Schräge Vögel, Paradiesvögel, Spaßvögel, Vogelfederkostüme, 
Friedenstauben, Raubvögel, Krähen... beim Eurovision Song Contest alles 
schon dagewesen. Aber tote Vögel, die auf Dächer prasseln? 
Es war schon was 
Besonderes, als eine Profimusikerin wie Anouk Interesse an einer 
ESC-Teilnahme bekundete und einen „Killersong“ versprach. Ich fand es 
erfrischend, dass sie als ihre eigene Cheffin freie Hand bei der Wahl 
ihres Beitrags und ihrer Promotion einforderte. Unkonventionell war dann
 auch ihre verpennte Videobotschaft auf Facebook, in der sie ihre 
Teilnahme noch mal offiziell bestätigte. Ach ja, spätestens ab da hätte 
man es eigentlich schon ahnen müssen... 
… dass sie auch weiterhin aus dem Rahmen fallen würde. Und so wissen 
die ESC-Fans nun nicht recht, was sie von dem mit großer Spannung 
erwarteten Killersong von Anouk halten sollen.  Die meisten finden das 
Lied extrem depressiv. Eine für Europa als repräsentativ zu betrachtende
 Umfrage in den Niederlanden hat ergeben: „Homo's vinden songfestivallied Anouk niets“.
 (Die Schwulen halten nichts von dem Lied). 1/3 findet es einfach nur 
schlecht, 1/3 mittelmäßig. Das letzte Drittel findet den Song 
spitzenmäßig, aber dazu ist zu vermerken, dass den Niederländern 
mittlerweile die Sympathie nur so zufliegt, weil man sie sich endlich, 
endlich mal wieder im Finale wünscht.
Selbst Anouks schwedischer Produzent und Komponist des Liede, Tore 
Johansson, der zur alternativen Musikszene gehört und mit dem Contest 
nichts am Hut hat (ja, solche Schweden gibt es auch noch), hat sich über
 Anouks Liedwahl gewundert. Seine Meinung: „Birds is te goed voor het 
Songfestival“.
Die für Euro-Pop ungewöhnlichen Akkordfolgen erinnern mich an Musical und passen zur instabilen Stimmung, als Hörerin fühle ich mich allerdings ein wenig an der Nase herum geführt. Was mich stört, ist das Fehlen einer Climax, das mir Anouks Können vorenthält sowie der einschläfernde Rhythmus. Im Bezug zum Text bekommt der Rhythmus allerdings was Stimmiges, da es das Kreisen der Gedanken zum Ausdruck bringt.
"Birds falling down the rooftops,
Out of the sky like raindrops,
No air, no pride,
Birds."
Der von Anouk verfasste Liedtext macht mich stutzig. Würde Anouk die 
schweren Regentropfen mit herab fallenden Vögeln vergleichen, wäre das 
zwar unpoetisch, aber noch nachvollziehbar. Dass sie aber das Bild 
umdreht und das Herabfallen der Vögel auf Dächer mit dem Regen 
vergleicht, ist mir zu absurd. So weit sind wir angesichts der 
Umweltverschmutzung und Vogelgrippe noch nicht! Mit diesem grotesken 
Bild wird für mich der sanfte Beitrag zur Ironie, mit der sie sich zur 
Spaßveranstaltung distanziert. Weiter heisst es:
"If being myself is what I do wrong,
Then I would rather not be right."
Anouk will sich nicht verbiegen, auch nicht für den ESC. Und jetzt 
seien wir mal ehrlich: Welche Optionen hat sie als Frau und Profi in 
dieser Show? Mit Schwulen, Castingsternchen und Chauvinisten um 
Eitelkeit wetteifern? Wettbewerb spielen in einem Wettkampf, in dem 
alles vorab inszeniert wird? Seit Jahrzehnten wird das ESC-Business von 
den immer gleichen Männern mit ihren immer gleichen Geschichten 
dominiert, Deutschland ist da geradezu ein Paradebeispiel. Ich bin die 
einzige Frau, die regelmäßig zu diesem Thema publiziert.
Die Abstimmungsmodalitäten zeigen schon, dass diese Männer eine sehr 
eingeschränkte Vorstellung von Erfolg haben, die mit Musik nicht viel zu
 tun hat. Von deren Wunschvorstellung bezüglich weiblicher Starprofile 
ganz zu schweigen... Auch ist es ein schlechter Witz, dass die 
Wettbewerbsregeln ausschließlich von TV-Leuten in Hinterstuben 
ausgetüftelt werden. Damit wird regelrecht verhindert, dass die Musiker 
mit IHRER Musik ein aufrichtiges Feedback vom Publikum bekommen. Den 
Rest erledigt die schrittweise Abschaffung der Live-Musik. Welcher Profi
 will sich mit One-Hit-Wonder und Nichtskönner im Playbackvortrag 
messen?
Sollten also die vom Himmel herab fallenden Vögel eine Anspielung auf
 die Dominanz männlicher Paradiesvögel sein, ist ihr Song wahrhaft ein 
„Killersong“, und dass sie deren Spaßwettbewerb mit einer Art 
Kindelwiegen ausbremst, ist auf andere Art "spaßig". Aber „zu gut für 
den Contest“ empfinde ich dieses Lied nicht. Etwas mehr Power und 
Dramatik hätte dem Lied nicht geschadet. Meine 12 Punkte hat sie, aber 
bitte keine Vorurteile strapazieren, wenn für diese „gepflegte 
Langeweile“ aus Osteuropa nicht genug Anrufe kommen.
Depressives nehme ich weder im Lied noch bei Anouk Teeuwe wahr. Die 38-jährige alleinerziehende Mutter von 4 kleinen Kindern wird kaum Zeit für Depressionen haben.
Seit 17 Jahren im Musikgeschäft, setzt sie einfach nur die Schwerpunkte anders. Ihr sind die 2 Wochen Abwesenheit für den ESC in Malmö
 schon fast zu viel. Sie will die Zeit zwischen den Proben, den 
Pressekonferenzen und ihrem Auftritt für Studioarbeit am Album nutzen, 
wobei es günstig ist, dass ihr Produzent in Schweden lebt.
Ihr Verhältnis zum ESC:
 "Ik kijk meestal achteraf een beetje de hoogtepunten. Niet de hele 
show, dat is me te veel en houd ik niet vol." (Ich schaue es mir 
meistens im Nachhinein an, aber nur die Höhepunkte. Die ganze Show halte
 ich nicht aus.) Sie wird sich von einem Backgroundchor begleiten 
lassen, würde aber am liebsten alleine auf der Bühne stehen. Im Großen 
und Ganzen freut sie sich schon auf 2 Wochen Urlaub mit Freunden und 
Bekannten: "Ik zit daar met vlag en al, ik ga zwaaien ook. The whole 
shebang, anders moet je het niet doen."
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