Sonntag, 29. April 2012

Eurovision In Concert 2012 in Amsterdam

Am 21.04.2012 fand in Amsterdam zum 4. mal das Eurovision In Concert (EIC) statt, eine Art abgespeckter Eurovision Song Contest für solche Fans, die in einem unbefangeneren Rahmen auf Tuchfühlung mit den Stars gehen möchten. Das Event wird zwar nicht europaweit im TV übertragen, aber dafür findet man auf youtube zahlreiche Spontan-Interviews und Sessions. 

Als "The biggest Eurovision Promo Event in Europe!" soll es den oftmals unerfahrenen jungen Stars ermöglichen, den sicheren Umgang mit den Medien zu üben. Der Vorteil: Außerhalb des Wettbewerbs mit seinen stringenten Vermarktungsstrategien präsentieren sich die Interpreten viel lockerer und sympathischer.

Im folgenden Video interviewen sich Can Bonomo aus der Türkei und Kurt Calleja aus Malta gegenseitig - oder eben auch nicht ;-)



Zum Erlebnis mit Can Bonomo berichtete ein Fan im Fanforum: "Als ein Freund ihn auf den Straßen Amsterdams gesehen hat und er mit seiner Gruppe überlegt hat, ob er zu ihm hingehen soll, hat Can geahnt, dass sie ihn erkannt haben und da ist er einfach auf sie zugegangen und hat sie angesprochen. Das finde ich extrem grandios! - Can scheint wohl einer von den größten Sympathieträgern des Jahres zu sein." So wird man also Sieger der Herzen

Im Schnelldurchlauf kann man schon mal einen Vorgeschmack auf das bekommen, was uns in Baku erwarten wird. Ich bin mit dem Gesamtangebot an Liedern und Interpreten dieses Jahr sehr zufrieden. Diese Auftritte in Amsterdam gefallen mir übrigens viel besser als die Wettbewerbsauftritte, auf kleinerer Bühne und ohne einstudierte Choreographien und steifen oder überdrehten Klamotten sind die Interpreten viel näher am Publikum.



Teilgenommen haben 23 Länder, die übrigen Länder haben wegen Terminüberschneidungen abgesagt. Zu Deutschland hieß es auf der meist gelesenen Eurovision-Informationsseite esckaz:"Roman Lob is the only Eurovision artist who has totally rejected all proposals for Eurovision related interviews this year, handpicking only the couple of German media plus appearing at local TV and radio." 


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Freitag, 27. April 2012

Engelbert Humperdinck beim Eurovision Song Contest - I am in it to win it!

Gewonnen hat er schon. Und zwar die Aserbaidschaner, genauer, die Präsidentenfamilie, was in Aserbaidschan viel, wenn nicht sogar alles bedeutet. 

Kurz nach seiner Nominierung durch die BBC am 01.03.2012 feierte „Humpster“ Freundschaft mit dem Schwiegersohn des Präsidenten, Emin Aghalarov, gut betuchter Popstar – und die britische BP feierte wahrscheinlich mit.

Sollte es denn wirklich so sein, dass geopolitische Erwägungen und Strategien beim ESC eine Rolle spielen, ist Großbritannien mit Engelbert gut aufgestellt. Seit 60 Jahren kontinuierlich am Weltruhm gearbeitet, erfahren, zuverlässig, stilsicher. Damit kann man sich sehen lassen. Damit kann man sich sogar hören lassen. Engelberts Beitrag „Love Will Set You Free“ von Sacha Skarbek und Martin Terefe ist Engelbert's Alter (76) sowie auch dem Eurovision Song Contest angemessen.



Age before beauty
Zu den alten, drolligen Omas aus Russland gesellt sich nun also ein alternder Gentleman aus UK. Die mitstreitenden Omas haben schon angedroht, ihm in Baku mit einer Coverversion seines „Release Me“ ein Ständchen zu bringen.

Warum eigentlich nicht? Besser als „den elenden, gekünstelten Castingvermarktungsjungblödmusikwahn" meinte meine Bekannte. Ja, besser auf jeden Fall.

„So there is something wonderful about the Lad from Leicester going up against a contingent of children in a continent in which there are no children", so die Daily Maverick. "Europe is aging."


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Montag, 23. April 2012

Aufrecht geh'n

Im vorangegangenen Text ging es um die vordergründige Politisierung des Eurovision Song Contestes. Damit geht auch eine  Entpolitisierung politischer Themen und Formate einher. 

Für die zornigen Aufrufe nach Boykott und Ausschreitungen haben die Deutschen bislang keine offiziellen Verbündeten unter den Eurovisions-Ländern gefunden. Dafür aber eine degenerierende Öffentlichkeit,  die  dem Nebenschauplatz der Menschenrechtsheuchelei und der Meinungsunfreiheit auf den Leim geht. Für diesen maximalen Medien-Lärm: 12 points. Leider. 

Aber warum Heuchelei? „Dann holen wir halt den Weltkrieg raus“, so die Titelzeile von Stefan Niggemeier auf Spiegel-Online vom 18.04.2012, um nur EIN Beispiel zu nennen. Diese Hasstiraden haben mit Humanität nichts zu tun, sie sind publizistische Selbstmordattentate. Und keiner stoppt sie. Bei ausgerechnet diesem Gutmenschen-Themenmatsch von Schlagerwettbewerb, Reisebericht, Außen- und Wirtschaftspolitik tragen die deutschen Medien also wieder Uniform. 

Sorry, aber mit dem Verschwinden von Inhalten, Argumenten und Fakten, bei dem skrupellosen Missbrauch von Gutgläubigkeit, Themen und Events geht mein Respekt baden. 

Baku wird sich aufgrund dieses Riesen-Events einen Monat im Ausnahmezustand befinden. Aus 42 Ländern werden Delegationen samt Journalisten und zahlreichen Fans aus allen europäischen Ländern anreisen. Und ausgerechnet zu diesem Event fällt den Deutschen als mitverantwortlicher Teil der EBU nichts Besseres ein, als Ausschreitungen herbeizusehnen und den Weltkrieg rauszuholen. 

Deutschland setzt sich mit einer Einladung zu einem glamourösen Event zu Aserbaidschan in Beziehung, nur um dies zum Anlass zu nehmen, dem Gastgeber unentwegt das Sektglas ins Gesicht zu schütten und in die Suppe zu rotzen. So werden wir Deutsche nicht aufrecht nach Baku gehen, nie mehr. Wie soll man den persönlich bekannten aserbaidschanischen Fanclub-Kollegen noch unter die Augen treten? 

Germany: 0 points. 


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Freitag, 13. April 2012

Deutsche Treibjagd um den Eurovision Song Contest dreht auf Vollrausch

In Deutschland gerät der Eurovision Song Contest zunehmend in die Negativschlagzeilen. Die Medien berichten mehr über angebliche Missstände im Austragungsland Aserbaidschan als über Musikstücke und Interpreten. Wer sich intensiver mit Politik und Wirtschaft beschäftigt mag wissen, welchen Zweck diese Politisierung verfolgt. Mir als organisierter ESC-Fan soll das aber egal sein. Nicht die Politik, sondern ausschließlich die Musik ist mein Hobby und es schmerzt, wenn mir mein Hobby durch die Einmischung der Politik zerstört wird.

Beispielhaft für Agitation ist der Spiegel-Artikel Unser Eklat für Baku von Stefan Niggemeier vom 16.02.2012. Schon der Auftakt provoziert: „Zu Gast bei Schurken? Party beim Diktator?“ Diese Polemik zieht sich durch den gesamten Artikel. Die von Niggemeier zitierten Menschen werden wie in einer Inquisition vorgeführt, die Politisierung des ESC und die Aserbaidschan-Frage werden zu reinen Gewissensfragen. „Es ist schwierig, sich da zu positionieren (…), ohne dass man jemanden Unrecht tut“, so die kluge, weil ausweichende Antwort der Musikerin Alina Süggeler (Frida Gold). Das aber nimmt Niggemeier sofort zum Anlass, der ARD auch gleich eins zu verpassen: Diese habe nämlich „bislang darauf verzichtet, das Land (Aserbaidschan) zum Thema zu machen."

Fazit des Artikels: Die Dämonisierung des Orients scheint abgemachte Sache, jetzt müssen nur noch alle in Linie gebracht werden. Seitdem werden die Vorwürfe von Menschenrechtsorganisationen auf Onlinemedien im Stundentakt repetiert. Was den Initiatoren dieser Kampagne dabei aus dem Blickwinkel gerät ist, dass die Wahl ihrer Zielgruppe (Berufsgruppen und private Interessengruppen rund um einen Schlagerwettbewerb) sowie die Art ihrer Berichterstattung mit politischer Rationalität, Information und Aufklärung nichts zu tun haben: Laien werden mit außenpolitischen Themen überrumpelt, ihnen wird eine Positionierung abverlangt, eine Meinung nahegelegt und ein Betroffenheitskult aufgezwungen. Ist das jetzt die hohe Schule der Diplomatie, der Politik? Betroffen macht mich bestenfalls, dass weder die Fanclubs noch die Organisatoren vom NDR oder der EBU diesem offensichtlichen Missbrauch des Eurovision Song Contestes die rote Karte zeigen.

Der unauffällige Weg rechter Ideologien in den Pop-Mainstream
Diese Medienberichterstattung schafft die harmlose, verspielte Unterhaltungsshow ab. Die ehemals eher belächelte Show wurde schon 2009 zur ernsten Angelegenheit deutsch-nationalen Ausmaßes umformuliert. Die Musik tritt in den Hintergrund, hervor gestrichen werden nun Schlagworte wie Emotionalisierung und Länderwettstreit. Nur welche Zielgruppe will man damit erreichen? Nach meiner Beobachtung der letzten zwei Jahre entwickeln sich die ehemals smarten schwulen Fan-Communities mit den früheren Meinungsführern wie Georg Ücker und Thomas Hermanns und ihrem Faible für operettenhafte Ästhetik mehr und mehr zu locker organisierten, aber gut vernetzten Gruppen, die gerade in einem Länderwettstreit ihr Freund-Feind-Schema pflegen können.

Prominentestes und hoffentlich abschreckendes Beispiel ist ein Zitat aus dem Manifest des norwegischen Attentäters Anders Behring Breivik: "Saturday May 14 - Day 13: It's the Eurovision finale today. I just love Eurovision...!:-) It's a lot of crap music but I think it's a great show all in all. I've seen all the semi finals and will take the time of to watch it later today, online. My country has a crap, politically correct contribution as always....I hope Germany wins". Breivik legt in diesem Manifest nicht nur Pfade zur Eurovision, sondern auch zu Politically Incorrekt. Verwirrend? Für mich seitdem ein Grund, die gesamte Berichterstattung einschließlich ihrer Internetkampagnen rund um den ESC mit großer Vorsicht zu genießen.

Rebellen und ESC-Hooligans
Und nun wird ausgerechnet Thomas D, diesjähriger Jury-Chef und Produzent von Roman Lob das deutsche Gesicht einer aktuellen Internetkampagne für mehr Meinungsfreiheit im Gastgeberland des Eurovision Song Contestes in Aserbaidschan. Es ist gut, wenn Musiker ihre Verantwortung Ernst nehmen und sich gegen Missstände aussprechen. Die besten Beispiele für Erfolg lieferten schon zahlreiche Soli-Konzerte. Nur: Im Rahmen eines kommerziellen Länderwettstreites wirkt dieses Engagement bestenfalls wie PR für den deutschen Markt und bewirkt international genau das Gegenteil: Die Entsolidarisierung der Musiker und Fans (OGAE).

Zudem stellt eine solche Kampagne die Organisatoren vor unlösbare Probleme. Was tun, wenn die Gemüter sich aufheizen, die Situation sich destabilisiert, eskaliert? Erste Anzeichen dafür gibt es bereits. So berichtete Ria Novosti am 06.04.2012, dass "Sicherheitskräfte in Aserbaidschan bei den jüngsten Sonderoperationen 17 Mitglieder einer illegalen bewaffneten Gruppierung festgenommen haben, die Diversionen und Terroranschläge auf dem Territorium der Republik geplant hatten [...] mit dem Ziel, die gesellschaftspolitische Stabilität im Land zu untergraben und Panik in der Bevölkerung zu säen." In Folge wurden Fans im Internet mit weiteren geplanten Terroranschlägen auf den ESC verunsichert, die aber von dem aserbaidschanischen Terrorismus-Experten Kamil Salimov noch als unrealistisch eingestuft werden.

Fazit
Mein Eindruck ist, dass Musiker und Fans von dieser Treibjagd überrumpelt werden. Aufallenderweise trug der b. e. Artikel der Frankfurter Rundschau bei der Erstveröffentlichung am 02.04.2012 den Namen Thomas D im Titel, einen Tag später springt uns nur noch sein Foto entgegen. Auch scheinen sich Thomas D und Roman Lob nie zuvor mit dem ESC beschäftigt zu haben. Dann wäre ihnen zumindest die verblüffende Ähnlichkeit ihres gekauften Songs „Standing Still“ mit dem aserbaidschanischem Siegersong des Vorjahres „Running Scared“ aufgefallen: Die gleichen Akkorde, die gleichen Kadenzen, das gleiche Thema, der fast gleiche Titel. Am deutschen Wesen die Welt genesen lassen, und zugleich mit einer Kopie des Feindes an den Start gehen?

Der ESC in Aserbaidschan – Made in Germany
Bei all dem heraufbeschworenen Groll wird völlig außer Acht gelassen, dass sich gerade die Deutschen beim ESC in Aserbaidschan an Mangel über lukrative Aufträge nicht beklagen können. Die deutsche Alpine Bau Deutschland AG und das Berliner Büro Gerkan, Marg und Partner bauen die Baku Crystal Hall, Lichtvision aus Berlin ist für die Lichtgestaltung und Brainpool für die Produktion der Show verantwortlich.


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Dienstag, 10. April 2012

Eurovision Song Contest - Joan Franka - Make Love, Not War

Das Motto der niederländischen Pop- und Folksängerin Joan Franka springt einem gleich auf der Startseite ihrer Homepage entgegen, und zwar in Form eines Fotos ihrer Inspiration: John Lennon und Yoko Ono.


"De jaren 60 waren natuurlijk de tijd van hoop, saamhorigheid, peace & love en mooie muziek!" Diese Vorliebe spiegelt sich demenstprechend auch in ihrem gemeinsam mit Jessica Hogeboom geschriebenen Eurovisions-Song "You And Me" wieder.


Auch bei den Niederländern war ich dieses Jahr sehr gespannt auf ihren Beitrag. Schon seit Jahren verpassen die Niederländer den Einzug ins Finale, obwohl sie regelmäßig starke SängerInnen am Start haben. Meist liegt es an der unpassenden Performance, an unvorteilhafter Kleidung oder am banalen Lied. Dieses Jahr wollte man alles richtig machen und beauftragte Europas bekanntesten Medienmogul John de Mol: "Wir haben in den vergangenen Jahren sehr schlecht abgeschnitten, ich habe die starke Hoffnung, dass wir endlich irgendwie eine Antwort darauf finden, wie wir im Wirrwarr der europäischen Länder einen Act entwickeln, der endlich wieder oben mitspielt."

Ganz uneigennützig war sein Engagement für den ESC allerdings nicht. De Mol, der das Castingformat "The Voice" entwickelte, welches mittlerweile in ca. 35 Ländern übernommen wurde, plant eine private Konkurrenzshow zum Eurovision Song Contest. In "Voice Of Europe" werden dann wie beim ESC Interpreten unterschiedlicher Länder um die Wette singen mit dem Unterschied, dass den einzelnen Ländern das Format der Vorentscheidung mit "Voice of" vorgeschrieben wird. Bei solchen Plänen bietet es sich natürlich an, beim ESC vorzufühlen.

Mit zusammengebissenen Zähnen akzeptierten die Niederlände dann auch, dass beim diesjährigen "Nationaal Songfestival" fast nur ehemalige Teilnehmer von Voice of Holland an den Start gingen. Als ich allerdings den Auftritt und das Outfit meiner Favoritin Joan Franka sah, wäre ich fast in Ohnmacht gefallen.




Die 1990 in Rotterdam geborene Joan Franka, mit bürgerlichem Namen Ayten Kalan, ist vor allem seit 2010 durch ihre Teilnahme bei Voice of Holland bekannt geworden, wo sie es bis zur 6. Liveshow brachte. Gleich nach der Show bekam sie vom Produzenten Holger Schwedt das Angebot, ein Album aufzunehmen. Joan willigte ein, aber nur unter der Bedingung, dass sie ihre Lieder selber schreiben durfte: "Ik wilde gewoon graag alles doen op mijn manier”. Dann folgte die Einladung für die nationale Vorentscheidung, die sie schließlich gewann. Aufgrund ihrer türkischen Wurzeln konnte sie bislang als eine der wenigen ESC-Teilnehmer dieses Jahr auch schon in der türkischen Presse punkten. Ihre Hobbies sind Musik und Poesie bzw. Songwriting: "Ik verwerk mijn emoties door te schrijven; soms zijn dat nummers en soms zijn dat gedichten. Als ik ergens over wil schrijven doe ik dat, maar meestal komt de inspiratie ineens uit het niets en moet ik het meteen opschrijven of in mijn telefoon opnemen!" Und:

"Ik hou er van om creatief bezig te zijn, ook door middel van kleding”.

Hoffentlich fällt ihr für ihr Outfit beim Eurovision Song Contest in Baku doch noch was Besseres ein als eine Indianertracht. In ihrem kürzlich veröffentlichten Preview-Clip zu You And Me sieht sie jedenfalls schon mal viel besser aus. Das lässt hoffen!!





Quellen
Biographie von Joan Franka