Dienstag, 13. August 2019

Wir sind die Doofen - Greta, Rezo und die Eurovision

Während mit dem jahrelangen Aufbau „schwuler ESC-Experten“ ein triviales Thema des Boulevard verwissenschaftlicht werden sollte, wurden wissenschaftliche und politische Belange zunehmend trivialisiert. Zu beobachten ist, dass beim ESC trotz zahlreicher ESC-Experten weltweit nur 1 Perspektive und 1 Narrativ auf das Event vorherrscht und dass die ehemals pulsierende Fan-Kommunikation langsam an Langweile und Frust stirbt. Dafür halten Starkult, Vermarktungs- und Kommunikationsstrategien des ESC verstärkt Einzug in die Politik. 

Was beispielsweise den ESC-Fans mit brutalen Werbekampagnen um Lena und Conchita (Mediengleichschaltung, Zensur, Geschmacks- und Gesinnungsdiktatur) zugemutet wurde, erfährt jetzt der Rest der Bevölkerung auf Wikipedia oder mit Kommerz-Figuren wie Greta, Rezo, Rackete & Co. 

Intellektuelle mit Kommerz überfordert?
In den Sozialen Medien erlebe ich – vor allem in Ostdeutschland - ein abgeklärtes Publikum, das einem popkulturellen Starkult grundsätzlich misstraut. Um so mehr wundert es mich, wenn Intellektuelle wie Dirk Pohlmann und Mathias Bröckers, deren Arbeit ich sehr schätze, sich mit ihrer Begeisterung um diese sog. „Influencer“ fast um Kopf und und Kragen reden. So riet Bröckers den Skeptikern von Rezo auf Facebook den Gang zum Konspirologen zwecks Allergietest (hat er seine eigenen Bücher nicht gelesen?). Und Pohlmann schert Kritiker dieser Stars über einen Kamm und diskreditiert mit Übertreibungen. 

Die Eurovision ist nicht die Welt, aber die Welt wird Eurovision 
Ich entschuldige mich vorab für meine oberflächliche Herangehensweise, die Inhalte und Fakten außen vor lässt. Aber ich fand einst einen klugen Satz im Internet: „Die amerikanische Unterhaltungsindustrie ist der Klebstoff der „Anscheinswelt“, hier wird der Konsens der Eliten vorfabriziert und untermauert.“ Genau das habe ich durch Auseinandersetzung mit dem ESC gelernt: Fakten sind für Konsumenten kaum überprüfbar und werden immer bereitwilliger durch die kindliche Denkform des Glaubens und Wünschens ersetzt; daraus folgt, dass Personen und Inhalte in der „Anscheinswelt“ beliebig austauschbar sind. Wo aber Inhalte beliebig werden, sollte man sich Form und Funktion, Strukturen und Strategien näher anschauen. Die Darlegungen von Prof. Mausfeld (Interview zum Buch "Angst und Macht. Herrschaftstechniken der Angsterzeugung in kapitalistischen Demokratien") bestätigen mich in meiner Wahrnehmung und Herangehensweise. 

Es sind die gleichen Vermarktungsinstrumente, mit denen die „Anscheinswelt“ in Politik und Boulevard aufgebaut wird, egal ob es sich um politische Hypes sog. Graswurzelbewegungen oder angebliche Publikums- und Jurybeliebtheit beim ESC handelt. Mittel sind massenhafte Verbreitung von Fotos in gleichgeschalteten Medien, zweifelhafte Experten und Stars (Influencer), denen der Jubel sicher ist und die Preise nur so zuflattern, Votings, Ratings, Rankings, Charts, Hitraten, Likes, Faves usw. usw. usw. 

Bei Hypes sind Themen und Protagonisten beliebig und austauschbar 
Hypes sind eigentlich nur die Stöckchen, über die wir alle zu springen eingeladen sind in der Annahme, dass unser braves Hüpfen Bestandteil der politischen Willensbildung, der Freiheit und Demokratie sind.  

Hypes sind - wie der Beurteilungswahnsinn beim ESC - Mittel zur Verhaltensmessung und Produktprofilierung  
Beim Echauffieren und Ereifern dichten wir uns genau DIE Märchen zurecht, mit denen wir uns später bescheißen lassen, so dass wir uns in unseren irrigen Annahmen auch noch bestätigt fühlen. 

Hypes dienen der Trivialisierung und Entpolitisierung 
Eine weitere Gemeinsamkeit aller Kampagnen möchte ich – in Ermangelung eines besseren Begriffes – als das Dionysische umschreiben, welches das Rationale gezielt ausblendet. Schon die aggressive mediale Verbreitung täuscht vor, dass die Bürger eine rauschhafte Überrumpelung geradezu einfordern würden. 

Dabei sind bunte Demonstrationen, bei denen der Staat Shuttle-Busse, Freibier und Gratis-Konzerte sponsert oder Reden jugendlicher Influencer, die gezielt irrationale Ängste schüren wollen, genauso „aussagekräftig“ wie Flashmobs und Public Viewing als Promotion für Nichtskönner mit konfektionierten Ladenhüter der amerikanischen Musikindustrie. 

Egal, wie man zu den jeweiligen Themen oder Personen steht, jedem müssten zumindest die abgegriffenen Schlagwörter und verfaulte Ästhetik dieser Figuren und Kampagnen langsam auffallen.

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