Sonntag, 17. September 2017

Allahu Akbar

Allahu Akbar ist aus dem Islamischen und heißt "Gott ist am größten". Im Alltagsgebrauch wird es auch wie "Oh, mein Gott!" verwendet. Seitdem Medien täglich von Selbstmordattentätern berichten, die diesen Ausspruch vor ihren Anschlägen ausrufen, bekommt Allahu Akbar in unserer Gesellschaft eine zunehmend negative Konnotation. Mir sind diese Worte als Liedtitel eines pakistanischen Musikstückes von Shuja Haider begegnet und sie stehen für mich seitdem für vollendete Harmonie zwischen Orient und Okzident.



Seit 2008 betreibt Coca Cola in Karachi/Pakistan ein Musikstudio und gibt pakistanischen Musikern die Möglichkeit, ihre Musik auf hohem Niveau einzuspielen und sich damit in einer TV-Serie und im Internet bekannt zu machen.  Das Ergebnis scheint mir wie auf meine westlich sozialisierten Ohren zugeschnitten. Wie diese Fusion zwischen Ost und West in der islamischen Welt wahrgenommen wird, kann ich nur den Kommentaren im Internet entnehmen. Beispiele:
  • Very nice Love from Saudi Arab
  • Assalamualaikum. Beautiful Song!! - love from Bangladesh! Jazakallahu Khairan :)
  • There was not a second when the goosebumps left my body throughout this beautiful piece. So much soul! To say that it is moving is such an understatement! Love from India! Praying for friendship, brotherhood and love!
  • allahu akbar ya salaaam love from Somalia
  • BBC CNN say muslims blow after saying Allah HU Akbar look they made a mesmerising tune out if it proven that this time they blew it in a different way u have knife now its down to you to cut an apple with it or a human same Allah hu Akbar is a word associating it wid terrorism is unfair. Anyways this Hamd should be played in UN assembly.
Auf der Suche nach neuen musikalischen Sounds
Die Musikstücke werden in Serien (Season) ausgestrahlt, mittlerweile ist man bei Season 10. Nach meinem Geschmack wirken die späteren Session im Vergleich zur ersten, wo man noch vor Publikum spielte, schon etwas dressiert. Gerade bei der fantastischen ersten Session hatte ich das Gefühl, afghanische und pakistanische Musiker wollten nahtlos bei Woodstock ansetzen und auf hohem Niveau weitermachen. Das Hörerlebnis war wie eine Zeitreise in die 70er-Jahre-Discotheken meiner Jugend, im folgenden Stück meine ich vor allem beim Mittelteil auf einem fliegenden Teppich Richtung Asien zu schweben

Schon als Jugendliche faszinierten mich Folkmusik und psychedelische Musik von z. B. Jeffersen Starship, Aphrodite's Child oder Ravi Shankar. Hingebungsvoll lauschte ich den Bemühungen der Incredible String Band, östliche Musiktradition und Philosophie in ihren Musikstücken zu verarbeiten. Das alles scheint rückblickend nur eine Übung gewesen zu sein für das, was Coca Cola in Pakistan seit 2008 möglich macht.

Offenheit zwischen Ost und West
In der islamischen Musiktradition steht der Gesang zentral, die Sänger sind herausgefordert je nach Gefühlslage die Melodien zu variieren und zu improvisieren, was für westliche Ohren oftmals als „schief“ oder „klagend“ empfunden wird. Dieses Gefühl wird noch durch Begleitmusik in Tonsystemen mit Mikro-Tonschritten verstärkt.

Mir missfallen Blues, Soul und Ghospel, auch die Stimmklangfarben ausgebildeter Stimmen unserer klassischen Musik sprechen mich nicht an. Und unsere Popmusiker können leider oftmals nicht singen. Das ist bei den pakistanischen Musikern anders. Sie singen wie Popmusiker mit natürlicher Stimme, verfügen aber über eine gewaltige Stimmbeherrschung. Im Coke-Studio wird oftmals zugunsten unseres westlichen Dur-Moll-Systems auf das arabische Tonsystem verzichtet, wie auch mein Beispiel Allahu Akbar zeigt. Dadurch wird die exotische Musik sehr eingängig.

Auch das traditionelle Arrangement spricht mich an. Die kräftigen Stimmen von Shafqat Amanat Ali Khan & Ahmed Jehanzeb bilden einen Gegenpart zum Orchester und zum Männerchor. Die Solisten singen nie gleichzeitig, mit dem Chor agieren sie wie in einem Dialog. Polyphonie ist der islamischen Musik übrigens fremd. Das Orchester setzt auf traditionell pakistanische (Dholak, Harmonium, Tabla, Bansuri) wie auf westliche Instrumente (Mandoline, Gitarre, Bass, Schlagzeug, Geigen, Klavier, Cello) was zudem – genau wie die traditionelle Kleidung und Accessoires der Musiker - sehr schön anzuschauen ist.

Musiker im Coke-Studio beim Einstudieren und Einspielen ihres Musikstückes: