Erinnert sich jemand noch die Lenamania?
Irving Wolther in Spiegel Online vom 25.5.2010: "Ein seit Sonntag 19-jähriges Mädchen aus Hannover hält die Zukunft unserer Nation in Händen. Zumindest wenn es darum geht, das finanzkrisengebeutelte deutsche Selbstbewusstsein wieder aufzurichten."
Alfons Kaiser in der FAZ: 31.05.2010: »Uns ist bei anhaltend regnerischem Wetter ein Sommermärchen ins Haus geflattert. […] An diesem Abend in Oslo ging es nicht um Rettungsschirme, Milliardenbürgschaften, Euroskepsis und Inflationsängste. Deutschland hat Europa einfach mal etwas geschenkt. […] Wir stehen in unserem Land eben nicht immer nur mit beiden Beinen auf dem harten Boden der Realität. Manchmal tänzeln wir wie Lenas 'Satellite' durch die Schwerelosigkeit des erdnahen Orbits."
Holger Kreitling in Die Welt vom 31.5.2010: "Sie ist spontan, doch sich ihrer Wirkung sehr bewusst, auch wenn sie selbst darüber überrascht scheint, wenn 120 Millionen Europäer sie schlicht toll finden. Ihre gespielten Zusammenbrüche, ihr Teenager-Reichtum sind unschlagbar europäisch. Sie zeigt Generationen und Nationen wie es ist, heute jung und froh zu sein."
Ralf Steckert fasst Schlagzeilen der SZ, der FAZ und der Welt vom 23.05.2010 bis 31.05.2010 zusammen: „Ihre Besonderheit, ihre "Lenahaftigkeit" wurde an ihrer nicht "durchformatiert" wirkenden Performance festgemacht. Ihrer Ausstrahlung wurde "Frische" (unter anderem vom kurz darauf zum Präsidenten gewählten damaligen Ministerpräsidenten Christian Wulff) und "Natürlichkeit" zugeschrieben, begründet durch ihr "unbefangenes, ungezwungenes" Auftreten.
[…]"
Eigentlich hätte ich die Wucht dieser Schlagzeilen auch nach dem 03.10.2015 erwartet, nur mit umgekehrtem Vorzeichen. Aber die Lenastheniker der deutschen Qualitätsmedien schweigen. Ich habe nicht eine einzige Rezension gefunden, stattdessen einen Clip auf youtube von
Lena Meyer-Landrut am Tag der deutschen Einheit in Berlin 03.10.2015 am Brandenburger Tor, gesponsert von Coca Cola.
Live is Live?
Am 10.04.2011 haben die Musikpiraten mit einem Video-Vergleich von Probe und Auftritt in Oslo 2010 auf einen möglichen Fake ihres „natürlichen, nicht-durchformatierten“ Live-Auftritts in Oslo hingewiesen. In den 2 Videos klingt der Gesang nämlich identisch. Was nicht mal Profis schaffen, sollte einem Laien, der in 5 Jahren keinen geraden Ton gesungen hat, gelungen sein? Noch interessanter: So schnell, wie auf diesen Text reagiert wurde, wurde noch nie auf einen Text der Musikpiraten reagiert. Minimale Unterschiede in den Videos sollten als Beweis der Redlichkeit dieser Sängerin herhalten und die Kritik noch am gleichen Abend diskreditieren und zum Schweigen bringen.
Seit 5 Jahren frage ich mich, warum uns Gestümper als das Non-Plus-Ultra aufgezwungen werden soll?
Das beziehe ich nicht nur auf Lena Meyer-Landrut, sondern auch auf die überschwenglich unrealistischen deutschen Medien. Es geht nicht darum, irgendjemanden zu dissen, sondern ich ringe um normale Maßstäbe. Wären Lenas schiefen Töne die Protestnote einer selbstbestimmten Sängerin ohne Label aber dafür mit mehr Inhalt, könnte ich es als Kunst verbuchen. Aber von US-Konfektionsware made in Germany erwarte ich technisch mehr Stimmigkeit, und sei es dann nur Play-Back. Was anderes als kokett in die Kamera glotzen kann Lena nun mal nicht.
Von den Qualitätsmedien erwarte ich inhaltlich und sprachlich mehr Überzeugungskraft. Bei den Rezensionen aus 2010 wurde ja nicht mal deutlich, ob es um Musik, Tanz, Flaschendrehen oder Voltigieren ging. Die Medien-Gleichschaltung wirkte wie ein kollektives zwanghaftes Daueronanieren.
Für mich ist es offensichtlich, dass Lena Meyer-Landrut die Leistung, die ihr mit einer unmäßigen Medienkampagne, mit Rankings, Awards, Punktetabellen und Siegertiteln auf den Leib gedichtet wurde, nicht einlösen kann. Das schafft Abhängigkeiten. Auch für ihren Onkel. Auch für diejenigen, die sich mit ihrer Schwärmerei reihenweise aus dem Fenster gehängt haben. Wer will sich schon eingestehen, dass er sich von Stümpern über den Tisch ziehen lässt...?
Seit 5 Jahren beklage ich die Art und Weise, wie uns die amerikanische Musikindustrie Gestümper aufzwingt und Abhängigkeiten aufbaut
Wer sich ernsthaft für Musik und den ESC interessiert, kann Lenas musikalische Darbietungen im Vergleich zur internationalen Konkurrenz nicht wirklich als gelungen bezeichnen. Schon bei der PK in Oslo präsentierte sich ausgerechnet der Lena-Support als hämische und schadenfrohe Gruppe, allerdings wurden sie auch mit einem verhöhnenden Auftritt angefeuert. Sucht die US-Musikindustrie ihren Support nun bei den Anti-Fans? Was soll dieses verkommene Business? Und warum betont und ausschließlich im Namen Deutschlands?
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Donnerstag, 15. Oktober 2015
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