Einen ersten Eindruck des deutschen Castings zum Eurovision Song Contest kann man auf der Homepage des NDR bekommen. Die Darstellung erscheint mir allerdings wie eine Gratwanderung zwischen Info und Ironie. Trotz Beschwörung des Professionellen sind die meisten Teilnehmer wohl zum ersten Mal bei einem Casting, einige sind sogar nur zufällig vorbeigekommen. Zitate: "Ich kann Töne treffen und könnte Deutschland würdig vertreten. Deshalb biete ich meine Hilfe an", oder "Ich entspreche dem modernen Zeitgeist".
Der Intendant des SWR behauptet, das alles sei im Sinne der Veranstalter, der Zuschauer und der Hörer. Und: "Es gibt schon knapp 1000 Bewerbungen." Dänemark hingegen muss sich begnügen mit 562 Bewerbungen. Schweden wiederum kommt auf 2860 Interessierte (Angabe ohne Gewähr).
Werbung dieser Art nehme ich sonst nur wahr, wenn mal wieder hinter vorgehaltener Hand über zahlreiche Bewerbungen bei einem Unternehmen fürs Assessment-Center berichtet wird. Das soll im Sinne der Zuschauer sein? Oder sind mir die letzten gesellschaftlichen Veränderungen entgangen? Sollen gar Brigaden von Casting-Teilnehmern aus europäischen Ländern vom Kombinat der EBU auf der "Straße der Besten" für ihre Verdienste gekürt werden? Spaß beiseite. Solch eine Inszenierung von Massenkult und Massenvermarktung passt einfach nicht zum sonst bejubelten Elitenideal und Geniekult.
Ein Herz für Musiker?
Mitnichten. Mit solchen Zahlenangaben meinen die Organisatoren sich selber. Castingshows, das sind immer noch die anderen, die Unterschicht. Oder sind die Organisatoren durch ein Casting an ihre Jobs gekommen?
Es ist sogar davon auszugehen, dass zwischen all den Sparkassenangestellten und Hartz-IV-Empfängern sich auch praktizierende Musiker bewerben. Ich kann es sogar verstehen, ist es doch eine einmalige Chance auf einen Aufstieg. Nur dass ein Musiker sich mittlerweile bewerben MUSS, weil sogar der gebührenfinanzierte Rundfunk ihm vormacht, dass es sonst keine Karriereprofile und Betätigungsfelder mit Aufstiegschancen gibt, finde ich schlimm.
Wo gerne bei der Bildung gespart wird, bleibt vor allem der Musikunterrricht und die Musik auf der Strecke. Aber immerhin profitieren alte Männer davon: Ob Schweden, Dänemark, Deutschland, NDR, Raab oder Simon Rattle... sie können sich als Wohltäter und damit - in ihrem bürgerlich elitären Verständnis - als die wahren Stars feiern lassen.
Wehe nur, die Jugend geht auf Distanz und weiss sich zu helfen...
Donnerstag, 8. Oktober 2009
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