Sonntag, 22. November 2015

NDR gräbt anderen eine Grube und fällt selber hinein

Seit 1998 ist es Aufgabe des NDR, vom ESC-Wettbewerb abzulenken und die Leute auf einem Nebenkriegsschauplatz aufeinander zu hetzen. Sie nennen es fachmännisch Polarisierung. Schon am Titel der Vorentscheidung „Ein Song für Xavier“ statt „Ein Song für Stockholm“ erkannte ich die gewollte Provokation. 

Prachtexemplar ihrer gelungenen Polarisierung war stets Stefan Raab, der damit die Schadenfreude und Niedertracht im Mainstream salonfähig machte. Das sollte witzig sein. In den Jahren 1998, 2000 und 2004 hatte Raab wie ein verdeckt arbeitender Werbeträger mit seinen gewaltwitzigen Polarisierungen in erster Linie für Rundfunk und Telekom das Telefonvoting anzufeuern. Seit 2010 haben sich mit ihm als Held verbale Schlägertrupps beim ESC etabliert. Das Ergebnis dieser Strategie ist, dass „deutscher Erfolg“ nur noch in Form eines Gesamtpaketes aus törichten Dilettanten und eines verkommenen Supportes geduldet wird. Und genau diesen selbst herangezüchteten Support hat der NDR jetzt kennenlernen dürfen. 

Was der NDR jedes Jahr den Nicht-Nato-Ländern anutut, hat er selber nicht mal 48 Stunden ausgehalten 
Seit Jahren hält der NDR Fans und Zuschauer dazu an, aus dem Spielring zu treten und ahnungslose Teilnehmer der Nicht-Nato-Länder mit Steinen zu bewerfen. Jeder erinnert sich an die Ressentiments des Kommentators Peter Urban gegenüber Russland und Weissrussland. Der jüngste NDR-Angriff galt wieder Aserbaidschan. Der Erfolg dieser Angriffe misst sich an den Hasstiraden deutscher Fans und der Lautstärke ihrer Buhrufe im Saal. Jetzt hatten wir endlich unseren deutschen Soul-Sänger, der uns veranlasste, dass wir uns mal selber und den NDR mit Steinen bewerfen. Was der NDR jedes Jahr den Nicht-Nato-Ländern monatelang zumutet, hat er selber nicht mal 48 Stunden ausgehalten. 

Warum so ein Boohai um einen politischen Dilettanten Naidoo, der nur dummes Zeug redet?  
Selbst wenn Naidoo glanzvoll abgeschnitten hätte, wären ihm, wie beim Sieg des Bundesvision Song Contest, die Buhrufe sicher gewesen. Denn die kamen bereits 2012 und hatten weniger mit Politik, sondern eher mit einem Glaubwürdigkeitsverlust zu tun. Spätestens als seine „Fans“ angesichts seiner umstrittenen Polit-Reden auf facebook zu Soli-Käufen seiner Platten aufforderten, kommt mir die Kunstfigur Naidoo nur noch als die Personifizierung perfider Musik-Promotion vor. Damit also wie geschaffen für den ESC. 

Von Geschmacks- zur Gesinnungsdiktatur  
Bei seinen umstrittenen Reden 2014 setzte er als Polit-Laie ausschließlich auf seine Popularität. Sein Anliegen war es, seine emotionale Betroffenheit kundzutun: "Ich bin eigentlich nur hier, um die Liebe zu repräsentieren". Was für ein Quatsch! 

So viel Naivität ist durchtriebenen Vertretern psychologischer Kriegsführung (Querfront? PI?) natürlich ein gefundenes Fressen. Dumm nur, dass ihre Angriffe dann nicht mehr nur Naidoo gelten, sondern gleichzeitig auch den ahnungslosen Bürgern, zu denen Naidoo einen politisch nicht-legitimierten, kumpelhaften Kuschelkurs aufbaut: Reichsbürger, Verschwörungstheoretiker, Nationalisten, Homophobe, Pädophile... Vor geltungssüchtigen Promis, die ständig ihren Kompetenzbereich überschreiten, sind wir nicht mehr sicher. Ich erinnere an die Auftritte der ESC-Siegerin Ruslana während des Maidan, an Klitschko & Co. 

Durch das idiotische Betroffenheitsgeschwafel dubioser Promis werden wir alle zu Opfer einer aggressiven Kommunikationsstrategie
Diese setzt auf Dilettanten und Möchtegerne, mit denen Show und Realität vermischt werden. Das zerstört langfristig Fairness und Maßstäbe. Ständig wird unsere Wahrnehmung und unser Beurteilungsvermögen irritiert und infrage gestellt. Es wird ein künstliches Freund-Feind-Schema erzeugt und alle werden zur Positionierung gezwungen. 

Der Beweis: 2 Stunden nach der Bekanntgabe der Nominierung Naidoos durch den NDR gab es bereits ein verstörendes 7-Minuten-Interview auf RadioEins mit dem NDR-Verantwortlichen Thomas Schreiber. In Berufung auf den ARD-Hauptstadtkorrespondenten Arnd Henze musste sich Schreiber bereits nach der 4. Minute von seinem RBB-Kollegen die Frage gefallen lassen: Wie stehen Sie zum 11.09.? 


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