Posts mit dem Label Internet werden angezeigt. Alle Posts anzeigen
Posts mit dem Label Internet werden angezeigt. Alle Posts anzeigen

Sonntag, 17. Juni 2018

Meinungsmanagement als Kontrolltechnik - Erlebnisbericht aus deutschem Eurovisions-Forum

Am 15.06.2018 wurde das Kommunikationsforum des Eurovision Club Germany e. V. nach 18 Jahren vom Netz genommen. Als Grund nannte man die seit 25.05.2018 geltende Datenschutzrichtlinie, nicht weniger ausschlaggebend dürfte allerdings sein, dass in diesem Forum seit Jahren nichts mehr los ist. Das war nicht immer so.

Ich bedauere die Schließung des Forums, denn was ich in 12 Jahren in diesem Forum erlebt habe, kann man sich nicht ausdenken, im Guten wie im Bösen. Man war stets über die Neuigkeiten beim ESC informiert, schloss weltweite Bekanntschaften, erfreute sich an Musiktipps, Fotos, selbst angefertigten Malereien, intellektueller Sprachspiele usw. usw. Es war wirklich ein liebenswürdiger Tummelplatz. 

Ab 2008 war Schluss mit lustig
Auch außerhalb des Forums. Hatten Alpha-Fans wie Georg Uecker oder Thomas Hermanns noch mit ironischer Distanz zum Thema ESC und mit Lästereien unterhalten, wurde nun totale Identifikation gefordert. Für die Schwulen ging es plötzlich um Leben und Tod, Thema Nr. 1 war nicht mehr Musik, sondern Homophobie osteuropäischer Länder, allen voran Russlands.

Das übertrug sich auch auf die Forenkommunikation. Und so war ab 30.04.2008 auch im Forum der Spaß schlagartig vorbei. Was von nun an dort abging, deckt sich mit den von Markus Fiedler und Frank-Michael Speer herausgearbeiteten Vorgängen zum Meinungsmanagement auf Wikipedia (ab 20'00). Moderatoren wurden zu Blockwarte; Sprachmanipulation, Schikane, Zensur, Löschungen und Rausschmisse waren an der Tagesordnung. Dies alles aus nicht nachvollziehbaren Gründen und Kriterien. Auszug aus einer an mich gerichteten Mail eines Betroffenen aus 2010:

„Natürlich ignorieren sie ihre eigenen Regeln bzw. haben sich selbst Freiräume geschaffen, die ihnen erlauben, praktisch nach Belieben Mitglieder zu "bestrafen" - sie sind ja scheinbar Richter, Ankläger und ausführende Gewalt in einem, es gibt kein Veto (nicht einmal vom Präsidenten, der sie "machen" lässt), keine Möglichkeit, sich zu verteidigen. Das meinte ich ja mit undemokratischen Strukturen und genau das führte ja hauptsächlich zu meinem Rückzug, Wenn alle drei Gewalten in einer Gruppe gebündelt werden, spricht man von Diktatur. Das würde auch erklären, warum der Thread mit dem Link zu Deinem Blog so einfach gelöscht wurde und warum es die Mods so sehr nervt, wenn sie zu ihren Taten Stellung nehmen sollen. Sie wollen sich nicht rechtfertigen müssen, daher machen sie Kritiker mundtod.“

Wenn man Glück hatte, wurden Sperrungen vorher angekündigt, z. B. so: „Da Du Dich seit Monaten absolut uneinsichtlich zeigst, und freie Meinungsäußerung so verstehst, daß Du Unwahrheiten als Tatsachen in den Raum stellst, haben wir beschlossen dir ein bißchen Zeit zu schenken darüber nachzudenken, ob das der richtige Weg ist. Wir werden Dich bis Weihnachten mit einer Schreibsperre versehen.“ Belegt wurden solche Vorwürfe nie.

Ich erinnere an dieser Stelle daran, dass es beim ESC nicht um strenggläubige Religionsausübung, nicht um Nato-Geheimarmeen, den 11.09. oder Mondlandung geht, sondern es geht um kommerzielle Popmusik und Schlager. Gerade weil es eigentlich um "nichts" ging, habe ich mich bei diesem sinnlosen Aufwand und dem selbstherrlichen Tonfall wie in einem Versuchslabor gefühlt. 

Folge waren Verunsicherung, Frustration, Wut, viel Streit unter den Usern und Rückzug. Ich gehörte zu denen, denen man ohne Begründung eine Rüge mit dem Hinweis „Verwarnt!“ an den Avatar geheftet und das Image der Persona non grata verpasst hatte, das übrigens bis heute wirkt. Zwecks Abgrenzung habe ich mir 2008 dieses Webblog zugelegt. Und ja, da der Ruf runiert war, lebt es sich mit diesem Blog bis heute ganz ungeniert.

Seit der Ukraine-Krise sind alle betroffen
Im Laufe der 18 Jahre wurde das Forum natürlich immer wieder technisch überarbeitet. Die letzten größeren Korrekturen erfolgten nach der Meyer-Landrut-Kampagne, mit der zuvor die Forenstruktur komplett zerstört worden war.

Endgültig eingeschlafen ist das Forum schließlich während der Ukraine-Krise um 2013/2014. Auf mich wirkte es, als ob die pro-amerikanische-pro-israelische-anti-islamische-anti-russische Hetze nicht mehr verdeckt in entlegenen Foren, sondern auf einmal offensiv in Qualitätsmedien ausgetragen werden musste. Wir im Forum wurden vergessen, während es auf anderer Ebene international weiter geht. Konfrontiert man Eurovisions-Experten mit abweichenden Meinungen oder Zweifel, blocken sie auf Twitter und machen Meldung auf Facebook. Dass ausgerechnet diesen LGBT-Gruppen das Schlagwort der Toleranz auf die Regenbogenfahne geschrieben wird, ist ein Widerspruch, der wahrscheinlich außerhalb der Eurovisions-Echokammer gar nicht wahrgenommen wird. Ich frage mich vielmehr, ob die Entwicklung der ESC-Fankultur nicht ein gutes Beispiel abgibt für die von Professor Mausfeld beschriebene Zersetzungsstrategie mit Verwendung von Falschwörtern und Herausbildung von Fehlidentitäten. 

Spaßgesellschaften im Repressionswahn
Ich war als einzige der damaligen Mobbingopfer dem Forum treu geblieben, nur Vereinsbeiträge zahle ich nicht mehr. Treu geblieben zum einen, weil ich als Frau mit kritischer Distanz zu Medien und Pop ohnehin nie viel Zuspruch und Anerkennung in dieser Gruppe erwartet habe. Zum anderen, weil ich von Anfang an den Eindruck hatte, dass diese Respektlosigkeit gegenüber ahnungslosen Foren-Usern von außen stimuliert wird. Zudem interessiere ich mich für „Musik in Massenmedien“ und fand hier einen überschaubaren Bezugsrahmen. 

Meine Beobachtung und Wahrnehmung nach 12 Jahren Internetkommunikation ist: Wer vorgibt Hass, Lügen und Radikalisierung bekämpfen zu wollen, muss dies zuvor einstreuen und dauerhaft anfeuern. Insofern muss ich den abgesprungenen Usern ein großes Lob aussprechen: Sie haben diese Provokation wahrscheinlich richtig eingeschätzt und sich nicht mehr darauf eingelassen. 

Die Entsolidarisierung unter ESC-Fans baut auf Vereinnahmung und emotionale Ausbeutung der Homosexuellen für militärische Interessen des Westens auf. Und nun mündet die Nato-treue Zuchtmeisterei in bedingungslose Kapitulation vor der Datenschutzrichtlinie... Die düstere Friedhofsruhe passt vielleicht ganz gut zur Einstimmung auf einen Eurovision Song Contest im ach so schwulenfreundlichen durchmilitarisierten Israel.


:::

Samstag, 4. November 2017

NDR lässt sich für Vorentscheidung zum ESC maßgeschneidertes Publikum anfertigen

Das erinnert spontan an Joachim Gauck: „Die Eliten sind gar nicht das Problem, die Bevölkerungen sind im Moment das Problem“. Deswegen müssen sie ausgetauscht werden, und beim ESC kann man das schon mal testen. 

Auf die wachsende Legitimationskrise des öffentlich-rechtlichen Rundfunks reagiert der NDR mit Disqualifikation des deutschen Publikums, das für die ESC-Niederlagen verantwortlich sei und tauscht es mit dieser Begründung gegen ein international zusammen gebasteltes Publikum aus. Als Sanktionsmaßnahme müssen die Deutschen diese Demütigung mit GEZ-Gebühren finanzieren, was wiederum ein schöner Aufhänger für Identitäre und AfD sein dürfte. 

Kniefall vor denen, die den Deutschen nie Punkte geben 
Jüngste Pressemitteilungen könnten fast als Hilferuf einer verkannten nationalen Rundfunkanstalt an die internationale Gemeinschaft missverstanden werden, wenn sie nur nicht alle in deutscher Sprache geschrieben wären: „Internationaler Publikumsgeschmack und internationale musikalische Fachkompetenz sollen Deutschland wiedererkennbar, kantig und erfolgreich machen.“ Ob wirklich Fachkompetenz gefordert ist, sei dahin gestellt. Schaut man sich das Verfahren genauer an, kann es eigentlich nur um die Forderung nach „richtigen“ Vorlieben und „richtigem“ Verhalten gehen: "Wir möchten dich besser kennenlernen. Dazu musst du 15 Minuten aufwenden, in denen du uns durch 2 x 6 Video-Bewertungen deinen Musikgeschmack zeigst."  

Das nationale Publikum hat die falschen Vorlieben und verhält sich falsch
Es ist lt. NDR selbst bei trivialen Abstimmungen nicht fähig klug zu entscheiden. Dass man es jedoch immer nur zwischen Pest und Cholera entscheiden lässt, wird verschwiegen. Dass es am Schluss überhaupt noch am Telefonvoting teilnehmen darf, ist wohl nur den kommerziellen Interessen der Telekommunikationsindustrie zu verdanken, so wie der NDR ohnehin auch in seinem neuen Konzept ausschließlich der Industrie verpflichtet zu sein scheint. 

Data-Mining zur Vermeidung der Bildung einer kritischen Masse
Unterstützung holt man sich von der Datenanalysefirma Firma Simon-Kucher & Partners. Diese sammeln Nutzerdaten und haben für die Ermittlung eines Verbraucher-Panels einen speziellen Algorithmus entwickelt. Als Laie denkt man bei dieser Art Algorithmen an Facebook und Amazon, die die User unaufgefordert mit Werbung belästigen, welche angeblich zum Profil passe. Manchmal gibt es auch willkürliche Sperren

So ein Algorithmus setzt aber beim NDR-Konzept voraus, dass man im Voraus eine genaue Vorstellung vom Siegerbeitrag hat. Tatsächlich ermittelte der NDR auf Grundlage „vorher definierter musikalischer Genres“ 5 potenzielle Siegersongs. Ich befürchte, dass der Algorithmus rein rechnerisch zu den 5 Siegersongs die passenden Jubelscharen rekrutiert. 

Weitere Nutzerdaten zu Geschmack und Verhalten stammen von der Kölner Firma Digame, die seit Jahren für das Votingverfahren beim internationalen ESC verantwortlich ist – und deren Ergebnisse noch nie von unabhängigen Journalisten überprüft wurden. Die Daten der europäischen Anrufer werden also tatsächlich für Profiling und Wiederverwertung gespeichert. Achtung: Wer für die russischen Beiträge angerufen hat, ist als Kreml-Troll gebrandmarkt. 

Statistiken suchen Statisten 
10000 Europäer werden im Internet beobachtet, im mehrstufigen Auswahlverfahren überprüft, daraus 100 rekrutiert, diese stellen das sog. internationale Europa-Panel. Diesem Panel wird eine internationale Experten-Jury aus ca. 25 Personen beigesellt, die schon in anderen europäischen Ländern an Abstimmungen bei Vorentscheidungen mitgewirkt haben. Das Europa-Panel wählt aus Bewerbungen 20 Kandidaten aus, daraufhin prüft der NDR die Eignung dieser Kandidaten. Danach wählen das Europa-Panel und die Expertenjury 5 Teilnehmer für die Vorentscheidung im TV. Diesen 5 ESC-Hoffnungsträgern werden dann die vorher ausgewählten 5 Songs zugewiesen. 

Mit Musik und Mitbestimmung hat das Ganze nichts mehr zu tun 
Medien wünschen kein echtes Publikum mehr, das Publikum soll keinen Wert mehr auf „Credibility“ legen. „Glauben“ soll man stattdessen an intransparente Ergebnisse und Verfahren maschinenmäßiger Abstimmungsprozeduren, die zu gegebener Zeit mit den genauso künstlichen Rankings der Wettbüros korrespondieren und von künstlich erstellten Pressemitteilungen massenhaft beworben werden. 

Und was sagt der ARD-Programmdirektor Volker Herres? 
"Ganz ehrlich gesagt will ich in meiner Amtszeit gar nicht so unbedingt noch mal gewinnen, denn dann ist man im nächsten Jahr Gastgeber, und das ist teuer."


:::