Montag, 11. Februar 2013

Unser Song für Malmö

Dieses Jahr keine Kooperation zwischen Öffentlich-Rechtlichem und Privatem Rundfunk mit Wirtschaft, Politik, Kirche und Presse. Damit auch kein Pop-Titan Stefan Raab, der sich mit Erfolgsversprechungen schon Monate im Voraus weit aus dem Fenster lehnt. Es gibt bislang nicht mal einen heimlichen Favoriten oder eine politische Botschaft, die vom NDR an die straff organisierten Vereine zwecks „Meinungsbildung“ durch gereicht werden. Es gibt auch keine weitere Castingshow, nein, diesmal organisiert der NDR eine ganz normale Vorentscheidung mit 12 Acts und lauter praktizierenden Musikern. Das Finale wird am 14.02.2013 um 20:15 Uhr in der ARD ausgestrahlt.

Dieses Jahr wird auf unterhaltsame Weise ein breit gefächertes Angebot präsentiert, bei dem für jeden etwas dabei sein dürfte. Anhand kurzer Video-Postkarten kann man die Musiker kennenlernen, ihre Musik kann man sich in dieser Zusammenstellung aller Songs anhören. Und neu: Internetuser dürfen für die Songs abstimmen und damit zu einem Drittel das Ergebnis mitbestimmen. Die restlichen 2/3 werden am Vorentscheidungsfinale am 14.02.2013 via 1/3 Jury und 1/3 Telefonabstimmung ermittelt.

Mein subjektiver Eindruck zu den Musikstücken ist weniger positiv. Die Musiker sind sehr gut, aber mit ihren Liedern bleiben ausnahmslos alle unter ihren Möglichkeiten. Ich frage mich, ob die Musikindustrie im Auftrag des NDR die Musiker oder vielmehr die Musikstücke für die Musiker ausgesucht hat. Die Songs hören sich an, als wären sie als B-Seite einer Single konzipiert, mit denen man nicht gewinnen möchte. Wäre beim ESC keine unübliche Strategie.

Zu meiner subjektiven Wahrnehmung gebe ich ein paar Beispiele: Die prominentesten Teilnehmer sind natürlich die Söhne Mannheims, die bei der Vorentscheidung ohne Zugpferd Xavier Naidoo antreten. Da in Malmö nur 6 Personen auf der Bühne erlaubt sind, werden sie auf noch mehr Bandmitglieder verzichten müssen. Ob der Rest repräsentativ ist...?

Cascada gibt mit ihrem Disco- und Schweden-Pop alles und trifft damit genau den Geschmack des typischen ESC-Fans. Dumm nur, dass dieses Lied dem Siegerlied vom Vorjahr verdammt ähnelt.

Unter seinen Möglichkeiten bleibt Ben Ivory, der mir durch seinen Auftritt im ARD-Morgenmagazin mit einer guten Präsentation und Acoustic Session positiv auffiel.

Auch Betty Dittrich, die mit Retro-Schlager der 60er Jahre glänzt, bleibt bei aller bestechenden Niedlichkeit und guter Live-Darbietung doch etwas eintönig und fade.

Unter ihren Möglichkeiten bleiben Nica und Joe, ihre starken Stimmen können über ein altbackenes Musikstück nicht hinwegtäuschen.

Beim Stück "Little Sister" von der Band Mobilee stellten Fans einen Regelbruch fest, dieses Lied wurde nämlich bereits vor der Deadline 01.09.2012 veröffentlicht (und nicht nur dieses Stück). Würden sich das Weissrussland oder Aserbaidschan erlauben, wäre das für die Männerbünde der Eurovision Anlass zum militärischen Einschreiten. Die angeblich ahnungslosen Mitglieder der Band Mobilee verließen sich auf den ESC-Verantwortlichen Thomas Schreiber, der bei der EBU wie bei den Fans onkelhaft rechtfertigende Worte für sie fand. (Im Regelfall treten bei solchen Vorkommnissen die Musiker von sich aus zurück, so geschehen dieses Jahr in Ungarn.)

Auch der erste Beitrag der Priester mit Sopranistin Mojca Erdmann war regelwidrig, da er lt. BILD bereits 1100 Jahre vor der Deadline gesungen wurde. Sie haben daraufhin ein neues Stück erschaffen. Und nun präsentieren sie sich mit gregorianisch angehauchter Kirchenmusik. Das hat es bislang weder in einer Vorentscheidung noch beim ESC gegeben. Zu fragen ist vielmehr, ob es eine solche Zurschaustellung von Klerus und Christentum beim ESC überhaupt geben sollte und ob man wohl Suren rappende Boygroups islamisch geprägter Länder genauso selbstverständlich hinnehmen wird.

Unter ihren Möglichkeiten bleiben auch ein wenig La BrassBanda. Wenn sie sonst bei Live-Konzerten Menschenmassen zum Toben bringen, klang ihr ESC-Beitrag auffallend schleppend. Interessant allerdings, dass sie den Contest des Contestes vor dem Contest veranstalteten, indem sie ihr musikalisches Material einem Remix-Contest zur Verfügung stellten. Das Ergebnis als ein Mix aus allem ist etwas flotter, aber scheint selbst von eingefleischten La BrassBanda-Fans als ein Kompromiss gehört zu werden.


Freundlicherweise haben aber La BrassBanda eine Seite ins Netz gestellt, die das Internetvoting übersichtlich und einfach machen. Davon kann jetzt bis zum Finale am 14.02.2013 gerne Gebrauch gemacht werden.


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