Freitag, 15. Februar 2013

Wenn wir die Wahl gehabt hätten, hätte La BrassBanda gewonnen

Bei all diesen Abstimmungsergebnissen halte ich es grundsätzlich wie Stalin: Es kommt nicht darauf an, wer was gewählt hat, sondern wer am Schluss die Stimmen auszählt. 

Es ist für mich natürlich nicht überprüfbar, wie viele Stimmen die Musiker im Einzelnen bekommen haben. Genauso wenig ist überprüfbar, wie oft jemand für einen Favoriten per Internet oder Telefon gevotet hat. Muss auch alles nicht, denn herauszufinden, dass im glamourösen Show-Business die Ehrlichkeit nicht die erste Tugend ist, wäre keine Sensation. Interessanter finde ich zu beobachten, mit welchen Nasen und auf welche Weise man uns genau vom Gegenteil überzeugen will. 

Diesmal haben sich die deutschen Organisatoren mit der Dramaturgie der Abstimmungsprozedur ein Eigentor geschossen. Sie zelebrierten eine Internet- und Telefonabstimmung, und machten danach das Publikums-Ergebnis vor den Augen des Publikums von einer 5-köpfigen Jury hinfällig. Genauer: Die hervorragende Live-Band La BrassBanda, die überhaupt nicht der Zielgruppe Eurovision und ESC-Fans entsprechen, gewann das Publikumsvoting. Daraufhin schreitete die "autoritäre Experten-Jury“ ein und kippte das Ergebnis zugunsten der ESC-Fans, so dass Cascada gewann. Very exciting! 

Hätte man nicht genauso gut Cascada nominieren und sich die Vorentscheidung sparen können? Nein. Denn das Spielchen, in der die "autoritäre Experten-Jury" für die Fans eine Erlöserfunktion gegenüber zu viel Anarchie, Selbst- und Mitbestimmung, gegenüber unliebsame Musiker oder Länder einnimmt, ist seit einigen Jahren Selbstzweck. Und es ist unschwer zu erkennen, welche psychische Disposition sich davon besonders umschmeichelt und angezogen fühlt: Menschen mit einem Hang zum Autoritären und zum Anti-Demokratischen. 

In meinem Text „ESC - Ein Kampf der Kulturen?“ habe ich darauf hingewiesen, dass auch das Major Label Universal Music von dieser Spielart profitiert: 2/3 stimmten für La BrassBanda (die bei Sony unter Vertrag sind). Und dann kippt der öffentlich-rechtliche Rundfunk, der mit Universal Music kooperiert mit seinen bei Universal Music in Vertrag stehenden „Juroren“ das Ergebnis zugunsten des Beitrags von Cascada, die lt. Wiki auch bei Universal Music unter Vertrag ist... 

Dumm nur, dass auf diese Weise die ganzen übrigen 11 Acts, die vor Cascada (mit ihrer prominenten letzten Startnummer 12) angetreten waren, nur noch wie Füllstoff und La BrassBanda zwar wie eine eigensinnige und selbstbestimmte, aber damit natürlich erfolglose Alibi-Konkurrenz wirken. Das war dann - bei aller Achtung vor der bunten Show - ein weiteres Jahr wie 12 mal Lena. 

Und tatsächlich, auch Lena Meyer-Landrut wurde pflichtgemäß reaktiviert. Sie schien wieder allen Ernstes zu versuchen, die Leistung für ihren überzogenen Monumentalerfolg nachreichen zu wollen. Das erzeugt regelmäßig nur eine verstörende Wirkung. 

Leicht verstört, mit zuckenden Augen und zitternden Händen, wirkte auch Moderatorin Anke Engelke, die sonderbarerweise immer wieder auf ihren Auftritt bei der Punktevergabe in Baku anspielen wollte – oder musste. „Es ist schön, wenn man die Wahl hat“, hat sie damals gesagt und wollte sich vor der Weltöffentlichkeit mal in die Politik einmischen und den Mangel an Demokratie und Pressefreiheit im entfernten Aserbaidschan kritisieren. Diesen selbstgerechten Vorwurf setze man mal mit der oben beschriebenen Abstimmingsprozedur in Beziehung! Und: Wer, außer amerikanisch-israelische Kriegsstrategen vielleicht, will die Aserbaidschan-Hetze andauernd hören? Ein Blick in die Neue Züricher Zeitung vom 12.02.13 beweist sogar, dass diese negative Haltung weder für Europa noch für die deutsche Außenpolitik derzeit repräsentativ ist.


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