Mittwoch, 11. Februar 2015

Wir sind Satellite - Die Anliegen der NATO im Zeitalter des real existierenden Schlagertextes

Teil 1 - Instrumentalisierte Kommunikation beim Eurovision Song Contest als Einstimmung auf einen europäischen Krieg 
Teil 2 - Die Deutschen als Eurovisionswächter und kein bisschen Frieden 
Teil 3 - Running Scared – Wegrennen vor willigen Vollstreckern und Maulhelden 

Die Anliegen der Militärs sind zu unschön, um sie dort auf den Tisch zu bringen, wo sie hingehören, nämlich in die Politik. Statt zu verhandeln greifen sie der Politik vor und verbreiten unter unpolitischen und wehrlosen Menschen Kriegsstimmung als populären Mainstream. 

Während ich mich als ESC-Fan also mit einem oberflächlichen Popmusik-Wettbewerb abzulenken versuche, bin ich ungewollt in eine perfide durchkalkulierte PR-Maschine mit Kriegstaktik eingebunden. Der Rahmen dieses simulierten Musik-Wettbewerbs mit absurden Wettbewerbsregeln und abgesprochenen Siegen ermöglicht es Anlässe zu schaffen, um bestimmte „Länder“ als die Guten hervorzustreichen und andere als die Bösen abzustrafen. 

Keine klaren Grenzen mehr zwischen Unterhaltung und Information 
Zu den absurden Wettbewerbsregeln: Das Regelwerk hat mit Beurteilung von Musik nichts zu tun, sondern befestigt vielmehr Ungerechtigkeiten. Näheres hierzu in meinen Texten aus 2013:

Abstimmungsmodalitäten auf dem Prüfstand – Einleitung 
Abstimmungsmodalitäten auf dem Prüfstand – Das Telefonvoting 
Abstimmungsmodalitäten auf dem Prüfstand – Die Jury 

Dass sich keiner beschwert, erkläre ich mir mit der Trivialität des Themas. Würde man es beim Trivialen belassen, wäre alles so weit in Ordnung. Nicht in Ordnung ist das Moralisieren und der politische Missbrauch. Den Rest an Desinformation und Emotionalisierung erledigen die Medien.

Sensationen, Promo und Propaganda werden in einen Topf geworfen und als konfusen Mainstream-Stimmungsmatsch einsilbig verbreitet. Mit pseudo-religiöser Überhöhung von Casting-Sternchen und ihren Rating-Erfolgen, Dämonisierung ganzer Länder, übler Panikmache vor Kastration von Homosexuellen, russischen Siegen oder aserbaidschanischen Betrugsversuchen wird desinformiert und emotionalisiert. Das ist weder Unterhaltung noch Information. Soll die Wahrnehmungs- und Beurteilungsfähigkeit so zerstört werden, dass Recht und Unrecht, Profis und Stümper, Show und Realität nicht mehr auseinandergehalten werden können? Es scheint sogar schon ein vorläufiges Ergebnis dieses „Brainstreams“ zu geben: 

Das Attentat von Anders Behring Breivik 
Breivik rechtfertigt seine 77 Morde nicht zuletzt mit Missständen beim Eurovision Song Contest. Das muss man sich mal vorstellen: 

Ein Mainstream-Konsument des Westens hat den künstlichen Stimmungsmatsch der Eurovision so ernst genommen, dass er sich zum Mord berufen fühlte! 

Dies ist nachzulesen auf PI, dort kann man in den Kommentaren zu seiner veröffentlichten Abschlussrede erkennen, dass er mit seiner Wahrnehmung nicht alleine steht. In der Presse wurde sein Bezug auf den ESC zwar als Beweis seiner Durchgeknalltheit registriert:

Spiegel 
Hamburger Abendblatt 

Aber niemand hat daraus die Schlussfolgerung gezogen, dass Breiviks durchgeknallte Rechtfertigung ein nicht weniger durchgeknalltes Bezugssystem voraussetzt. Profiteure, Organisation, Vermarktung und vor allem aggressive Kommunikationsstrategien im Eurovisions-Diskurs wurden nicht hinterfragft. 

Die dunklen Seiten des Mainstreams 
Die „Mainstream-Konsumenten der Spaßgesellschaft“, der Breivik zuzuordnen ist, tabuisieren ihren Fan. Sie bedenken nicht einmal, dass erst ihr Totschweigen eine Komplizenschaft heraufbeschwört, die möglicherweise zuvor gar nicht bestand. Stattdessen spielen sie sich als Moralisten auf und fordern beim ESC immer heftiger die „Verschärfung der Regeln“. Ihre Hegemonie stützt sich auf einen naiven „Glauben“ an Schlagwörter wie Regelwerk, Ranking, Downloadraten, Hit-Listen, Awards etc. und jede Menge bunter Fotos. Zweifel verbuchen sie auf das Konto der Neider, Verlierer und Verschwörungstheoretiker und verweigern jede Auseinandersetzung. Mit dem Killerargument der Verschwörung können sie bequem jede Gegenfrage an der Trivialität ihrer gesamten Veranstaltung abprallen lassen. 

Wären die 77 Morde in Russland oder Aserbaidschan passiert, hätte die Mainstreamgesellschaft des Westens dann auch geschwiegen? Ihre Reaktionen auf das Charlie-Hebdo-Attentat – mit peinlicher Fotomontage in Pariser Seitenstraße aufgebauscht als Marsch der Millionen - lassen vermuten, dass sie die Sau durch Europa gejagt hätten. 

Spaßgesellschaften im Repressionswahn
Uns wird offensichtlich eine Doppelmoral abverlangt. Dieser Doppelmoral liegt ein künstliches Freund-Feindschema zugrunde, das beständig zur Positionierung zwingt. Dieser Zwang macht freies und selbstbestimmtes Handeln und Denken unmöglich. Genau darin sehe ich Ziel das der Gene-Sharp-Strategie, wie er es in seinem Buch „From Dictatorship To Democracy“ anstrebt: 

Eine ferngesteuerte, sprachlose, unzivile tugendlose und prinzipienlose Grundhaltung. Es ist die Auslöschung des Ich zugunsten vollständiger Identifikation mit einem Aggressor (Über-Ich) und seines totalitären Machtanspruches. Diese Grundhaltung wird im psychologischen Ansatz der Faschismustheorie beschrieben. Ich verstehe die Strategie von Gene Sharp so, dass sie auf dieses Wissen aufbaut.

Nächster Teil: Fairytales à la Gene Sharp - Vom Mainstream zum Brainstream


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