Da sich das Paradebeispiel mal wieder auf das Thema Eurovision beschränkt, bleibt deutschen Intellektuellen das von der BILD angezettelte Propaganda-Debakel unbekannt. Dafür bekommen allerdings die Veranstalter in der Ukraine sowie ESC-Fans in ganz Europa mal einen Einblick in die Funktionsweise transatlantisch gesteuerter Propagandamedien aus Germany. Oder auch nicht.
Fakt ist:
Es geht um eine Trivialität, die politisch aufgebauscht wird. Nämlich: Die Ukraine hat finanzielle, organisatorische und sicherheitstechnische Probleme, die die Ausrichtung des ESC in 2017 gefährden "könnten". Daraus allerdings den Rückschluss zu ziehen, der ESC werde stattdessen in Russland ausgetragen, entbehrt jeglicher Grundlage. Am 08.12.2016 informiert ESCKAZ auf Twitter: "If there was any doubt, @EBU_HQ confirmed today that #ESC2017 will take place in #Ukraine".
Um Fakten geht es bei Propaganda nicht
Auslöser ist ein BILD-Bericht über die schleppenden Vorbereitungen des ESC in Kiew, die zur Folge hätten, dass die Austragung des ESC auf Russland übertragen werde. Das wird von vielen interessiert aufgegriffen. Beispiele NDR und Sputnik.
Wie immer hat das Portal ESCKAZ auf seiner Facebook-Seite vom 04.12.2016 am gründlichsten herausgearbeitet, dass der BILD-Artikel gespickt ist mit Ungenauigkeiten und Unwahrheiten. Weiterhin informiert uns das ansonsten informative Portal ESCKAZ, dass das russische „Staatsmedium NTV“ die Schlagzeile sofort und mal wieder für eigene Zwecke ausgeschlachtet habe. Dabei wird für meinen Geschmack nicht deutlich genug darauf hingewiesen, dass nicht nur russische Medien das Thema ausschlachten, und dass es sich bei der Reaktion von NTV nur um Spott in einer Comedy-Show handelt.
Und so bekommt die negative Darstellung der Ukraine auf versteckte Art auf einmal 2 Urheber.
Den Rest erledigt die taz
Indem sie das BILD-Märchen von hinten aufziehen, behaupten sie einfach, es gäbe einen Streit zwischen Ukraine und Russland um die Austragung des ESC. Damit unterstellen sie den Russen diesbezügliche Ambitionen, die dann aber nicht belegt werden. Dem ahnungslosen Leser wird suggeriert, dass nicht die Ukraine oder gar Deutschland, sondern Russland der Urheber negativer Fake-News über die Ukraine ist. „Russische Propagandasender wie RT oder Sputnik sahen sich schon siegessicher.“
So wird aus NATO-Propaganda russische Staatspropaganda
- Verwirrung, Streuung: Die von einer deutschen Zeitung in die Welt gesetzte umstrittene News wird von anderen Medien und Laien aufgegriffen und mit weiteren unbewiesenen Details, Meinungen und Wünschen aufgepeppelt, bis irgendwann Russland als Aggressor und Urheber der Schlagzeilen wahrgenommen wird. Ob Russland Verursacher ist oder ob seine Medien auch nur reingelegt wurden, wird irgendwann uninteressant.
- Als Aggressor Unschuldigkeit vortäuschen: Mit dem Täuschungsmanöver eines Tralala-Contest kann mit Blödsinn Insider-Wissen vorgetäuscht werden, dann testet man in einem überschaubaren Rahmen, wie und ob so etwas ankommt. Wer in dieser Trivialität ernste Absichten vermutet, macht sich schnell zum Verschwörungstheoretiker.
- Feind diskreditieren: Zusätzlich zu den Verschwörungstheoretikern wurden auch russische Medien zunächst als gefährliche Propaganda diskreditiert und damit als glaubwürdige Quelle ausgeschaltet. Danach kann man ungestört genau das machen was man den Russen zuvor vorgeworfen hat: Propaganda.
- Zur Positionierung zwingen: Der Sieg der Ukraine beim ESC 2016 war von der NATO geplant. Schon in der Vorbereitung wurde zur Positionierung aufgefordert, die Medien im Westen berichteten einstimmig pro-ukrainisch, Russland und ESC-Kritiker wurden in die Defensive getrieben. EBU und NATO-Länder setzten daraufhin die Forderung nach Sieg wie Geisel brav um. Die Fake-News der BILD ist dieser Strategie zuzuordnen.
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