Sonntag, 1. Oktober 2017

Identitätsverwirrung und sprachloses Unbehagen am Beispiel Conchita Wurst

In einem Welt-Interview betont Conchita Wurst alias Tom Neuwirth: "Ich liebe Männer, wie gesagt - aber als Mann." Das ist ein klares Statement, und als solches normal. Was an Neuwirth als besonders hervorgehoben wurde war, dass er als eine Frau mit Bart, Perücke und falschen Wimpern im Abendkleid posierte. Mit einer Überflut an „sprachlosen“ Fotos und schwammiger Schwärmerei wird dieses Kunstprofil dem Medienpublikum geradezu um die Ohren gehauen. 

Leider zu auffällig und zu oft wurde Conchita Wurst von 2014 bis 2016 provokativ in einem Nevativbezug zu Russland ins Feld geführt. Aber irgendwie zündete das in Russland nicht. Stattdessen vermehrt sich trotz solch glamourösen Erfolgs in Deutschland wieder die anti-schwule Gewalt. Ich sehe in überzogenen Medienhypes und anti-schwuler Gewalt einen Zusammenhang.*

Hat es sich ausgewurstet? 
Seit Februar 2017 hört man von Conchita Wurst neue Töne: „Ich habe mich nie als Frau gefühlt. Ich liebte es bloß mich zu verkleiden.“ Tom Neuwirth hat keine Lust mehr auf sein Kunstprofil, zumal er damit nach eigener Aussage alles erreicht hat: „Seitdem habe ich vor dem EU-Parlament gesprochen, den früheren UN-Generalsekretär Ban Ki Moon kennengelernt, konnte für Jean Paul Gaultier laufen, habe Céline Dion getroffen und wurde von Karl Lagerfeld fotografiert.“ 

Für Fans und Promoter in Politik und Medien droht das demaskierte Wurstpaket zur Peinlichkeit zu werden. Seit 2014 klammern sie sich an mediale Dauerschleifen:
  • Diverse Newsseiten: „Der Auftritt in Kopenhagen machte [Wurst] zur Galionsfigur der Lesben-, Schwulen-, Bisexuellen- und Transgender-Community und zur Botschafterin für Toleranz“.
  • taz:„Conchita Wurst, das war eine Art Martin Luther King der LGBTI*-Szene mit hoher Akzeptanz in den libertären Heteromilieus.“
Und nun entpuppt sich das Bollwerk der Freiheit, Selbstbestimmung und der Menschenrechte plötzlich als ein lediglich verkleideter Karnevalsgeck?  Jan Feddersen versucht in der taz diese Peinlichkeit abzuwehren, kann dabei aber auch wieder nur auf‘s Optische verweisen, indem er die zuvor irritierende Glamourhülle nun als einen verzichtbaren Panzer bezeichnet. Besser wäre es gewesen, den übertriebenen Medienhype und die eigene Verführbarkeit durch Massenmedien zu hinterfragen. Was hat es noch mit Emanzipation und Toleranz zu tun, wenn um eine Kunstfigur wie Conchita Wurst ständig der Menschenhass gegenüber Nicht-Nato-Länder geschürt wird? 

Verführung auch im Europa-Parlament 
Grundlage des Auftritts der Wurst im Europa-Parlament waren neben einem lediglich verkleideten Mann vor allem ungeprüfte Abstimmungsergebnisse einer Unterhaltungsshow (ESC). Um es modischer auszudrücken: Ein Fake! 

Mit Fotos, Fake und Kitsch eines inhaltslosen Schlagersängers haben Europa-Politiker sich selbst und ihre Arbeit trivialisiert. 

Und dann entpuppen sich ausgerechnet die toleranzbeseelten Politiker gegenüber jeden Zweifel als "sprachlos" und intolerant. Nur AfD-Mitglied Beatrix von Storch hinterfragte Sinn und Kosten dieses Auftritts und sprach damit wahrscheinlich einer überrumpelten Mehrheit aus der Seele.

Neues Kunstprofil „treues Chamäleon“ 
Als politische Provokation vor allem Russlands ist das Projekt Conchita Wurst vorerst gescheitert. Es sieht so aus, als müsse der Rest an Selbstbestimmung, den Neuwirth an den Tag legt, abgebogen werden, um ein Vorbild der Dauer-Sexualisierung und Identitätszertrümmerung am Leben zu erhalten. 

Doppeldeutige Androhungen von Anonym im Boulevarblatt BUNTE belegen, dass „wir“ (wer soll das sein?) uns nun auf eine Chamäleon-Nummer einzustellen haben: „Wenn Tom Neuwirth heute erklärt, eine Geschlechtsumwandlung sei für ihn nie ein Thema gewesen, mag das wichtig für ihn sein. Für uns aber nicht. [Hallo?] Eine Frau mit üppigem schwarzen Bart oder ein Mann mit üppigem Dekolleté, beides ist ein Stück Bühnen-Neuland. Solange sich Neuwirth treu bleibt, bleiben wir es ihm auch, Conchita hin oder her.“  

Nicht Putin, sondern Medienhypes und sprachloses Unbehagen erzeugen Homophobie 
Die Beliebtheit der Kunstfigur Wurst ist künstlich gemacht. Die mir bekannten Homosexuellen befürchten eher, dass mit Fakes, Hetze und einseitigen Medienhypes die Bevölkerung genervt, eingeschüchtert und wieder gegen Schwule aufgebracht werden soll. Aber diese Schwulen haben in Politik und Medien keine Stimme. Vermehrte Übergriffe gegen Schwule mögen belegen, dass diese Strategie sogar aufgeht. 

*Conchita Wurst ist nur ein Beispiel von vielen, mein Fokus ergibt sich aus dem Thema meines Webblogs, dem Eurovision Song Contest


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