Freitag, 30. November 2018

Der Junior Eurovision Song Contest 2018 in Weissrussland

Am 25. November 2018 fand in Minsk der Junior Eurovision Song Contest (JESC) statt. Dies ist sozusagen die Eurovision für Kinder und Jugendliche mit Teilnehmer bis zum Alter von 16 Jahren.

Mit 3 Moderatoren, Einspielfilmchen und flottem Bühnendesign mit LEDs bot Weissrussland dem Publikum eine dem ESC fast ebenbürtige Show. 2018 durfte man sogar mit einer Rekordzahl von 20 Teilnehmern aufwarten. Mit einer Neuerung übertrumpfte der JESC sogar den ESC, denn zum ersten Mal nahm Kasachstan an diesem europäischen Wettbewerb teil. Eine weitere Premiere war der erste Sieg für das Land Polen im Rahmen der Eurovision. 

Leider wurden aber auch die Nachteile des ESC kopiert, bezüglich Voting und Ergebnis sogar überboten. Neben Juroren, bestehend aus pro Land 3 Musikexperten aus der Musikindustrie (hahaha) und 2 Kindern durfte auch das Publikum abstimmen. Letztere konnten bereits Tage vorher über eine Online-Plattform für 3 bis 5 Kandidaten voten. Im Gegensatz zum ESC durfte auch für das eigene Land abgestimmt werden, und auch nicht-teilnehmende Länder konnten sich am Voting beteiligen. 

Ich hoffe, dass den kleinen Interpreten klar war, dass diese Abstimmungsmodalitäten nichts mehr mit Gerechtigkeit oder angemessener Bewertung ihrer Leistung zu tun haben. Ohnehin ist zu fragen, ob es beim JESC nicht ausreicht, nur die Top-Five öffentlich zu machen, statt die Kinder im Endergebnis von 1 bis 20 durchzunummerieren. 

Auffallend am Gesamtangebot waren die vielen abgedroschenen Balladen, teilweise sogar von Kinderduos als Pärchen vorgetragen (Beispiel Niederlande). Das widerspricht völlig der Musik, die sonst unter Kinder- und Jugendmusik verkauft wird. Man bekam den Verdacht, dass beim JESC die Ausschussware des ESC verramscht wird. Dadurch wirkten manche Beiträge streckenweise genauso peinlich, als wenn Senioren versuchen, mit Rap jung und fesh zu wirken. 

Angenehm in Erinnerung geblieben sind mir die flotteren Beiträge aus Albanien, Ukraine und Armenien, teilweise sogar mit witziger Performance vorgetragen. 

Mein Favorit war L.E.V.O.N. aus Armenien:



Die lustigeren Lieder wurden vor allem von der „Fachjury“ mit wenig Punkten abgestraft. Dass die Juroren stattdessen die Schnulze aus Australien unbotmäßig hoch bewerteten, kann ich mir nur mit Korruptheit oder der englischen Sprache erklären. 

Eigentlich ist ja die Landessprache vorgegeben, aber fast keiner der Interpreten verzichtete auf englische Wort- und Satzfetzen im Lied. Vor allem die Französin Angélina lieferte in ihrem charmanten Song mit drolliger Performance einen französisch-englischen Sprachmix, der sehr irritierte. Sie erreichte damit aber dank des Online-Votings immerhin Platz 2. Ein Sprachmix aus französisch und arabisch wäre für einen Beitrag aus Frankreich allerdings repräsentativer gewesen, hätte aber – so darf angenommen werden - mit Sicherheit eine schlechte Platzierung zur Folge gehabt. Der amerikanische Kulturimperialismus hat sonderbarerweise die umschwärmten Refugees als aktive Teilnehmer nicht auf dem Schirm, lieber lässt man sie von und für Gutmenschen besingen (siehe Blog-Beitrag zu Frankreichs ESC-Beitrag 2018).

Bezeichnenderweise lautet der der Titel des etwas schwerfälligen polnischen Siegerliedes von Roksana Węgiel dann auch im besten Polnisch: „Anyone I Want To Be“. So ruft sie uns zu: 

I just wanna scream at the top of my lungs 
Shout it from the rooftop loud I speak my heart and I know I can be Anyone I want to be 

Polen also das Land der unbegrenzten Möglichkeiten... Wieder was Neues gelernt.

Voting- und Gesamtergebnisse JESC 2018 auf Wikipedia.


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