Freitag, 18. Mai 2018

Politik und Militär haben den Eurovision Song Contest nicht vergessen

Nachdem wir Fans 1 Jahr Ruhe vor politisch-militärischer Instrumentalisierung hatten, darf man nach dem Sieg Israels wieder zur Kriegsstimmung übergehen. Nach Verlegung der US-Botschaft nach Jerusalem, Anerkennung Jerusalems als israelische Hauptstadt und der Aufkündigung des Iran-Deals durch die USA wird außerhalb der Eurovisionswelt eifrig polarisiert, die europäischen Länder werden schon wieder zur Positionierung aufgefordert, die Medien werden gemaßregelt. 

Ist es nicht bemerkenswert, dass ich als ESC-Fan schon Monate vorher wusste, dass Israel gewinnen würde? Meine Glaskugel sagt mir zudem, dass Israel für den ESC 2019 solchen Ländern Teilnahme und Einreise verweigern wird, die sich nicht der israelisch-transatlantischen Politik beugen, die z. B. Kontakte zum Iran pflegen. Schließlich wurden bereits 2017 entsprechende „Regeln“ bei der Eurovision erlassen. Damit wäre dann aber für mich ein weiteres Mal bewiesen, dass im Militainment alles nach Plan verläuft und die Europäer beim ESC NICHTS zu melden haben. 

Desinformation und Emotionalisierung
Eine Politik, die auf Eskalation und Konfrontation setzt, täuscht im Boulevard Populärität und Beliebtheit vor. Wenn aber Israel mit der gackernden Netta, dem #MeToo-Thema von und für Gays wieder mit einem oberflächlichen Bezugssystem triumphiert, weiss ich, dass ich es mit psychologischer Kriegsführung zu tun habe. 

Dieses Bezugssystem besteht aus abgedroschenen Phrasen zur Offenen Gesellschaft, mit denen einer durchsexualisierten, kommerziellen und anti-intellektuellen Spaßgesellschaft (Freakshow) künstlich eine revolutionäre Vorreiterrolle unterstellt wird, zu der man sich dann auch noch ständig bekennen soll. Dieses Bekennertum fing 1998 mit dem Sieg einer transsexuellen Sängerin aus Israel sowie der Einführung des Telefonvotings an, und damit auch das ständige Miteinbeziehen, Polarisieren, Entsolidarisieren und Einschüchtern des Publikums. 

Die teilweise pseudo-religiöse Überhöhung von Casting-Sternchen und ihren Rating-Erfolgen, Gender Gaga und Schwulenpropaganda in Dauerschleife, moralische Vorwürfe gegen ein unspezifisches und sprachloses Publikum und Dämonisierung ganzer Länder sind seit 1998 die Lieblingsthemen beim ESC. Das ist weder Unterhaltung noch Information und zerstört bestenfalls die Wahrnehmungs- und Beurteilungsfähigkeit. Schon jetzt kann offensichtlich niemand mehr Show und Realität auseinanderhalten. Und nochmal: 

Die Siege sind vorprogrammiert und die Folgen sind gewollt! 
War es Zufall, dass Netta gleich nach ihrem Sieg das konservative – und derzeit als Pulverfass umstrittene – Jerusalem als Austragungsort nannte?  
Die Süddeutsche Zeitung kritisiert brav: „Netanjahu will den ESC für seine Zwecke missbrauchen“  Daraufhin kontert eine jüdische Newsseite reflexartig mit dem Vorwurf des Antisemitismus und relativiert einige der Vorwürfe. Der Karikaturist der Süddeutschen muss gar den Hut nehmen. In Island wird aus politischen Gründen zum Boykott des ESC in 2019 in Israel aufgerufen.  Auch in Irland ein Boykottaufruf.

Die Jüdische Allgemeine läuft mit ihren Texten zur Sängerin Netta geradezu zur Hochform auf. Neben der Freude schwingt in jedem Text zugleich der Versuch einer Skandalisierung mit. Die Boykottaufrufe sind „anti-israelisch“. Demgegenüber stellt man ein liberales, tolerantes, pluralistisches Israel. Und das ausgerechnet im Zusammenhang mit einer „Freakshow“. Hoppla! Im Text lerne ich, dass Freakshow für den ESC eine „grenzwertige“ Bezeichnung ist. Hat also die Spaßgesellschaft mittlerweile den Rang einer Religion und der ESC ist ihr Gottesdienst...? 

Vonwegen wir haben von alledem nichts gewusst! 
Auch die Qualitätsmedien wussten vorher, dass Israel gewinnen wird - selbst die Jüdische Allgemeine hebt den frühzeitigen Favoritenstatus von Israels Interpretin hervor. Warum entrüstet man sich dann nicht schon im Vorfeld über das abgekartete Spiel? Warum nicht Sorge ausdrücken, bemängeln, scharf kritisieren wie man es bei Nicht-Nato-Ländern seit Jahren praktiziert? 

Erinnert sich noch jemand, wie die LGBT Putins Friedenslied bereits vor dem ESC 2015 zum Kotzen fand? Wenn aber Netanjahu sich als ulkiger Frauen- und Schwulenversteher gibt, ist das kein Thema?

Intellektuelle lassen den Zuschauer regelmäßig im Stich
Warum nicht vorab schon dieser perfiden durchkalkulierten PR-Maschine mit Kriegstaktik den Wind aus den Segeln nehmen? Vor allem sollte man mal Profiteure, Organisation, Vermarktung und aggressive Kommunikationsstrategien dieses durchgeknallten Bezugssystems hinterfragen. 

Israel, Ukraine, Österreich u. a. haben doch nicht gewonnen, weil Juroren und Publikum während des Finales von einem unbekannten Meisterwerk überrumpelt wurden. Vielmehr wurden diese ESC-Siege wochenlang in allen Medien sowie von Fans vorweggenommen, die sich dabei wiederum auf Wettquoten-Ergebnisse, Hitlisten, Ratings, Rankings, Spotify etc. beziehen durften. Mit diesen unüberprüfbaren und manipulierbaren Zahlen kann mit jedem x-beliebigen Beitrag Beliebtheit oder – je nach Kampagne – Feindseligkeit vorgetäuscht werden. Den Rest erledigen zerstörte Maßstäbe, Entprofessionalisierung des Musikjournalismus, schleichende Sprachlosigkeit und Konformismus.


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Samstag, 12. Mai 2018

Aus der Echokammer der Eurovision

Wie kann ein banaler Eurovisions-Beitrag promotet werden, so dass Musikbusiness und Militär davon profitieren? Mit welchen Methoden lässt sich die rechte LGBT beim Eurovision Song Contest regelmäßig instrumentalisieren? 

Psychologisches Nervengift der besonderen Art 
Erinnert sich noch jemand an die Skripal-Affäre? Skripal und seine Tochter Julia wurden am 04.03.2018 im englischen Salisbury wegen Angriff mit Nervengift bewusstlos auf einer Parkbank gefunden. Britische Medien beschuldigten Russland, diesen Anschlag verübt zu haben, legten jeden Tag mit Vorwürfen nach und forderten westliche Verbündete auf, es ihnen gleich zu tun.

Ausgerechnet zu dieser Zeit, am 12.03.2018, tweetete der Sänger Ryan O-Shaugnessy, der Irland dieses Jahr am 12.05.2018 beim Eurovision Song Contest in Lissabon vertritt:

Ryan O'Shaughnessy‏Verifizierter Account @Ryan_Acoustic: The Russians are now threatening a broadcasting ban because of my video for ‘Together’. Anti-gay propaganda regime at its finest! Hilarious if you ask me.. #IDareYou. Seine Aussage bezieht sich auf dieses Video. Im Video wird gesagt, „dass Russland das ESC-Musikvideo aus Irland boykottieren KÖNNTE.“ Ohne Belege, ohne Zitate, einfach mal so. Russland könnte das ja machen…

Diese flappsige Bemerkung wurde sofort aufgegriffen und massenhaft im Internet verbreitet, wie man am Tweet des Iren und später auf den Facebookseiten der ESC-Fans mitverfolgen konnte. Aber wer oder was ist eigentlich Pinksixty? Unter dem youtube-Video finde ich folgende Info: „Pinksixty.com is a ground-breaking service bringing you a daily round-up of LGBT stories from around the globe in just 60 seconds. Produced by experienced broadcasters, we deliver the stories that matter to the gay, lesbian, bisexual and transgender communities around the world. We also offer a weekly entertainment package to keep you smiling over the weekends.“ Als Standort wird Großbritannien angegeben. Ist es da Zufall, dass sich diese Fake-Meldung nahtlos in die von UK losgetretene Empörung über Russland im Fall Skripal einfügt?

Und so wirken Fake-News 
Am 28.04.2018 begannen in Lissabon die Proben für den ESC und damit auch die zahlreichen Meet & Greets und Pressekonferenzen mit Stars und akkreditierten Fans. Hier erlebte man zum ersten Mal, dass Singer-Songwriter Ryan O-Shaugnessy sein angeblich umstrittenes Musikvideo mit dem schwulen Paar 1 zu 1 auf die ESC-Bühne übertragen hatte. Bissig gefragt: Bot sich das nach den bisherigen Behauptungen etwa an?

Bei der 1. PK des Iren wird er nach dem russischen Boykott befragt. Er schildert kurz, wie er diesen Vorfall subjektiv erfahren hat und gibt immerhin zu, dass er nicht weiss, ob es Fake oder Fakt ist. Egal, es wird als Anlass genommen, in Facebook gegen Russland mobil zu machen, beobachtet u. a. in der Facebook-Gruppe „Eurovision Song Contest – Fans Club“. Und wie es so läuft bei der „stillen Post“, wird für die User aus Fake am Ende Fakt, aber nur wegen der ständigen Wiederholung und massenhaften Verbreitung.

Bis zur 2. PK von Irland jedoch scheint sich diese Hetze bzw. Befürchtung totgelaufen zu haben, hier beklagt der irische Sänger nur noch die Zustände im eigenen, konservativ-erzkatholischen Heimatland Irland. Zu einem Boykott des irischen Beitrags im russischen TV während des 1. Semifinales habe ich (und wohl auch die Schwulen) keine Informationen gefunden.

Wenn nicht Russland, dann doch jedenfalls China
Als nicht-europäisches Land nimmt Australien bereits seit 2015 am ESC teil. Genau wie die nicht-europäischen Länder Kanada und Südafrika hat auch China 2013 sein Interesse bekundet, im Contest involviert zu sein und durfte den ESC übertragen. 2016 wurden sogar die chinesischen Kommentatoren vor Ort in einem Video vorgestellt. Nun aber hat China dieses Jahr während der Übertragung des 1. Semifinales den irischen Beitrag, die Regenbogenflagge und die Tatoos des albanischen Sängers geschnitten. Daraufhin hat die EBU blitzschnell mit Aufkündigung des Vertrages reagiert.

Nun, da China aus dem Spiel ist, wird von Fans vor Ort wieder die Frage aufgeworfen, ob nicht vielleicht auch das bereits ausgeschiedene Russland den Auftritt des Iren doch noch zensiert.

Zum Auftritt des Iren: Hier passiert nichts. Dass das überhaupt etwas mit Schwule zu tun hat, habe ich nicht gesehen, sondern musste ich nachlesen. Zudem haben schon alle vorangegangenen Provokationen von Dana International (1998) bis Conchita Wurst (2014) nicht gezogen, warum also sollte Russland sich ausgerechnet über dieses Video mokieren? Allein das wirkt auf mich wie an den Haaren herbei gezogen. Aber lassen wir uns überraschen...

Fragen über Fragen...
Warum Chinesen allerdings die Übertragungsrechte des ESCs kaufen, bleibt mir ein Rätsel. Geht es wirklich nur ums lukrative Show-Business? Wollen sie die Show irgendwann aufkaufen? Warum eine Show übertragen, um dann bestimmte Szenen, die nicht ihrer Tradition entsprechen, zu zensieren? Wird damit die Konfrontation geradezu gesucht?

Bei Befürwortern der sog. Offenen Gesellschaft rennt man mit diesen Meldungen offene Türen ein. Schwule können sich damit ihrer Exklusivität versichern, sie können Geschlossenheit demonstrieren, sich ihre Feinde bestätigen und sich weltweit als arme Opfer inszenieren. Die betreffenden Länder hingegen scheinen sich von westlich gefeierten Beliebtheiten und Popularitäten nicht beeindrucken zu lassen. Gehen sie gar davon aus, dass die "Reflexbeißer" der Offenen Gesellschaft mit ihrem geschlossenen Auftreten gar nicht den Zuspruch in der Gesellschaft haben, den sie mit Massenshows und Awards vortäuschen?


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