Bei der norwegischen Vorentscheidung wird zum ersten Mal eine Black Metal Band teilnehmen. Und dies ist nicht als Provokation oder Werbung gemeint, sondern angeblich hat der norwegische Organisator Per Sundnes nach dem Sieg einer freundlichen Polka für 2010 gezielt nach einer härteren, düsteren Musik Ausschau gehalten.
Davon fühlten sich Keep Of Kalessin spontan angesprochen. Mit dem Release ihres neuen Albums lässt sich eine Teilnahme gut kombinieren: “We had made a song with a catchy chorus, so I just sent it to them.“ (Obisdian, bürgerlicher Name: Gronbech, Arnt)
Metal beim Eurovision Song Contest finde ich nicht nur mutig, sondern überfällig. Black Metal für den Gastgeber Norwegen ist sogar konsequent, da dieses Subgenre maßgeblich in Norwegen und Schweden entwickelt wurde. Gitarren- und schlagzeuglastig, teilweise schnell und virtuos gespielte wie auch dissonante Riffs, rhythmisch mitunter sperrig und durch den gutturalen Gesang (Grunzen) bewusst schmutzig gehaltener Klang, geben der Black Metal Musik insgesamt einen emotional aggressiven, harten, ja zuweilen gewollt hasserfüllten Ausdruck. Authentizität wird angestrebt durch eigene Texte und Kompositionen wie auch durch musikalisches Handwerk.
Zur Entstehung ihres Contest-Beitrages: The Dragon Tower
Für den Song Contest wäre Keep Of Kalessin meiner Meinung nach eine Bereicherung. Ich finde diesen Musikstil sogar weitaus angenehmer (und europäischer), als das US-kopierte Black-Music-Geröhre all der Castingstars. Aber wäre eine Teilnahme auch gut für die Band?
Sweet Child In Time
Metal repräsentiert eine Subkultur, die sich bewusst vom Mainstream absetzt und zur Gesellschaft – beim Black Metal besonders zur Kirche – eine kritische bis ablehnende Haltung einnimmt. Für Musiker wie Fans scheint diese Musik als extremer Ausdruck von konfliktreicher Selbsterfahrung sogar eine therapeutische Funktion zu haben. Für Metal- Fans dürfte der Contest somit die Negativfolie plakativer Spaßigkeit, verlogener Pose und verratener Ideale darstellen.
Ich denke, nur wenn Keep of Kalessin ihrem extremen Stil treu bleiben, können sie erfolgreich sein. Wo Tabubrüche wie z. B. Kirchenbrandstiftungen, mysteriöse Todesfälle, Vergewaltigungen und Nähe zum Rechtsradikalismus „normal“ sind, da dürfte ein Auftritt beim Eurovision Song Contest auch noch zu verkraften sein ;-)
Und so soll es sich anhören:
Samstag, 19. Dezember 2009
Dienstag, 1. Dezember 2009
Junior Eurovision Song Contest - eine Nachbetrachtung
Beim letzten Junior Eurovision Song Contest präsentierte der 12-jährige Weissrusse Yuryi Demidovich mit seinem Lied "Magic Rabbit" für meinen Geschmack ein kleines musikalisches Meisterwerk. Wenn ich jedoch die Performance anschaue, wird aus dem Meisterwerk eine Anhäufung von Stilparodien aus Rap, Pop, Rock und opernhaftem Credo und somit eine Lachnummer.
Die Jungs im Background machen alberne Bewegungen und Mienen wie 3-jährige und kriechen dem Vorsänger Yuryi devot zu Füßen, und das in steifen Erwachsenenkostümen. Yuryi wiederum dirigiert mit gebieterischer Miene zunächst seinen kleinen Chor und schließlich das Publikum. Wer hat sich so etwas ausgedacht?
Antwort: Yuryi Demidovich. Zusammen mit seinen Lehrern wurden dann das Arrangement, die Kostüme und die Choreographie entwickelt. Auch der Text ist von Yuryi:
"Somewhere in the dense forest among the blue firs and fairy flowers just lives, and sadly sings songs
Who do you think?
Well who do you think?
Magic Rabbit.
Draws a zero with a chalk, puts on glasses, studies Latin [...]
composes poems, plays on violin, misses him mom."
Yuryi ist Eliteschüler, erlernt seit 9 Jahren Musik, hatte im Bereich Kirchenmusik schon mehrere professionelle Auftritte im In- und Ausland und lt. eigener Aussage den Sieg beim JESC nicht nötig, da seine Universitätsausbildung und seine musikalische Karriere so gut wie sicher sind. Ich schaue mir noch mal die Performance an und denke mir: Auch kleine Eliten werden von den Verhältnissen geformt, die sie repräsentieren. Der Magie des Elfenbeinturms erlegen, bringt sie die Fokussierung auf Sekundärtugenden wie Disziplin, Fleiß, Ambitioniertheit oder Ordnungssinn doch wieder zu Fall.
Übrigens gab es bei der weissrussischen Vorentscheidung ein Jurymitglied (Svetlana Statsenko), die diese gesamte Darbietung eher beängstigend fand und sie deshalb gerne verhindert hätte. Sie wurde daraufhin von der Jury ausgeschlossen mit der Begründung, durch ihre Kritik mit den ethischen Regeln gebrochen zu haben.
Als Gegenbeispiel hier der Siegertitel aus den Niederlanden, der 14-jährige Ralf Mackenbach mit dem Lied Click Clack:
Umgekehrt zum weissrussischen Beitrag bleibt mir die poppige Swingnummer nicht im Ohr haften, aber das Stück besticht durch eine klasse Performance. Statt abgehobener Kopfgeburt scheinen die Niederländer sich zumindest auf ihre eigene Lebensrealität zu beziehen, die sie sportlich und lustvoll auf die Bühne bringen. Auch gibt es keine Hierarchie, alle Performer sind gleichwertig und berühren den Leadsänger mit der Hand, eine Geste, die auch schon der serbischen Siegerin Marija Serifovic Erfolg brachte. Das repräsentiert Teamgeist. Indem das Team in Interaktion virtuos zu beeindrucken versteht, passt es sich lässig und geschmeidig - cool - dem Jugendgeschmack an, und beweist damit sogar Klugheit und Markttauglichkeit.
Dem Kinder-Wettbewerb liegt sicher keine existenzielle Motivation zugrunde, hier sollen wohl Spaß und Spiel im Vordergrund stehen. Dennoch nehme ich eine erzieherische Funktion wahr, indem die Kinder bereits an einen Standard herangeführt werden, der beim Eurovision Song Contest fast schon Norm ist. Viele Beiträge scheinen in ihrer Schlichtheit leider den weniger guten Beispielen des Erwachsenencontestes zu folgen. Aus diesem Blickwinkel muss ich für den weissrussischen Beitrag "Magic Rabbit" eine Lanze brechen, ich finde ihn in seiner Experimentierfreude und Eigensinnigkeit vorbildlich.
Alle Infos zum Junior Eurovision Song Contest entnahm ich der Internetseite der kasachischen Fans:
http://esckaz.com/jesc/2009/
Die Jungs im Background machen alberne Bewegungen und Mienen wie 3-jährige und kriechen dem Vorsänger Yuryi devot zu Füßen, und das in steifen Erwachsenenkostümen. Yuryi wiederum dirigiert mit gebieterischer Miene zunächst seinen kleinen Chor und schließlich das Publikum. Wer hat sich so etwas ausgedacht?
Antwort: Yuryi Demidovich. Zusammen mit seinen Lehrern wurden dann das Arrangement, die Kostüme und die Choreographie entwickelt. Auch der Text ist von Yuryi:
"Somewhere in the dense forest among the blue firs and fairy flowers just lives, and sadly sings songs
Who do you think?
Well who do you think?
Magic Rabbit.
Draws a zero with a chalk, puts on glasses, studies Latin [...]
composes poems, plays on violin, misses him mom."
Yuryi ist Eliteschüler, erlernt seit 9 Jahren Musik, hatte im Bereich Kirchenmusik schon mehrere professionelle Auftritte im In- und Ausland und lt. eigener Aussage den Sieg beim JESC nicht nötig, da seine Universitätsausbildung und seine musikalische Karriere so gut wie sicher sind. Ich schaue mir noch mal die Performance an und denke mir: Auch kleine Eliten werden von den Verhältnissen geformt, die sie repräsentieren. Der Magie des Elfenbeinturms erlegen, bringt sie die Fokussierung auf Sekundärtugenden wie Disziplin, Fleiß, Ambitioniertheit oder Ordnungssinn doch wieder zu Fall.
Übrigens gab es bei der weissrussischen Vorentscheidung ein Jurymitglied (Svetlana Statsenko), die diese gesamte Darbietung eher beängstigend fand und sie deshalb gerne verhindert hätte. Sie wurde daraufhin von der Jury ausgeschlossen mit der Begründung, durch ihre Kritik mit den ethischen Regeln gebrochen zu haben.
Als Gegenbeispiel hier der Siegertitel aus den Niederlanden, der 14-jährige Ralf Mackenbach mit dem Lied Click Clack:
Umgekehrt zum weissrussischen Beitrag bleibt mir die poppige Swingnummer nicht im Ohr haften, aber das Stück besticht durch eine klasse Performance. Statt abgehobener Kopfgeburt scheinen die Niederländer sich zumindest auf ihre eigene Lebensrealität zu beziehen, die sie sportlich und lustvoll auf die Bühne bringen. Auch gibt es keine Hierarchie, alle Performer sind gleichwertig und berühren den Leadsänger mit der Hand, eine Geste, die auch schon der serbischen Siegerin Marija Serifovic Erfolg brachte. Das repräsentiert Teamgeist. Indem das Team in Interaktion virtuos zu beeindrucken versteht, passt es sich lässig und geschmeidig - cool - dem Jugendgeschmack an, und beweist damit sogar Klugheit und Markttauglichkeit.
Dem Kinder-Wettbewerb liegt sicher keine existenzielle Motivation zugrunde, hier sollen wohl Spaß und Spiel im Vordergrund stehen. Dennoch nehme ich eine erzieherische Funktion wahr, indem die Kinder bereits an einen Standard herangeführt werden, der beim Eurovision Song Contest fast schon Norm ist. Viele Beiträge scheinen in ihrer Schlichtheit leider den weniger guten Beispielen des Erwachsenencontestes zu folgen. Aus diesem Blickwinkel muss ich für den weissrussischen Beitrag "Magic Rabbit" eine Lanze brechen, ich finde ihn in seiner Experimentierfreude und Eigensinnigkeit vorbildlich.
Alle Infos zum Junior Eurovision Song Contest entnahm ich der Internetseite der kasachischen Fans:
http://esckaz.com/jesc/2009/
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