sonntag, 23. April 2017

Eurovision Song Contest 2017 in Kiew: Celebrate Conformity Teil 2

Von den diesjährigen 42 Beiträgen werden nur 3 Lieder in Landessprache gesungen. Die meisten Songs folgen einem anglo-amerikanischen Ideal, wie man es seit den 80ern rauf und runter in Millionen Formatradios hören kann. Bedauerlicherweise werden auch die InterpretInnen nach Einheitsschema vermarktet. Es gibt nicht mal mehr Wettkämpfer, die sich mit Sprüchen, Werbeaktionen o. ä. hervortun. 

Ob es mit Einfallslosigkeit, Einschüchterung oder einem überholten Verständnis von Modernität zu tun hat oder ob die USA selbst im Musikbusiness anderen Ländern mit Krampf und Gewalt ihre veralteten Vorstellungen aufzudrücken versucht, sei dahin gestellt. Fakt ist, dass es langweilig ist

Um eine einigermaßen unterhaltsame Show auf die Beine zu stellen, käme man dieses Jahr mit 13 Liedern aus. 

Armenien: Die gute Nachricht ist, dass Armenien mal nicht den Genozid besingt, sondern mit Sängerin Artsvik und dem Song“Fly With Me“ nettes Folktronica präsentiert. Die schlechte Nachricht: Dem Land wurde beim Timing eine Extrawurst gebraten, damit sie den perfekten Song abliefern. Vielleicht wirkt der Clip deswegen etwas nach verkrampften Marionettentheater. Aber könnte trotzdem passen, denn es steht zu befürchten, dass die Militärs nach der Ukraine das nächste finanzschwache Anrainerland Russlands mit Eurovisionstralala in die Knie zwingen und als Aggressionskorridor gegen Russland aufstacheln. Und gegen Aserbaidschan gleich mit… (von mir 6 Punkte)

Aserbaidschan: Sängerin Dihaj dürfte dieses Jahr die Extravaganteste sein. Sie präsentiert mit ihrem Song „Skeletons“ Electronica, aber mit „secret message“ und neuer Erzählhaltung. Vonwegen ich bin ein Gutmensch und will ja nur den Frieden… (10 Punkte)

Weissrussland: Es ist das erste Mal, dass wir beim ESC die weissrussische Sprache zu hören bekommen, verpackt in Folk-Pop. Ein unbeschwerter fröhlicher Beitrag von Naviband, der zum Schluss mit vielen Hey-Hey-Rufen leider etwas ereignisarm wird, was aber hoffentlich durch die Sängerin, die eine Rampensau zu sein scheint, aufgefangen wird. (1 Punkt)

Belgien: Auch Belgien kommt mit Elektronic-Pop von der blutjungen Sängerin Blanche, die ihr „City Lights“ streckenweise mit für Teenies ungewöhnlich tiefer Altstimme singt. Für mich eigentlich ein angenehmer Kontrast zum plärrenden Pädophilen-Pop, leider ging ihr Gesang bei Live-Auftritten bisher kläglich unter. Ich bin allerdings überzeugt, dass die Techniker in Kiew diesen Beitrag trotzdem als erwachsen und cool vor uns erstehen lassen. (5 Punkte)

Kroatien: Ungewollt komisch. Konzentriert man sich nur aufs Akustische, glaubt man ein Lied von Otto Waalkes oder Loriot zu hören. Der unbestritten gute Sänger Jacque wechselt in jeder Zeile zwischen Tenorstimme in italienischer Sprache und natürlicher Stimme in englischer Sprache und wirkt damit wie ein Bauchredner. Fehlt beim Auftritt nur die noch Handpuppe. 

Finnland: Unaufdringliche Entspannungsmusik des New Age mit Titel „Blackbird“ von Norma John, die man in Dauerschleife hören kann, vor allem zu Weihnachten. (2 Punkte)

Ungarn: Auch Ungarn singt endlich mal in ungarischer Sprache und stellt ungarische Musik vor. Das Lied ist ein Crossover zwischen ungarischer Zigeunermusik und Hiphop. So stelle ich mir einen Eurovisionsbeitrag vor. (3 Punkte)

Moldawien: Sympathischer Elektro-Balkan-Freak-Folk, wie man es seit ihrem Debüt mit der Band Zdob si Zdub von den Moldawiern erwartet. (8 Punkte)

Niederlande: Eine altbackene Ballade, die den Hörer aber mit perfekter Dreistimmigkeit in den Bann ziehen wird. Sollten die Geschwister ihre Ballade live auch so perfekt performen wie im Studio, ist das was Besonderes. (4 Punkte)

Portugal: Der Performer Salvadore Sobral weicht mit seiner kindlichen Selbstvergessenheit, einem verträumten Jazz-Walzer „Amar Pelos Dois“ und ergreifendem Text angenehm von der hohlen Formatradiomusik ab. Die gelangweilte Melodie, die portugiesische Sprache und die leisen Töne des Sängers erinnern mich sogar etwas an Bossa Nova. (7 Punkte)

Rumänien: Hiphop mit Jodeldiplom. Ein Schenkelklopfer, der nicht nur mutig aus dem Rahmen fällt, sondern auch lustig klingt. Dem ESC würden ein paar mehr solcher schräger Beiträge gut tun. 

Ukraine: Rockmusik, für sich gesehen nichts Besonderes, aber beim ESC mit 30 gleichförmigen Formatradioliedern erfrischend ehrlich. Die abgerissenen Musiker präsentieren sich auf einem Trümmerfeld und erbitten sich etwas Zeit zur Erholung und Selbstfindung. Den Wunsch kann ich verstehen. Ich hoffe nur, dass sie die Performance einigermaßen gastfreundlich gestalten, ohne Schüsse und ohne Blutopfer, wie bei der Vorentscheidung. 

Italien: Das einzige Big-5-Land in meiner Auswahl! Beim italienischen Beitrag wurde zwar das Rad nicht neu erfunden, aber es wirkt nach all dem politischen Missbrauch, dem Betroffenheitsgesülze und der englischen Kaugummi-Sprache wie ein erholsamer Italien-Urlaub. Mit einer leckeren Tasse Café oder einem Glas Wein, einer Portion Humor und Selbstironie endlich Abstand vom europäischen Alltag gewinnen und sich den schönen Dingen des Lebens widmen: 

Der leichten Muse und Philosophie und einem hinreißend charmanten Gigolo mit Namen Francesco Gabbani. 12 Punkte!
 
 

Sonntag, 9. April 2017

Der beste Gesang kommt 2017 aus den Niederlanden - vom Trio O'G3NE

Seitdem die Niederländer auf Vorentscheidungen und Casting-Shows verzichten, schneiden sie relativ gut ab beim Eurovision Song Contest. 

2014 hätten sie mit dem Duo Common Linnets sogar fast gewonnen. Ob es diesmal auch wieder so gut läuft? Bereits im Oktober 2016 nominierte der niederländische Rundfunk wieder ein bereits bekanntes und bewährtes Trio mit dem gewöhnungsbedürftigen Namen O‘G3NE. 

O‘G3NE
sind die Schwestern Lisa mit den Zwillingen Amy und Shelly Vol. Obwohl sie erst 23/24 Jahre alt sind, können sie sich beim ESC zu den alten Hasen zählen. Bereits 2007 vertraten sie die Niederlande mit dem selbst geschriebenen Song „Adem in, Adem uit“ beim Junior Eurovision Song Contest (JESC). 2014 gewannen sie als Trio sogar „Voice of Holland“. Für den ESC in Kiew haben sie sich fest vorgenommen, die Niederländer stolz zu machen. 

Vollendete Harmonie 
Ihre Stimmen haben sehr ähnliche Klangfarben, und die Mehrstimmigkeit singen sie auf den Punkt genau. Ihr Eurovisionsbeitrag „Lights and Shadows“ wurde ihnen vom Vater Rick Vol und Shelley‘s Freund Rory de Kievit auf den Leib geschrieben. Man kann es als eine Familienballade bezeichnen, denn das Lied ist der Mutter gewidmet, die jahrelang mit einer schweren Krankheit zu kämpfen hatte. 

Alles auf eine Karte 
Ich finde die familiären Bande dieses Gesamtbeitrags schon grenzwertig: Das Trio besteht aus Schwestern, der Name O‘G3NE bezieht sich auf die Blutgruppe der Mutter, ihr ESC-Beitrag wurde vom Vater geschrieben und gedenkt der leidenden Mutter. Wenn man so viel Familiäres und Persönliches einbringt und damit keine gute Bewertung bekommt, ist ja gleich die gesamte Familie betroffen. 

Und irgendwie hört man dem Song dieses Selbstreferenzielle an. Er klingt schön durch den perfekten Gesang, wirkt rhythmisch aber stockend nach dem Motto „2 Schritte vor und 1 zurück“. 

Egal, ich werde ihnen die Daumen drücken, weil wirklich guter Gesang beim ESC nicht selbstverständlich ist. Hier einer ihrer Live-Auftritte:





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Dienstag, 10. April 2012

Eurovision Song Contest - Joan Franka - Make Love, Not War

Das Motto der niederländischen Pop- und Folksängerin Joan Franka springt einem gleich auf der Startseite ihrer Homepage entgegen, und zwar in Form eines Fotos ihrer Inspiration: John Lennon und Yoko Ono.


"De jaren 60 waren natuurlijk de tijd van hoop, saamhorigheid, peace & love en mooie muziek!" Diese Vorliebe spiegelt sich demenstprechend auch in ihrem gemeinsam mit Jessica Hogeboom geschriebenen Eurovisions-Song "You And Me" wieder.


Auch bei den Niederländern war ich dieses Jahr sehr gespannt auf ihren Beitrag. Schon seit Jahren verpassen die Niederländer den Einzug ins Finale, obwohl sie regelmäßig starke SängerInnen am Start haben. Meist liegt es an der unpassenden Performance, an unvorteilhafter Kleidung oder am banalen Lied. Dieses Jahr wollte man alles richtig machen und beauftragte Europas bekanntesten Medienmogul John de Mol: "Wir haben in den vergangenen Jahren sehr schlecht abgeschnitten, ich habe die starke Hoffnung, dass wir endlich irgendwie eine Antwort darauf finden, wie wir im Wirrwarr der europäischen Länder einen Act entwickeln, der endlich wieder oben mitspielt."

Ganz uneigennützig war sein Engagement für den ESC allerdings nicht. De Mol, der das Castingformat "The Voice" entwickelte, welches mittlerweile in ca. 35 Ländern übernommen wurde, plant eine private Konkurrenzshow zum Eurovision Song Contest. In "Voice Of Europe" werden dann wie beim ESC Interpreten unterschiedlicher Länder um die Wette singen mit dem Unterschied, dass den einzelnen Ländern das Format der Vorentscheidung mit "Voice of" vorgeschrieben wird. Bei solchen Plänen bietet es sich natürlich an, beim ESC vorzufühlen.

Mit zusammengebissenen Zähnen akzeptierten die Niederlände dann auch, dass beim diesjährigen "Nationaal Songfestival" fast nur ehemalige Teilnehmer von Voice of Holland an den Start gingen. Als ich allerdings den Auftritt und das Outfit meiner Favoritin Joan Franka sah, wäre ich fast in Ohnmacht gefallen.




Die 1990 in Rotterdam geborene Joan Franka, mit bürgerlichem Namen Ayten Kalan, ist vor allem seit 2010 durch ihre Teilnahme bei Voice of Holland bekannt geworden, wo sie es bis zur 6. Liveshow brachte. Gleich nach der Show bekam sie vom Produzenten Holger Schwedt das Angebot, ein Album aufzunehmen. Joan willigte ein, aber nur unter der Bedingung, dass sie ihre Lieder selber schreiben durfte: "Ik wilde gewoon graag alles doen op mijn manier”. Dann folgte die Einladung für die nationale Vorentscheidung, die sie schließlich gewann. Aufgrund ihrer türkischen Wurzeln konnte sie bislang als eine der wenigen ESC-Teilnehmer dieses Jahr auch schon in der türkischen Presse punkten. Ihre Hobbies sind Musik und Poesie bzw. Songwriting: "Ik verwerk mijn emoties door te schrijven; soms zijn dat nummers en soms zijn dat gedichten. Als ik ergens over wil schrijven doe ik dat, maar meestal komt de inspiratie ineens uit het niets en moet ik het meteen opschrijven of in mijn telefoon opnemen!" Und:

"Ik hou er van om creatief bezig te zijn, ook door middel van kleding”.

Hoffentlich fällt ihr für ihr Outfit beim Eurovision Song Contest in Baku doch noch was Besseres ein als eine Indianertracht. In ihrem kürzlich veröffentlichten Preview-Clip zu You And Me sieht sie jedenfalls schon mal viel besser aus. Das lässt hoffen!!





Quellen
Biographie von Joan Franka

Montag, 1. Februar 2010

Kulturrevolutionen Teil 2 - Niederländische Fans protestieren

Auf der Suche nach dem außergewöhnlichen Musikstück für den Eurovision Song Contest finden TV-Macher tatsächlich immer wieder Musik, die man sonst das ganz Jahr über nicht hört, und zwar die hartnäckigsten Ladenhüter. Soll man den Contest gerade deswegen lieben und hassen oder soll man sich dagegen zur Wehr setzen?

Fans aus Groningen wurden die Flops zu bunt, und so begaben sie sich außerhalb der Niederlande auf die Suche nach einem geeigneten Komponisten für ihr Land. Interesse zeigten u. a. Brendan Graham (1. Platz Irland 1996), Yves Barbieux and Michél Morvan (2. Platz Belgien 2003) und Zeljko Joskimovic (2. Platz Serbien-Montenegro 2004). Diese Vorschläge schickte man der zuständigen Sendeanstalt TROS, diese schickten die Vorschläge ungeöffnet wieder zurück. So weit waren wir in Deutschland auch schon. Doch dann geschieht das für deutsche Seelen unfassbare: Die Niederländer machen weiter.

Die Fans ließen sich von Arroganz nicht einschüchtern, im Gegenteil, vielmehr scheinen sie die TROS in Legitimationsschwierigkeiten gebracht zu haben. Deren Nominierung von Schlumpfvater Abraham wirkt zunächst wie eine Trotzreaktion. Die niederländischen Fans stellten daraufhin eine Petition i
ns Netz mit der Androhung, diese zu gegebener Zeit mit gesammelten Unterschriften dem niederländischen Wissenschafts- und Kultusministerium vorzulegen.

STOP verloedering songfestival in Nederland
Unter diesem Titel kursiert die Kampagne im Internet. Vorgeworfen wird der TROS undemokratisches Verhalten, sie würde Vorschläge und Wünsche des Publikums nicht ernst nehmen. In Konzentration auf ihr eigenes kleines Zielgruppensegment würde sie den Ansprüchen eines internationalen Publikums nicht gerecht. Zudem mache sie die Teilnahme von Musikern ausschließlich von einer engen Senderbindung abhängig, was einen großen Teil niederländischer Musiker ausschließe. Auch würde sie nicht genug finanzielle Mittel investieren, um erfolgreichen Musikern ein angemessenes Angebot unterbreiten zu können.








User: We willen winnen dit jaar lijkt mij!?
Auch die Auswahl an Interpreten schien - zynisch gesprochen - enttäuschend. Nach Vater Abraham war man innerlich ja schon auf Heintje oder Wilma vorbereitet, stattdessen bot TROS nur blutjunge No-Names. Unter ihnen die Girl-Group LOEKZ. Und diese wird von keinem geringeren gecoacht als von Frans Bauer, ein Musikkollege von Pierre Kartner - und wie es scheint - Retter in der Not.

Bauer und Produzententeam Benno de Leeuw und Peter Haarbrink haben versucht, aus dem altbackenen Schlager ein modernes Poplied und Hingucker mit mulitikulturellem Flair zu machen. Dafür haben sie sich auf internationalen Seiten schlau gemacht: Ein Stück in niederländischer Sprache mit packendem Refrain und einer netten Performance werde erwartet und das wollen sie bieten.

Die Girl-Group besteht nun aus Dessalee Rodriquez (Antillianerin), Martine Hauwert (Polin), Elske Cinibulk (Deutsche), Esra Onsoz (Türkin) sowie Jezebel Zwiers und Merel Schaftenaar (Holländerinnen). Frans Bauer stolz zu der veränderten Version von Sha-la-lie: "Maar we zijn er uit en we gaan verrassen'. [...] Een hippe sound, jonge meiden die waanzinnig kunnen dansen en zingen in kleurrijke kostuums."




(Das 6. Bandmitglied kam erst am 28.01.10 zu Loekz, das Interview ist ca. eine Woche älter)


Sieht fast so aus, als hätte man sich die Kritik der Fans doch etwas zu Herzen genommen. Auf jeden Fall bin ich jetzt sehr gespannt auf LOEKZ' Vortrag. Ich finde es interessant, wenn Lieder sich entwickeln, wenn sie optimiert werden und am Schluss überraschen.

Quellen:
Musical & Theaterparadijs
NU - Cultuur-Muziek