Samstag, 23. Mai 2015

Ich wage Prognose für ESC 2015 - Loic Nottet aus Belgien mit „Rhythm Inside“ gewinnt

Wenn in anderen Jahren Buchmacher und Fans den Sieger schon vorab zu kennen glaubten, ist dieses Jahr bislang alles offen. Beiträge, die derzeit als Favoriten gehandelt werden, kommen entweder aus Länder mit starker Fan-Lobby oder erfüllen die immer gleichen Erwartungen homosexueller Fans. 

Optimistisch davon ausgehend, dass am Finalabend Musik-kundige Juroren und das europäische Publikum entscheiden, glaube ich auf Grundlage der Videos zu den Proben und des 1. Semifinales, dass Belgien gewinnt. 


 „We're gonna rappappa rappappa tonight“ 
Der Sänger ist 19 Jahre alt, wirkt aber wegen Schüchternheit und auffallend hohe Stimme jünger. Da er nicht nur gerne singt, sondern auch gerne tanzt, wirkt seine Performance etwas schmissiger als die der anderen. Das Beste am Stück ist der Background-Chor, der gar kein richtiger Background-Chor ist, denn er gestaltet Song und Performance maßgeblich mit. Auch dadurch wird die Performance besonders. Zudem singt im Chor ein hervorragender Sänger, der schon 2011 beim ESC in der A-capella-Gruppe Witloof Bay mitsang, und zwar Nicolas Dorian. 

Weniger ist mehr
Der Songtitel „Rhythm Inside“ würde sogar als Eurovisions-Slogan durchgehen. (Der diesjährige Slogan heisst „Building Bridges“). In dem Song geht es um Musik, wodurch sich das Lied schon mal inhaltlich angenehm von den vielen Betroffenheits-, Trauer- und Powerballen unterscheidet. Auch die Komposition von "Rhythm Inside" sticht durch einen tristen minimalistischen Stil hervor und bleibt mit einer spärlichen Instrumentierung als Loic Nottet's punktgenauer Klangkosmos im Gedächtnis hängen. Es ist überhaupt ein Musikstil, den man beim ESC so noch nicht gehört hat. Belgien ist der Teilnehmer der Tops und Flops und wagt als einziges europäisches Land immer mal wieder Experimente. Auf Risiko setzt auch dieser Song und ich könnte mir vorstellen, dass zumindest das jüngere Publikum das dieses Jahr zu würdigen weiss. 

Konkurrenten
Gefährlich werden könnte Loic Nottet der Beitrag aus Australien von Guy Sebastian, ich verbuche das Lied eher als Dudelfunk-Musik. Und überhaupt Australien: Sie brauchten weder eine Wartefrist einhalten, keine Teilnahmegebühren zahlen, kein Semifinale durchlaufen und werden unentwegt promoted... Wenn sie bei so viel Vorteilnahme auch noch „zufällig“ gewinnen, machen sich die Veranstalter lächerlich. 

Auch eingängige Oldies aus Estland mit absolut perfekter Inszenierung und Slowenien scheinen nicht chancenlos, nur ähneln sie sich als Duette zu sehr und könnten sich gegenseitig die Punkte nehmen. Überhaupt sind dieses Jahr 9 Duette in Abendgarderobe am Start, wodurch der ESC einer Hochzeitsmesse ähnelt. Finnlands Punkband hob sich erfrischend ab, setzte aber sehr auf Gaudi, lag bei Abstimmung unter Akkreditierten vor Ort auf dem letzten Platz und schied im 1. Semifinale aus. 

Dafür kommt Schweden besonders gut an, aber was bei diesem Beitrag nicht optisch und akustisch getrickst oder gestohlen ist, glänzt durch Abgedroschenheit. Im Gegensatz dazu Lettland mit Aminata, deren Dubstep-R&B-Ballade wohl das Originellste ist, was dieses Jahr zu hören ist.

Wäre der Eurovision Song Contest so etwas wie Voice of Europe müsste meiner Meinung nach Albanien mit Elhaida Dani und „I'm Alive“ gewinnen. Voraussetzung ist jedoch, dass sie nicht wie im 1. Semifinale kurz vor ihrem Auftritt stolpert und fällt, die Nerven verliert und nur noch durchs Lied hechelt und dass die Technik vor Ort mitspielt. Wie jedes Jahr klangen auch in Wien einige Beiträge schlecht abgemischt und waren viel zu leise ausgesteuert. Die ausgeschiedene Niederländerin Trijntje führt ihre Niederlage nicht zuletzt auf die Technik zurück.

Aber das wirklich Schräge am ESC ist alljährlich die unterschwellige Botschaft der kommerziellen Musikindustrie, dass sich – zumindest in Europa - musikalische Leistung und Risikobereitschaft nicht rentieren.


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