Samstag, 20. Mai 2017

Hat Putin das Ergebnis beim Eurovision Song Contest 2017 manipuliert?

Hat Putin schon vorab gewusst, wie Deutschland scheitert? Hat Putin den Sieg Portugals überhaupt erst möglich gemacht? Hat Putin gar das ESC-Abstimmungsergebnis beeinflusst? Warum ist das für westliche Medien verdammt noch mal kein Thema? 


Der einzige Journalist, der den vorletzten Platz für Deutschland präzise vorhergesagt hatte, war Reza Abadi vom „Putin-Sender“ RT-Deutsch einen Tag vor dem Finale, und das als offensichtlich desinteressierter Eurovisions-Hater. Siehe im Video ab 18'00, genauer 20'18:



Abadi begründet den Rückzug Russlands und die Verweigerung der TV-Ausstrahlung mit Putins Klugheit. Klug, weil Putin damit seine Bevölkerung vor schlechter Musik schütze. Das sehe ich anders, denn so gut war Putins zurückgezogener Beitrag nun auch nicht.

Kannte Putin das Erfolgskonzept für 2017?
Mit Yulia Samoylova nominierte Russland eine am Rollstuhl gebundene Sängerin. Ihr Lied „Flame is Burning“ ist eine altmodische 60er-Jahre-Schnulze. Aufgrund fehlender Englischkenntnisse lallt sie den Text mehr als dass sie ihn singt. Und bereits vor dem Contest suchte sie medizinische Experten im Westen auf, so dass auch sie möglicherweise wegen Arzttermine nicht an den Proben in Kiew hätte teilnehmen können.

Groteskerweise hätte sie damit genau dem Erfolgskonzept des Portugiesen entsprochen. Auch Salvador Sobral wimmert eine abgedroschene Schnulze, auch er ist schwer krank und konnte deswegen nicht an den Proben teilnehmen. Ähnlich wie Putin im Fall Samoylova wird auch dem Portugiesen Sobral eine Instrumentalisierung seiner gesundheitlichen Schwächen vorgeworfen.

Hat Putin Portugal kulanterweise den Vortritt gelassen?
Russland zog seinen Beitrag zurück, ermöglichte es damit Portugal überhaupt erst den Sieg? Vorstellbar wäre es. Vielleicht hat Putin die Attacken rund um die Eurovision langsam satt.

Mit Portugal gewann nun das westlichste Land Europas, weit, weit weg von Ländern, in denen man die Bevölkerung hätte spalten und gegen Russland polarisieren können, in denen Farbrevolutionen und Regime Changes denkbar wären wie Moldawien, Bulgarien, Rumänien, Ungarn, Weissrussland, Armenien, Aserbaidschan, Montenegro, Mazedonien, Serbien, Slowenien…

Putin, Putin, Putin


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Sonntag, 14. Mai 2017

Portugals Siegerbeitrag repräsentativ für ein impotentes, alterndes Europa?

Glanzloser Sieger, spannungsloses Voting und zähe Show, das war der Eurovision Śong Contest 2017. Sieger und Song dürften niemanden wirklich vom Hocker reißen, aber sie tun auch niemandem weh. Entscheidender dürfte sein, dass nach den leidigen Querelen Russland/Ukraine alle aufatmen, weil dies für’s erste überstanden ist. Ich glaube behaupten zu dürfen, dass Portugal als Austragungsort 2018 der langersehnte Traum aller ESC-Fans ist. 

Aufgrund einer Herzkrankheit konnte der neue ESC-Sieger Salvador Sobral aus Portugal nicht an den Promo-Aktivitäten und Proben teilnehmen und schien nur wie zufällig beim ESC in Kiew vorbei zu schauen. Wozu proben? Ohne Proben lieferte er einen tiefenentspannten und dementsprechend körperlich unkontrollierten Auftritt ab ohne technische Spielereien und mit einem Lied, das sich wie ein unverkäuflicher Restposten einer Schellackplatte anhörte. 

Twitter: Omma ist eingenickt und fragt im Halbschlaf wann die DDR auftritt. Mein Gott, was denkt sie wie lange sie geschlafen hat? #esc2017 
Europa dämmerte am Abend des 13.05.2017 wie Omma diesem Sieg entgegen und schien gar nicht zu bemerken, dass der Herzkranke sonderbarerweise die Spannung beim Voting verdammt gut verkraftete. Das Publikum hatte sich sein verstaubtes Lied als “sensationellen Jazz” unterjubeln lassen. Kommentatoren interpretierten seinen nachlässigen Gesang und seine Zuckungen als “Authentizität”. Und prompt verstummte der Saal vor lauter Ehrfurcht und man sah Gesichter, denen “wie im Rausch” die Tränchen über die Wangen rollten… 

Die Diskrepanz zwischen Realität und Worthülsen war selten grotesker
Möglicherweise passen diese Worthülsen genauso wenig zum Interpreten wie der Interpret zum ESC. Sobral nach seinem Sieg: „Wir leben in einer Welt völlig austauschbarer Musik – Fast-Food-Musik ohne jeden Inhalt. Musik ist kein Feuerwerk. Musik ist Gefühl. Lasst uns versuchen, etwas zu ändern und die Musik zurückzubringen”. Das macht ihn sympathisch. Aber voilà! Was hat jemand mit dieser Einstellung beim ESC verloren? 

Salvador Vilar Braamcamp Sobral  
1989 in Lissabon geboren, abgebrochenes Psychologie-Studium, danach Jobs auf Mallorca und in den USA, um sich seinem Hobby Musik widmen zu können. Erst die Teilnahme an einer Casting-Show in 2009 macht ihn als komischen Kauz mit einer Vorliebe für lateinamerikanische Musik bekannter. 

Der Express berichtet: „Sein Urgroßvater war ein Graf. Und dessen Tante hatte den Sprössling einer deutsch-portugiesischen Nebenlinie des Hauses Oldenburg geheiratet – aus der Linie (Achtung!) Schleswig-Holstein-Sonderburg-Beck. Einer seiner Vorfahren wiederum kam aus dem Hause Hohenzollern. Das Geschlecht also, das deutsche Kaiser und Könige hervorbrachte.“ 

Die Niederländer weisen stolz auf seine niederländische Abstammung hin: „Salvador Vilar Braamcamp Sobral, zoals hij voluit heet, stamt af van de Rijssense familie Braamcamp. Gerrit Braamcamp, de beroemde 17e-eeuwse Nederlandse kunstverzamelaar, is bijvoorbeeld familie van hem“.  

Sobrals Deplatziertheit beim ESC wurde ihm vor allem von den Experten und Juroren der Rundfunkanstalten hoch angerechnet 
So hoch, dass man ins Grübeln kam. Jahr für Jahr aus dem Boden gestampfte Play-Back-Kunstprofile mit schwedischen oder anglo-amerikanischen Popsongs und ausgefeilte Bühnentechnik für die TV-Zuschauer – und dann schwärmen sie geschlossen von einem schlichten Auftritt à la Sobral.

Sie inszenieren ein intransparentes, nicht mehr nachvollziehbares Voting, bei dem sie dann alle alle alle das Gleiche wählen. Das war langweilig und wirkte abgesprochen, als wäre Portugal plötzlich der letzte Strohhalm der EBU. 

Oder banaler: Wurden die Juroren einfach nur von Wettbüros bestochen, welche zuvor mit geschickter PR die ganze Aufmerksamkeit auf Italien gelenkt hatten? 

Kritik an Flüchtlingspolitik und Musikindustrie 
Mir ist der portugiesische Adelsspross erst aufgefallen, als er sich in der PK und bei der Eröffnungssequenz im Finale für ein unkontrolliertes Refugee-Welcome aussprach, und sich damit klar positionierte. Auch kritisierte er die Musikindustrie, die aus Kunst ein Wegwerfprodukt mache. Alles natürlich ohne Argumente, sondern nur so aus einer Gefühlslage heraus. 

Erinnert sich jemand an die Band Homens da Luta?  
2011 schickten die Portugiesen die Band Homens da Luta mit dem Song “Der Kampf ist die Freude” zum ESC nach Düsseldorf. Ihnen ging es auch um europäische Belange. Aber leider nicht um die der neoliberalen Machteliten, sondern um die der Bevölkerung. Damit erreicht man nicht mal das Finale. Begründungen waren: Landessprache, Lied zu schlicht und zu altmodisch, Klamotten unmöglich, zu wenig ausgefeilte Bühnentechnik.


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Samstag, 13. Mai 2017

Levina nutzte die Zeit vor dem ESC in Kiew - vergeblich oder mit Erfolg?

Da Deutschland beim ESC bekanntlich ein Abo auf den letzten Platz hat, ist die Karriere der Damen, die sich als Prellböcke zur Verfügung stellen, bereits beendet, bevor sie eigentlich begann, nämlich mit dem ESC-Finale. Meist kommen sie aus dem Nichts, liefern vor dem ESC ein paar flaue Schlagzeilen und verschwinden dann wieder von der Bildfläche. 

Über einen letzten Platz in Folge würde sich 2017 kaum noch jemand wundern 
Wenn ich die Aktivitäten, Facebook-Eintragungen und Marketing-Texte der deutschen Delegation der letzten 2 Wochen in Kiew an mir vorbei rauschen lasse, wundere ich mich über deren unermüdlichen Fleiß, denn dieser steht in keinem Verhältnis zu den seit Monaten bekannten Umfrageergebnissen, den Wettquoten und den Einschätzungen aller Fans und Konsumenten. Die sehen Levina abgeschlagen am Ende des Rankings. Seit Kiew wird zusätzlich zum belanglosen Lied auch das Amisch-Outfit von Levina, ihre Oma-Haarfrisur und ihr graues Bühnenbild kritisiert. Statt das belanglose Lied aufzuwerten, hat man quasi noch eins drauf gesetzt. 

Und dabei ist Levina die erste deutsche Vertreterin, die sich den üblichen Eurovisions-Promo-Aktivitäten mal nicht entzogen, sondern sogar eine Tour durch Europa gemacht hat. So trat sie bei den Promo-Pre-Event-Shows in London, Israel und Amsterdam auf – und machte ihre Sache sehr gut. Aber auch dabei gab es zwei Haken: 

1. Celebrate Conformity auch in der Vermarktung 
Bislang hatte ich diese Pre-Event-Shows gerne mitverfolgt. Es war wie das Stöbern in der Regenbogenpresse beim Frisör. Bedauerlicherweise hat sich auch hier ein Schematismus eingestellt, der nur noch Langeweile erzeugt. Immer die gleichen Abläufe, die gleichen Interviewer, immer die gleichen Fragen, die gleichen stereotypischen Antworten, das gleiche Gehabe. Alle werden nach dem gleichen stromlinienförmigen Profil vermarktet – und müssen zudem auch noch jedes Jahr Friedensbäumchen pflanzen in Israel. 

2. Celebrate Conformity mit dem Militär 
Interessanter wird es, wenn ich mir die Länder anschaue, die die deutsche Levina vor dem ESC besucht hat. Ich kann mir nicht vorstellen, dass der NDR sich das allein ausgedacht hat. Zu den Ländern zählen Georgien, Armenien, Mazedonien, Albanien, Ungarn. Da kann ich nur noch polemisch fragen: War sie etwa als Botschafterin der NATO unterwegs? 

Wie an den youtube-Clips zu sehen ist, hat Levina auch in diesen Ländern einen guten Eindruck hinterlassen. Zudem hat die Ukraine bewiesen, dass die Zusammenarbeit mit der NATO beim ESC erfolgsversprechend ist. Vielleicht darf die deutsche Delegation in Kiew mit Levina nun doch noch auf ein paar Punkte und eine bessere Platzierung hoffen…?


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Donnerstag, 4. Mai 2017

Kreativste Arbeit beim ESC leisten dieses Jahr Fans mit fantastischen Interpretationen - Beispiel Aserbaischan

In einem ESC-Jahrgang der gleichförmigen Formatradiomusik glänzen einige Fans mit hervorragenden Liedinterpretationen. Ich finde sie vor allem beim Beitrag von Dihaj aus Aserbaidschan gelungen.

Aserbaidschans Song „Skeletons“ 
ist musikalisch unverdächtiger moderner Elektro-Pop der Sängerin Diana Hajiyeva, die sich gemeinsam mit ihren Kollegen Anar und Ali auch als „Dihaj“ bezeichnet. Diana erhielt ihre musikalische Ausbildung an der „Baku Academy of Music“, die sie in London abschloss: „She began producing experimental music while attending The Institute of Contemporary Music Performance in London“. Für ESC-Fans ist sie keine Unbekannte, da sie bereits 2016 als Background-Sängerin sowie 2011 an der aserbaidschanischen Vorentscheidung teilgenommen hat. Viel mehr weiss man nicht über sie, sie macht – passend zu ihrem Lied - insgesamt einen sehr aparten, extravaganten Eindruck

Persönlich habe ich einen Faible für aserbaidschanische Beiträge entwickelt, denn mit wenigen Ausnahmen haben sie immer eine ganz eigene, persönliche Note, die vor allem durch die Texte zum Ausdruck gebracht wird. Sie verlassen sich auch meistens auf die gleichen Komponisten und Autoren, wie z. B. Sandra Bjurman und Isa Melikov. Ich erinnere nur an den bedeutungsschweren Text „When The Music Dies“ aus 2012, nachdem das Land anlässlich des ESC-Sieges 2011 ins Visier der Regime-Changer und Farbrevolutionäre geraten war. 

Natürlich habe ich auch nach dem tieferen Sinn des Liedes „Skeletons“ gesucht. Kaum ein Fan kann mit dem Text etwas anfangen. Um so erfreuter war ich über 2 fantastische Interpretationen junger ESC-Hardcore-Fans, die ich hier wortwörtlich wiedergebe.*

Besingt Dihaj mit „Skeletons“ eine Hassliebe? 
„Im Englischen gibt es den Ausdruck "Skeletons in the closet", das soviel wie "Leiche im Keller haben" bedeutet, wenn jemand düstere oder peinliche Geheimnisse hat. Wenn man nun den Rest des Liedes im Zusammenhang sieht, erkennt man, dass das lyrische Ich sich in einer nicht rationalen, sehr leidenschaftlichen Liebe befindet. Sie schwebt in leidenschaftlichen Erinnerungen in Tagträumen, in Fantasie, etc. Im Refrain singt sie dann, dass ihr Liebhaber "have my skeletons" haben kann = Er darf ihre Geheimnisse kennen, er darf daran teilhaben. Das lyrische Ich geht weiter "have my lungs" = Der Liebhaber kann ihre Lunge (= Atem) haben. Sie gibt ihm etwas Elementares zum Leben, so sehr liebt sie ihn = nicht-rationale Liebe. Dann singt sie "have my millions" = Also quasi auch das ganze Geld würde sie ihrem Liebhaber geben. Aber es ist eine gefährliche, irrationale Liebe und sie möchte entfliehen, kann es aber nicht. Durch diese im Refrain gewählten Metaphern drückt sie nur aus, wie ungesund diese Beziehung für sie ist, denn sie verzichtet auf ihre Freiheit, Identität, lebensnotwendige Luft, Ersparnisse und verfällt einem bösen Buben. Das ist zumindest meine Perspektive und ich wollte sie mal mit Euch teilen, da ich schon des Öfteren gelesen habe, dass "Skeletons" keinen Sinn ergibt. Für mich ist es textlich definitiv eines der besseren Lieder des Jahres.“ 

Mein Fazit: Aserbaidschan verlässt die mit Wir-Appellen und Geselligkeits-Worthülsen demonstrativ zur Schau gestellte Naivität angepasster Stars und Aktivisten. Stattdessen problematisieren sie den eigenen Standpunkt und nehmen die Perspektive der „falschen Freunde“ ins Visier. 

Performance mit Mafia-Symbolik?
Wenn schon der Text auf breites Unverständnis stieß, scheint die Performance mit Mafia-Symbolik die Verwirrung komplett zu machen. Nicht ganz unzutreffend urteilte ein Fan: „Das ist doch wie das Abendprogramm auf arte!“


Auf facebook fand ich eine anregende bis stimmige Interpretation zur Performance, die auch mit der Textinterpretation übereinstimmt. 

„The room represents complex self-destructive relationships, inner barriers and hidden truths — the skeletons. A man wearing a mask serves as a “bad boy” with a symbolic ladder showing the emotional distance between the two lovers. Our heroine, being a strong woman, eventually overcomes her self-destructive feelings. The walls come down, as well as the bad boy’s mask. He’s prepared to reconnect with her, but it’s far too late. She’s made him take off the mask he was wearing in their relationship, but she is leaving him alone in the room that she has bravely escaped.“

* Da die Kommunikation unter Fans überwiegend anonym stattfindet, werde ich die Nicknames hier nicht wiedergeben, es sei denn, die beiden Personen bestehen darauf.


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