Samstag, 13. Februar 2010

Israel setzt auf einen etablierten Musiker: Har’el Skaat

Letztes Jahr warb Israel im Vorfeld damit, ein israelisch-palestinensisches Duo gemeinsam ein Friedenslied beim ESC singen zu lassen. Ist ein Friedenslied auch dieses Jahr Bedingung? Diese und andere Fragen beantwortet mir Talia aus Haifa.

Talia: Ich will es ein und für alle mal klären:-) Die IBA setzt nicht unbedingt auf Friedenslieder (bis auf letztes Jahr, als die IBA aufgrund des Krieges im Gaza-Streifen im Januar 2009 ausdrücklich gefordert hat, im israelischen Beitrag eine Friedensbotschaft zu vermitteln), es sind eher die Sänger, Texter oder israelischen Zuschauer, die leicht auf diese Klischees reinfallen. Es liegt auch oft daran, dass die sog. "Botschaftslieder" musikalisch einfach gestrickt und eingängiger sind, und somit den Massengeschmack treffen. Das einzige Kriterium, das der israelische ESC-Beitrag erfüllen muss, ist die Gesangssprache. Der Text muss zumindest zur Hälfte in Hebräisch sein.

Dass der israelische Beitrag seit 2002 immer zwei- oder mehrsprachig gesungen wurde (mit Ausnahme Boaz, der bis auf eine einzige englische Zeile sein Lied komplett auf Hebräisch gesungen hat), liegt allein an den Sängern, die sich nicht mehr trauen, vor internationalem Publikum komplett auf Hebräisch zu singen, was ich total doof finde, denn schließlich achtet man bei erstmaligem Hören nie auf den Text und viele Leute in Europa das Englische sowieso nicht beherrschen!


Eurovision-Berlin: Welche Bedingungen stellt Israel grundsätzlich an die Kandidaten?

Talia: Wie in den vergangenen Jahren durften auch dieses Jahr nur Sänger teilnehmen, die ihren Armeedienst geleistet haben. Eine andere Bedingung dieses Jahr war die Erfahrung im Musikbereich.

Eurovision-Berlin: Das ist in Deutschland bedauerlicherweise nicht so. Dem NDR war wichtig, dass die Kandidaten unbedingt "unverbraucht" sind.

Talia: In Israel wollte man unbedingt einen erfahrenen Künstler ins Rennen schicken, der sich in unserer Musikszene etabliert hat. Aus diesem Grund wollte die IBA Vlady Bleiberg (Zweitplatierten der letzten Staffel von "Kochav nolad") nicht, den die russische Lobby im israelischen Parlament sowie die Produzentin von "Kochav nolad" zu pushen versuchten.

Eurovision-Berlin: Das hat auch unter europäischen Fans für ganz schön viel Spannung gesorgt. Die Fraktion von Vlady Bleiberg wollte das Thema politisieren. Darauf ist die IBA nicht eingegangen. Jetzt bin ich eher von den deutschen Organisatoren irritiert, die mit Begriffen wie „nationale Aufgabe“ das Publikum zu „emotionalisieren“ versuchen. Wie gefällt dir als Außenstehende denn das neue Vorentscheidungsverfahren in Deutschland?

Talia: Ich finde das Konzept nicht schlecht. Zumindest garantiert es hohe Einschaltquoten und lockt viele junge Leute vor den Bildschirm. Ich bin zwar kein Fan von Stefan Raab und konnte mit seinen Songs 2000 und 2004 nichts anfangen, ich bin mir aber sicher, dass er schon dafür sorgt, dass ein zeitgemäßer, auffalender Song für Deutschland an den Start geht. Ein harmloses Popliedchen oder eine amerikanische Retro-Nummer wird es wohl nicht sein! Jetzt bleibt natürlich noch, das Lied abzuwarten.


Eurovision-Berlin: Und noch einmal zurück zu Israel, wie ist dort das Vorgehen genau?

Talia: In Israel hat es diesmal wieder eine Direktnominierung gegeben, diesmal fiel die Entscheidung auf Har'el Skaat, einen der beliebtesten Sänger Israels, der 2004 bei der Castingshow "Kochav nolad" (aus der Shiri Maymon und Boaz hervorgingen) den zweiten Platz belegt hat. Er war bereits letztes Jahr im Gespräch, konnte aber wegen eines Rechtstreits mit seiner Plattenfirma nicht antreten.


Die IBA entschied sich eindeutig für Har’el Skaat




Eurovision-Berlin: Ich kannte ihn nicht, aber im Forum las ich, dass er sogar in Deutschland eine kleine Fangemeinde hat. Gehörst du auch zu seinen Fans?

Talia: Ein richtiger Fan, der zu seinen Konzerten geht und an Fan-Foren teilnimmt, bin ich zwar nicht, ich mag aber seine Lieder sehr und finde ihn als Sänger einfach großartig. Israel hätte wirklich keine bessere Wahl treffen können, denn mit Har'el Skaat haben wir einen der charismatischsten Sänger, die wir jemals zum ESC geschickt haben! Ich bin mir sicher, dass er sein bestes gibt, um eine gute Platzierung für Israel zu holen, wollte aber sicherstellen, dass er sich für den ESC nicht verbiegt, und habe deswegen Kontakt zu ihm aufgenommen.


Die Direktnominierung birgt meiner Einschätzung nach nämlich ein kleines Problem in sich: Der Sänger hat noch keine Lieder parat. Er wird aber beauftragt, innerhalb von einigen Wochen etwa 4 Lieder bei der IBA einzureichen. Normalerweise darf er die Komponisten selber aussuchen oder die Songs selber schreiben, bei Boaz Mauda, der zum Zeitpunkt seine Nomonierung noch keine Erfahrung im Musikgeschäft hatte, hat man aber eine Ausnahme gemacht. Es wurde nämlich aufgerufen, Lieder für ihn einzusenden, aus denen eine Fachjury die besten 5 ausgesucht hat.


In der Regel machen sich die Sänger natürlich Gedanken, wie sie international am besten ankommen dürften, und fallen dann aber oft auf Klischees wie „Friedensbotschaft, zweisprachigen Text oder schlagerhafte Melodie“ herein. Umso wichtiger finde ich es, den ausgewählten Sänger kurz nach der Nominierung rechtzeitig zu warnen und ihm ein paar Tipps zu geben.


Obwohl Har'el schon letztes Jahr gesagt hat, er werde keinesfalls ein Friedenslied singen, habe ich ihm vor kurzem einen Brief mit ein paar wichtigen Tipps geschrieben. Viele Sänger haben zwar gute Vorsätze und meinen, sie würden sich für den ESC nie verbiegen, sie werden aber oft unter Druck gesetzt, bekommen Einsendungen von bekannten Songwritern und singen eventuell - ohne es überhaupt gewollt zu haben - die übliche, speziell auf den ESC zugeschnittene Kost. Das wollte ich nämlich verhindern. Erfreulicherweise hat Har'el meinen Brief gelesen und mir bei allen Punkten zugestimmt!


Eurovision-Berlin: Welche Punkte waren das?

Talia: Seiner musikalischen Linie treu zu bleiben, ohne sich speziell für den ESC zu verbiegen, keine kitschige oder politische Botschaft in seinen Liedern zu vermiitteln, und komplett auf Hebräisch zu singen.


Eurovision-Berlin: Vielen Dank für die ausführlichen Antworten aus Haifa. Vielleicht sollte man mehreren Musikern vor dem ESC so einen Brief schreiben.

Ein älteres Interview mit Talia mit noch ausführlicheren Infos zum ESC in Israel gibt es hier.

3 Kommentare:

schwul-und-liberal hat gesagt…

Ich war 2008 total begeistert von diesem jungen Mann mit der einzigartigen Stimme: Boaz Mauda!

Was gibt es Neues von ihm?

Talia Grossfeld hat gesagt…

Ich fand ihn auch klasse! Seine Stimme ist einfach einmalig schön!

Boaz hat letztes Jahr sein erstes Album herausgebracht, das sich sehr gut verkaufte. Er arbeitet gerade an seinem zweiten Album, außerdem tritt er gelegentlich im Ausland (überwiegend Osteuropa: Serbien, Rumänien, Bulgarien usw.) auf. Für West- und Zentraleuropa ist sein Stil wohl zu speziell; Da ist eher US-orientierte Popmusik angesagt, und Boaz macht ja ganz andere Musik...

Mister-Twister hat gesagt…

Soo süß!