Sonntag, 10. März 2013

Gestern bei der rumänischen Vorentscheidung...

3,5 Stunden rauschten wie gefühlte 30 Minuten an mir vorbei, am Schluss gab es ein Ergebnis, mit dem niemand gerechnet hatte. Ich hatte mich vor kurzem über die Abstimmungsmodalitäten geärgert: Sollten die Rumänen sich vorher abgesprochen haben, dann muss ich ihnen ein Lob aussprechen. Diese Abstimmung wirkte einschließlich seines „unberechenbaren“ Ergebnisses mal echt. 

Während des Telefonvotings konnte man mitverfolgen, wie die Anzahl der Anrufe - insgesamt 42567 Anrufe - eingingen und die Summen für die Interpreten in die Höhe gingen – oder eben auch nicht. Platz 1 bis 3 lagen dabei am Schluss eng beieinander. Danach traten die Juroren einzeln vor das Mikrofon und lasen ihr Ergebnis vor. Die Wertungen waren sehr unterschiedlich, aber es kristallisierten sich 2 Favoriten heraus, die beim Publikum eher in der Mitte lagen und sich nun quasi gegenseitig die Punkte wegnahmen. Als dann Publikum- und Juryergebnis miteinander verrechnet wurden, lag der Publikumsfavorit vorne.

Platz 1 hatte mit 20 Gesamtpunkten gewonnen, gefolgt von Platz 2 mit 19 und Platz 3 mit 18 Punkten. Das Wechselbad der Gefühle war den Interpreten während des Votings anzumerken. Statt der üblichen Floskeln wie „Dabei sein ist alles“, „die Show macht großen Spaß“ oder „ich freue mich für meine Kollegen“, entgleisten ihnen die Gesichtszüge, sie zitterten, mussten sich den Schweiß vom Gesicht wischen und gifteten mit Drohgebärden sogar die Juroren an, während der völlig überrumpelte 33 Jahre alte Sieger fast zu weinen begann

Noch mehr Unterhaltung als die Abstimmung bot die technische Umsetzung, die ich schon bei den vorangegangenen Semi-Finale bestaunt hatte. Es gab einen Live-Stream mit gutem Sound, bei dem man die TV-Übertragung mitverfolgte. Zusätzlich dazu wurden den Internetusern mehrere Webcams zur Verfügung gestellt. Eine Kamera vermittelte die Perspektive des Hallenpublikums, eine weitere überwachte den Ein- und Ausgang, die dritte Kamera zeigte den Green Room und zwei weitere ließen ins Foyer blicken, wo sich Presseleute aufhielten, die Künstler kurz vor ihrem Auftritt letzte Schritte einübten, noch mal geschminkt wurden, Kurzinterviews gaben, uns zuwinkten - oder die Zunge heraus streckten ;-) 

Zusätzlich zum Livestream wurde natürlich getwittert, dabei haben rumänische Blogger uns immer kurz mitgeteilt, wen und was wir gerade sahen und worum es in den Gesprächen ging. Irgendwann trat dann auch einer der beobachtenden Blogger, mit dem man kurz zuvor noch geplaudert hatte, vor die TV-Kamera und gab ein Interview. Wow! Ich hatte unentwegt den Eindruck, am Ort des Geschehens zu sein. So eine Art der Übertragung sollten sich auch mal deutsche TV-Macher durch den Kopf gehen lassen, wenn sie sich über mangelnde Einschaltquoten bei z. B. „Wetten, dass?“ den Kopf zerbrechen. 

Nun zum Sieger. In der deutschen Fangemeinde – und ich meine, nicht nur dort - brach das pure Entsetzen aus. Wie konnte das geschehen?! Was hatten sich die Rumänen dabei gedacht? Ich glaube, ich bin die einzige, die diesen Beitrag gut findet, aber ich gestehe, dass sich meine Freude und Faszination auch mit ein wenig Schadenfreude mischt.

An steifer Haltung und Mimik habe ich sofort erkannt, dass Cezar Florentin Ouato lange Jahre Gesangsunterricht gehabt haben muss. Dies wirkt allerdings in der Popmusik, wo doch alles immer so cool und locker rüber kommen muss, ungewollt komisch. Leider ist das Lied für seine Stimme fast zu tief, sein wahres Können zeigt er erst am Schluss, wenn es inbrünstig in die Höhe geht. Die Schlichtheit seines Liedes wird durch die englische Sprache noch unterstrichen, für seine ausgebildete Opernstimme wäre meiner Meinung nach italienisch oder rumänisch passender gewesen. Immerhin führen die mutigen Rumänen nun mit "Cezar The Voice" ein neues Genre beim ansonsten so langweiligen ESC 2013 ein, das man in Bezug auf die vielen bösen und lästernden Kommentare wohl als Kastraten-Pop bezeichnen wird. 



Cezar ist 1980 in Rumänien geboren und in einer Musikerfamilie aufgewachsen. Bereits mit 6 Jahren bekam er Klavierunterricht, besuchte das Konservatorium seiner Heimatstadt Ploiesti und schloss sein Studium am Milaner Konservatorium ab. Seitdem hatte er zahlreiche Opern-Auftritte und wirkt auf bereits 5 Alben (Gluck, Vivaldi, Händel, Cavalli) mit. Nachdem er 12 Jahre in Italien gelebt hat, ist er nach Rumänien zurück gekehrt und möchte im Bereich Pop-Oper arbeiten. Der Komponist seines ESC-Beitrages, Christian Faur, hat bereits 2005 den rumänischen Beitrag für Luminita Anghel geschrieben, mit dem sie 3. wurde. Mögen seine Gesten ruhig einstudiert wirken, mag man über diesen Beitrag lachen oder weinen, dieser Mann lebt von seinem Handwerk und gehört unbedingt auf die Eurovisions-Bühne.


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