Montag, 24. Mai 2021

I don‘t feel hate, I just feel Häme

 … nicht wegen Jendrik, sondern wegen der ESC-Experten der ARD, die dieses Lied als deutschen Eurovisionsbeitrag ausgewählt haben. Wie zu erwarten landete der ESC-Song „I Don‘t Feel Hate“ auf Platz 25. In einem Interview von ESC-Kompakt gleich nach der Niederlage distanziert Jendrik sich dann auch von diesem Lied mit den Worten „Ich glaube, „I Don’t Feel Hate“ war dieses Jahr ein Song, wo ich wusste, der wird von den deutschen Jurys ausgewählt. Ein bisschen hinterhältig, ne?“

Er gesteht also, dass er es als Auftragsarbeit angesehen hat, mit der er den Geschmack der Experten-Jury zu bedienen wusste. Genauso hatte ich mir das gedacht. Aber warum gesteht er sich nicht ein, dass er den sog. Experten doch auch irgendwie vertraut hat? Und dass er sich von diesen Autoritäten mit einem Gesinnungslied bewusst in die Sackgasse hat locken lassen? 

In dem chaotischen Interview wirkt er wie traumatisiert und genauso naiv, wie er sich kurz zuvor in seinem albernen Beitrag der Welt präsentiert hatte. Wie sollte es auch anders sein, da er in diesem bösen Spiel über keinerlei Druckmittel verfügt und Einfalt, Wehrlosigkeit und blindes Vertrauen in dubiose Experten zur Normalität geworden sind. 

Über die Durchsichtigkeit seines gewaltwitzigen Liedes schrieb ich bereits, die Kommentare auf der Facebookseite der "Welt" des von diesem Beitrag überrumpelten deutschen Publikums fielen entsprechend köstlich aus: 

„Aber immerhin haben wir so die Briten 3:0 geschlagen & das mit Hilfe der Österreicher. Sowas muss man auch erst mal hinbekommen…“ 

„Ganz Europa den Mittelfinger zeigen und sich dann wundern, dass man keine Punkte bekommt. Manchmal habe ich das Gefühl, dass Deutschland der Realität immer weiter entrückt. Dieser Auftritt ist symbolisch hierfür.“ 

„Als Zuhörer bekam man den Eindruck man wäre ein KITA Kind das zu gutem Verhalten ermahnt wird.“ 

Die grauen Eminenzen der ARD, die diesen verlogenen Beitrag bevorzugen, dürften von gleicher hasserfüllter Gesinnung sein wie solche, die Oma als Umwelt- und Nazisau belächeln oder die einem Xavier Naidoo die Teilnahme am ESC verbieten, indem sie ihn als verschwörungstheoretisch, homophob, rassistisch und als antisemitisch diskreditieren.  Für diese anonymen, einflussreichen Experten der ARD – und nur für sie – folgender Spott-Tweet auf Twitter am Abend des ESC-Finale: 

Hitler is now the 2nd worse thing to come out of Germany. #Eurovision 

 

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Samstag, 15. Mai 2021

Ein Lied für die weggesperrte Menschheitsfamilie

Angesichts Trübsinn, Abstumpfung und Entsolidarisierung zaubert die bulgarische Sängerin Victoria (Wiktorija Georgiewa) im trivialen Rahmen des Eurovision Song Contest für das weltweit eingesperrte Publikum einen kleinen Geniestreich auf die Bühne. Sie verzichtet auf übliche Phrasendrescherei und Appelle an Haltung und Gesinnung, stattdessen nehmen wir Teil an dem schmerzhaften Prozess des Reifens einer jungen, verletzlichen Frau. Mag man es für kitschig halten, kalt lässt es einen nicht. 

Victoria fordert Empathie und Fantasie heraus
Als Beispiel eines der vielen Reaction-Videos von ESC-Fans weltweit zu Victorias Musikclip:



Musikclip
„Growing Up Is Getting Old“
heißt der Songtitel. Das klingt bedrückend, ich fühle spontan, wie mir die Lebenszeit wie Sand durch die Finger geronnen ist. Mit dem Word „old“ assoziiert man Gebrechlichkeit, Überflüssigkeit, denn was alt ist, ist in unserer Gesellschaft verpönt. Aber sieht das die Sängerin überhaupt so? 

In ihrem Musikclip verfolgen wir, wie sie sich mit alten Spielsachen und Familienfotos umgibt. Untermalt mit einer melancholischen Melodie und einer fast weinerlichen Stimme sehen wir Victoria als Baby, als kleines Kind auf dem Arm des Vaters, was eine für den ESC ungewohnte Intimität erzeugt, die verstummte oder gar vergessene Saiten in uns zum Schwingen bringt. Dann wird der Sound voller und lauter, Victorias Stimme wird fester, was nach Mut und Entschlossenheit klingt. Älter werden bedeutet schließlich auch erwachsen und unabhängig werden. 

#Aufstehen ist das Gebot der Stunde
Im Musikclip gibt es eine weitere Ebene, die über das Familiäre hinausgeht. Mit dem Einblenden einer offiziellen Absage des ESC 2020 wird auf den Corona-Lockdown angespielt. Victoria, die schon 2020 für Bulgarien antreten sollte und sogar zu den Top-Favoriten zählte, bleibt nun frustriert auf ihrem Koffer im Kinderzimmer sitzen. Nach 1 ½ Jahren Corona-Maßnahmen assoziiert man die Enge der Räume, die gestreifte Tapete, den Fernseher als einzige Verbindung zur Außenwelt automatisch mit Ausgangssperre, Quarantäne, Freiheitsberaubung. Ein junger Mensch wollte voller Tatendrang hinaus auf die Bühne des Lebens, sich dem Wettbewerb stellen, auf eigenen Füßen stehen und erfolgreich sein – und wird dann wie Millionen anderer Menschen von sog. „Erwachsenen“ für unmündig erklärt, eingesperrt, eingeschüchtert, abgeschrieben. 

„Wir beobachten eine radikale, gewaltsame ‚Entzauberung der Welt‘: Alles, was das Leben lohnend macht; alle kleinen Freuden und Narrheiten; alles, was nur auch ein wenig Unterbrechung der Alltagsmechanismen und -ökonomien verspricht und den Menschen Gefühle der Sourveränität und der Solidarität verschaffen könnte, soll beseitigt werden“. (Rober Phaller, Erwachsenensprache, 2018, S. 204). Auf dass wir nicht reifen, sondern einfach nur alt werden… 

Wir stehen mit Victoria am Abgrund
Die erste Performance-Probe am 11.05.2021 muss umwerfend gewesen sein, wie beispielhaft aus den Worten von bekannten ESC-Influencer vor Ort deutlich wird: 

 

Victoria allein auf einer Felsenklippe im Meer, über ihr der Sternenhimmel, lässt uns am psychischen Prozess des Loslassens und Reifens teilnehmen.

I’m torn by nervous system’s aching
Growing up is getting old
Anxiety is draining
Getting up is growing old. 

Was tun angesichts Ungewissheit und Ohnmacht? Victoria ist zuversichtlich: 

If your world is breaking
And growing up is getting old
Know that you’re worth saving
And getting up is all you’ve got

 

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Donnerstag, 11. März 2021

Wer andern eine Grube gräbt… Deutschlands Beitrag zum ESC 2021 von Jendrik Sigwart

Ich finde Jendriks Beitrag zum ESC humorlos, freudlos und hinterhältig, und Jendrik scheint seinen ganzen Einfallsreichtum eingesetzt zu haben, damit genau diese Feststellung nicht niedergeschrieben wird, und wenn, dann sofort diskreditiert werden kann. 

Jendrik wirkt auf mich aufgedreht und selbstvergessen wie ein „puppet on the string“, der Auftragsarbeit abliefert. Im Folgenden geht es darum auch nicht um die Person Jendrik sondern um diese Art Eurovisions-Auftrag.

Obwohl das Lied sehr altbacken klingt, ist es sehr eingängig, und Jendrik unterstreicht dies mit Ukulele und schwungvoller Tanzeinlage. Leider verknüpft er diesen Schwung mit dem Dauerbekenntnis, keinen Hass zu fühlen. Ist also das Gegenteil von Hass neuerdings besinnungsloser Spaß? Und wenn ja, warum lacht dann keiner? 

Angesprochen auf seinen Song in einer ARD-Talkshow nimmt er die Perspektive des Rezipienten vorweg und thematisiert sogleich Titel und Botschaft. Er sowie NDR und überhaupt alle scheinen es pfiffig zu finden, dass die Message des Songs polarisiere. Polarisieren bedeutet aber, das Wahrnehmungsspektrum auf 2 Pole zu beschränken und diese aufeinander zu hetzen. 

Geht man erstens tatsächlich davon aus, dass es Menschen gibt, die sich für den Hass aussprechen? Und muss zweitens die andere Hälfte auf der „richtigen“ Seite jetzt brav dem Gefühl des Hasses einfach seine Diskurswürdigkeit und Legitimation absprechen? Tatsächlich produziert Jendrik mit Polarisierung genau das, was er vorgibt ausmerzen zu wollen. Und diese hässliche Wirkung soll das nun das Gegenteil von Hass sein? 

Verordneter Infantilismus und Un-Logik der Identitätspolitik

 
 

Im Video treten plakativ Vertreter von Minderheiten auf – wohl gemeint als typische von Hass gekränkte Beleidigtengruppen. Entsprechend der Un-Logik der Identitätspolitik und ihre auf Entsolidarisierung angelegten Provokationen fungieren sie wie Geisel, durch deren Vereinnahmung man sich in allen Formen von Wettkampf (so auch in Politik und Wirtschaft) einen Vorteil zu verschaffen versucht. 

Linientreue im Sinne eines dem Niedergang geweihten Militainments 

Comic-Figur mit Ladenhüterlied als Verfechter des Gutmenschtums ist per se unanfechtbar, 

dann vertausche man die Begriffe Geschmack und Meinung, 

projiziere die eigene Beschränktheit und Frustration auf das Publikum 

und liefere den ahnungslosen, ehrlichen Kritiker im gelenkten social media einem Shitstorm aus. 

Das Ergebnis ist so verblüffend entlarvend, dass sich Verfechter der PC und der Identitätspolitik ertappt fühlen dürften. Anders ist das Stammeln und Schweigen in den Medien um diesen Beitrag nicht zu erklären. 

 

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