Sonntag, 18. November 2012

Schweden - Die Kette der Demütigungen

Schweden steckt in den Vorbereitungen zum ESC 2013, die Neuigkeiten zur Show kommen bislang in der Fangemeinde nicht gut an. Dass statt Stockholm nur das kleine Malmö mit einer kleinen Halle Austragungsort sein wird und dass man die Anzahl der Moderatoren auf 1 reduziert hat, wird im Allgmeinen als Publikums-feindlicher Sparkurs aufgenommen. 

Neuen Meldungen zufolge wird auch die Startreihenfolge der Interpreten nicht mehr durch das Los, sondern durch die Produzenten bestimmt. Begründung: „"We want to make great television. For our viewers, but also for the participants. Allowing the producers to determine the running order will help to make more exciting television shows and allows each contestant to stand out, instead of being surrounded by entries in similar style or tempo," says Jon Ola Sand, Executive Supervisor of the Eurovision Song Contest on behalf of the EBU.” Fans hingegen sehen darin einen Missbrauch der Chancengleichheit und des Wettbewerbs. Sie „klagten über Willkür bei der Auslosung und starteten neben diversen Kommentaren auch zugleich eine Online-Petition."

Auch die beliebten Fantickets für die 3 Shows haben seit neuestem einen Haken: Es gibt für Fans nur noch Stehplätze.

Dem normalen TV-Zuschauer, der sich dieses Spektakel nur einmal im Jahr für 3 bis 4 Stunden rein zieht, wird das egal sein. Der ESC wird wohl wie ein 4-stündiger glamouröser Hollywood-Märchenfilm an ihm vorbei rauschen, präsentiert vom immer gleichen Märchenerzähler, der nicht nur moderiert, sondern sich sicherlich auch in die Präsentationsclips einzelner Länder hinein schleicht und wer weiss, was noch... Das muss als TV-Show nicht schlecht sein, offen gestanden hätte ich mir so etwas auch schon in Deutschland mit Hape Kerkeling vorstellen können.

Man focussiert nur noch die mediale Vermittlung und erteilt dem Hallenpublikum, das reduziert und mit Stehplätzen abgestraft wird, eine klare Absage. Dass dies zugleich auch eine Absage an die vielen organisierten Fans und Schlachtenbummler ist, kann auch folgende Eilmeldung nicht vertuschen: „Fans to be a focal point in Malmö“. Die Einbindung der Fans wird jedes Jahr aufs Neue behauptet, selbst in Baku hätte ich Loreen vom Bühnenrand aus am Kleid zupfen können.

Für mich ist dies nur eine weitere Regeländerung, die nach der Wiedereinführung der Jury und den Regelverletzungen gegen Teilnehmerland Aserbaidschan den Wettbewerb noch mehr zur Farce macht. Von einer Neuerung kann man auch nicht sprechen. Beim Contest 1963 wartete man zwar mit großartigen Stars auf, aber dies ohne Live-Gesang und ohne Saalpublikum, wodurch die Sendung wirkte wie „Musik aus Studio B“.

Vielleicht sollte man endlich die Konsequenz ziehen und den Wettbewerb zugunsten eines Gala-Abends abschaffen. Bei genauerem Hinsehen wirken die Siege ohnehin nur noch abgesprochen. Obwohl ich keine Hellseherin bin, wusste ich genau, dass Loreen gewinnen würde. Und nicht nur ich, sondern auch die türkischen Organisatoren wunderten sich über Loreens Pressekonferenz, welche entgegen jeder Gewohnheit bereits VOR dem Sieg gegeben wurde.

Zudem deutet einiges darauf hin, dass die Skala von Platz 1 bis ca. 45 als Druckmittel gegen solche Länder und Interpreten eingesetzt wird, die sich der Westpropaganda entziehen. Auf Loreen wurde von Menschenrechtlern Druck ausgeübt. Weiteres Beispiel: Engelbert, dem seine freundschaftliche Nähe zum aserbaidschanischen Präsidentenschwiegersohns zum Verhängnis wurde. Auch Engelbert bezieht, wie eine belgische Seite zitiert, sein schlechtes Abschneiden nicht auf seine Leistung: "Songfestival is een grotegrap!" (ein schlechter Witz) „Het Songfestival is een politiek gebeuren geworden, waarbij de jury’s niet zozeer met de kwaliteit van de liedjes bezig is, maar met de landen.“ 

Auf sonderbare Weise beschleicht mich aber auch eine Art Schadenfreude. Deutschland und Schweden haben sich in ihrer gemeinsamen Hetzkampagne gegen Aserbaidschan geradezu überboten, aber die Aserbaidschaner haben gut gegen gehalten. Sie haben die Vorurteile aufgegriffen, getoppt und das von Krisen geschüttelte Westeuropa in seine Grenzen zurück verwiesen. Ganz Baku war eine Eurovisionsbühne auf der wir Fans auf Händen getragen wurden. Nein, so einen grandiosen Eurovision Song Contest wie in Baku wird es so schnell nicht mehr geben. Noch imposanter als die Shows war allerdings das 150%-ige Sicherheitskonzept der Aserbaidschaner - und das war, wie es scheint, wohl auch zwingend notwendig.

Es sind die Deutschen und die Schweden, die mit ihrer Politisierung und ihrer dauerhaften Umschmeichelung des Chauvinismus die Büchse der Pandorra geöffnet haben. Der zur Schau gestellte Sparkurs, der Rückzug vor den Fans und die zunehmend auf die mediale Vermittlung reduzierte künstliche Show werden nicht zuletzt auch damit zusammen hängen.


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