Mittwoch, 25. März 2015

Prinz William glaubt an den britischen Beitrag von Electro Velvet

... und das wahrscheinlich weniger aus Überzeugung, sondern aus Mitleid. Während andere Länder ihre SängerInnen und Songs als die Neuerfindung der Popmusik und Bereicherung der Nation promoten, erleben die britischen Teilnehmer gerade das Gegenteil. Seitdem ein anonymes Komitee der BBC am 07.03.2015 um 22:25 Uhr im TV das Duo Electro Velvet mit dem Song „Still In Love With You“ als britischen ESC-Beitrag bekannt gab, sind britische Presse und ESC-Fans „not amused“.

The Guardian: “[The BBC] is the reason why we're going to collectively hide our faces behind a pillow come May, and they deserve to be punished.“ Die Lösung: „Allowing us some form of control over our entry is the only way to stop terrible mistakes like this from ever happening again“.

Zum Song: „It sounds like a nightmarisch effort to fuse the DNA of Cotton Eye Joe, the 1994 song Doop by Doop and the collected works of Scatman John into a monstrous new form“.
The Telegraph fügt hinzu: „The opening lines say it all, really: 'Don't get on the wrong train / Don't fly on an old plane'.This is the wrong train, and it left the station 90 years ago.”

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Die Sänger werden charakterisiert als „jobbing performers with an upsetting lack of taste“. Weiter: „They surely will have some fun in the Eurovision spotlight but they would be well advised not to give up their day jobs.”

Zum Komponisten: „David Mindel has a career composing advertising jingle but I can't believe any of his professional clients would have accepted something quite this shoddy. The genre is described by the BBC as electro swing, which apparantly means swing recreated with cheap digital instrumentation instead of a big band. […]The novelty value [of Mindel's song] being that the format is so ancient some kids might actually think it's something new.

Wie viel Schmerz und Frustration die Rundfunkanstalten alljährlich den ESC-Kids zuzufügen in der Lage sind, zeigt das Video eines jungen ESC-Fans, der mit der Internetgemeinde über youtube die Bekanntgabe des britischen ESC-Beitrags feiern wollte und am Schluss in schiere Verzweiflung fällt.

Offensichtlich wissen die britischen Journalisten nichts von David Mindel‘s Eurovisions-Experimenten. Bei der britischen Vorentscheidung „A Song For Europe“ 1974 machte er den letzten Platz. Weitere Versuche in 1977 und 1982 blieben erfolglos.

So viel vernichtende Kritik macht den Beitrag schon wieder sympathisch
Ich gehe davon aus, dass die beiden Sänger technisch nicht schlechter sind als die von der Musikindustrie künstlich aufgebrezelten Eurovisionssieger. Der Unterschied ist, dass bei diesen Interpreten keine Informationen gesteuert und keine Märchen kreiert werden. Diese Ehrlichkeit ist begrüßenswert. An diesem Team sieht man, wie schwer es einfache Musiker in Wirklichkeit haben.

Sollte der Komponist David Mindel mit Musik sein Leben bestreiten, darf er bei bei den Aufträgen nicht wählerisch sein. Der Sänger Alex Larke ist Musiklehrer an der Grundschule, hat sich in mehreren Genres versucht und fand seine Bestimmung als Mick-Jagger-Kopie bei The Rollin‘ Clones, einer Rolling-Stones-Coverband. 

Bianca Nicholas nahm – leider erfolglos – an „The Voice“ teil. Dafür hat Bianca immerhin den Support von Prinz William, der sie bei einem Charity-Konzert kennenlernte. Bianca leidet nämlich an Mukoviszidose. Was für eine mutige Entscheidung, mit dieser Krankheit vor einem 200 Millionen Publikum live zu singen!

Electro Velvet ist ein reines Eurovisions-Projekt, das nicht viel zu verlieren hat. Für das Team dürfte schon der Musik-Clip ein Erfolg bedeuten, dessen Aufwand sie sich ohne die Unterstützung der BBC wahrscheinlich nicht hätten leisten können. Die Kritik ficht sie nicht an.
„We really are the Mick and Bianca Jagger of Eurovision,“ verkünden sie im Daily Star.


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