Leider ist auch die Errechnung der Punkte zum Streitthema geworden. Die EBU behauptet die Regeln optimiert zu haben, diese hat sie in einem Regelwerk zur 59. Ausgabe des Eurovision Song Contest 2014 veröffentlicht.
In Punkt 1.1.3 wird der Vorgang der Punktevergabe beschrieben, wie es das Publikum während der Show vor den Fernsehgeräten mitverfolgen kann. Das Ergebniss wird aus Jury- und Telefonvoting errechnet, die beide zu
50% in die Wertung eingehen.
2013 wurde eine Veränderung vorgenommen, die ich grob erklären möchte: Bis 2012 hat man nur die jeweils zehn Besten von Telefonvoting und Jury miteinander verrechnet. Hatte also ein Interpret von der Jury 12 Punkte und vom Publikum 0 Punkt erhalten, pendelte sich das Ergebnis bei ca. (12 + 0) / 2 = 6 Punkten ein. Seit 2013 werden alle Lieder in
die Verrechnung einbezogen. Rangiert nun ein Kandidat im Finale beim Publikum auf Rang 1 und bei der Jury auf Rang 26, dürfte sich der Mittelwert bei (26 + 1) /2 = Rang 14 einpendeln, wodurch der Kandidat bei einer Bewertung von 10 Plätzen (1, 2, 3, 4, 5, 6, 7, 8, 10, 12 Punkten) nicht mehr in der Endwertung auftaucht.
Ein rumänischer Blogger
hat dies anhand der italienischen Wertung genauer beschrieben. Hier ist auffallend, dass der rumänische Vertreter Cezar vom italienischen Publikum mit Abstand auf Platz 1 gewählt wurde, nach der Verrechnung mit der Jurywertung ging er leer aus. Auf meine Frage, wer denn die italienischen Jury-Experten gewesen seien: „All male, no musician
(contradicting EBU rules), president is journalist at right-wing newspaper“. Zur Jury mehr in Teil III.
Konnte die 5-köpfige Jury bis 2012 das Ergebnis des Telefonvotings abschwächen, kann sie seit 2013 das Publikumsergebnis löschen. Die Masse der Telefonvoter zahlt für jeden ihrer Anrufe, die wenigen Juroren hingegen werden (wahrscheinlich) bezahlt. Man kassiert den Telefoneinsatz des Publikums und kann danach seine Stimmen ungültig machen. Solange man das Publikum nicht deutlich auf diese Bedingungen hinweist, ist das Täuschung oder gar Betrug.
In dieser Regeländerung bringt die Reference-Group ihre Geringschätzung der Publikumsmeinung zum Ausdruck. Dass man das Telefonvoting nicht gleich ganz abschafft, erkläre ich mir damit, dass man weiterhin mit den Telefongesellschaften Geschäfte machen möchte.
Darüberhinaus drückt sich in der neuen Regelung auch eine Geringschätzung der Popmusik aus. Während das Publikum erfahrungsgemäß höchstens für ein oder zwei Lieblingslieder anruft, müssen die Juroren ALLE Lieder in eine
Rangordnung bringen. Das ist bei 40 (relativ gleichförmigen) Popmusikstücken völlig unseriös. Auch die Musiker bekommen bei so einem gemixten Ergebnis kein brauchbares Feedback mehr von ihren Konsumenten. Eine Lösung wäre, 2 Sieger zu küren.
Die Reference-Group besteht nur aus Vertretern westeuropäischer Länder, zwei von ihnen gehören zu den Big-5 (Deutschland, Italien), die aufgrund höherer finanzieller Einlagen gar nicht richtig am Wettbewerb teilnehmen. An dieser jüngsten Regeländerung wird klar, warum sie Länder wie die Türkei nicht mehr in ihren Reihen duldet, denn die hätten dagegen protestiert. Die Diaspora von süd- und osteuropäischen Ländern tragen den Nachteil davon - und nur die Telefongesellschaften in westeuropäischen Ländern reiben sich die Hände. Diese neue Regelung war ein Grund für den Ausstieg der Türkei.
Die Veränderung der Punkteberechnung benachteiligt das Publikum und die Musiker. Diese neue Regelung dient offensichtlich nur statistischen Zwecken. Die Reference-Group verlegt den Schwerpunkt weg vom Musikwettbewerb hin zum Länderwettbewerb. Die unausgewogene Zusammensetzung der Reference-Group lässt zudem auf wirtschaftliche, aber auch auf verdeckt politische Absichten schließen.
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