Samstag, 28. November 2015

Deutsche Gesinnungspolizei beim ESC mit Breivik in "bester" Gesellschaft

40 Mitarbeiter der ARD haben sich als Eurovisionswächter aufgeschwungen, um die schöne heile unanfechtbare Welt der Eurovision vor einer Rufschädigung durch Xavier Naidoo zu schützen. Wie heile ist die Welt der Eurovision? Verlangen uns deutsche Gesinnungspolizisten nicht vielmehr eine Doppelmoral ab?

Vorweg: Für mich sind Inhalte, Personen, Hypes und Skandale beim ESC über die Jahre hinweg austauschbar geworden. Vielmehr interessieren mich Strukturen und Strategien. Inhaltlich distanziere ich mich von allen an dieser Diskussion beteiligten Gruppen.

Der prominenteste und konsequenteste Eurovisionswächter ist Anders Behring Breivik 
Er griff gleich zur Waffe. In seiner auf der pro-amerikanisch pro-israelisch ausgewiesenen Seite PI veröffentlichten Abschlussrede aus 2012 begründet Breivik seine 77 Morde nicht zuletzt mit Missständen beim ESC. Anhand der Kommentare ist ersichtlich, dass er mit seiner Wahrnehmung nicht mal alleine steht. In einem Zitat kurz vor seinem Attentat aus 2011 outet Breivik sich sogar als Deutschland-Fan: „I hope Germany wins.“. 

Warum drängten Gesinnungspolizei und Eurovisionswächter der ARD nicht auf Abgrenzung von Breivik und PI? 
Von deutschen Medien wurde Breiviks Bezug auf den ESC zwar als Beweis seiner Durchgeknalltheit registriert: 

Spiegel  
Hamburger Abendblatt  

Aber niemand hat daraus die Schlussfolgerung gezogen, dass Breiviks durchgeknallte Rechtfertigung ein nicht weniger durchgeknalltes Bezugssystem voraussetzt. 

Und dieses Bezugssystem wird als unanfechtbar schöne heile Welt gehandelt?! 
Solange Profiteure, Organisation, Vermarktung, Drahtzieher und vor allem aggressive Kommunikationsstrategien im Eurovisions-Diskurs nicht hinterfragt werden, können selbsternannte Eurovisionswächter ganze Bevölkerungsgruppen täuschen und terrorisieren. 

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Sonntag, 22. November 2015

NDR gräbt anderen eine Grube und fällt selber hinein

Seit 1998 ist es Aufgabe des NDR, vom ESC-Wettbewerb abzulenken und die Leute auf einem Nebenkriegsschauplatz aufeinander zu hetzen. Sie nennen es fachmännisch Polarisierung. Schon am Titel der Vorentscheidung „Ein Song für Xavier“ statt „Ein Song für Stockholm“ erkannte ich die gewollte Provokation. 

Prachtexemplar ihrer gelungenen Polarisierung war stets Stefan Raab, der damit die Schadenfreude und Niedertracht im Mainstream salonfähig machte. Das sollte witzig sein. In den Jahren 1998, 2000 und 2004 hatte Raab wie ein verdeckt arbeitender Werbeträger mit seinen gewaltwitzigen Polarisierungen in erster Linie für Rundfunk und Telekom das Telefonvoting anzufeuern. Seit 2010 haben sich mit ihm als Held verbale Schlägertrupps beim ESC etabliert. Das Ergebnis dieser Strategie ist, dass „deutscher Erfolg“ nur noch in Form eines Gesamtpaketes aus törichten Dilettanten und eines verkommenen Supportes geduldet wird. Und genau diesen selbst herangezüchteten Support hat der NDR jetzt kennenlernen dürfen. 

Was der NDR jedes Jahr den Nicht-Nato-Ländern anutut, hat er selber nicht mal 48 Stunden ausgehalten 
Seit Jahren hält der NDR Fans und Zuschauer dazu an, aus dem Spielring zu treten und ahnungslose Teilnehmer der Nicht-Nato-Länder mit Steinen zu bewerfen. Jeder erinnert sich an die Ressentiments des Kommentators Peter Urban gegenüber Russland und Weissrussland. Der jüngste NDR-Angriff galt wieder Aserbaidschan. Der Erfolg dieser Angriffe misst sich an den Hasstiraden deutscher Fans und der Lautstärke ihrer Buhrufe im Saal. Jetzt hatten wir endlich unseren deutschen Soul-Sänger, der uns veranlasste, dass wir uns mal selber und den NDR mit Steinen bewerfen. Was der NDR jedes Jahr den Nicht-Nato-Ländern monatelang zumutet, hat er selber nicht mal 48 Stunden ausgehalten. 

Warum so ein Boohai um einen politischen Dilettanten Naidoo, der nur dummes Zeug redet?  
Selbst wenn Naidoo glanzvoll abgeschnitten hätte, wären ihm, wie beim Sieg des Bundesvision Song Contest, die Buhrufe sicher gewesen. Denn die kamen bereits 2012 und hatten weniger mit Politik, sondern eher mit einem Glaubwürdigkeitsverlust zu tun. Spätestens als seine „Fans“ angesichts seiner umstrittenen Polit-Reden auf facebook zu Soli-Käufen seiner Platten aufforderten, kommt mir die Kunstfigur Naidoo nur noch als die Personifizierung perfider Musik-Promotion vor. Damit also wie geschaffen für den ESC. 

Von Geschmacks- zur Gesinnungsdiktatur  
Bei seinen umstrittenen Reden 2014 setzte er als Polit-Laie ausschließlich auf seine Popularität. Sein Anliegen war es, seine emotionale Betroffenheit kundzutun: "Ich bin eigentlich nur hier, um die Liebe zu repräsentieren". Was für ein Quatsch! 

So viel Naivität ist durchtriebenen Vertretern psychologischer Kriegsführung (Querfront? PI?) natürlich ein gefundenes Fressen. Dumm nur, dass ihre Angriffe dann nicht mehr nur Naidoo gelten, sondern gleichzeitig auch den ahnungslosen Bürgern, zu denen Naidoo einen politisch nicht-legitimierten, kumpelhaften Kuschelkurs aufbaut: Reichsbürger, Verschwörungstheoretiker, Nationalisten, Homophobe, Pädophile... Vor geltungssüchtigen Promis, die ständig ihren Kompetenzbereich überschreiten, sind wir nicht mehr sicher. Ich erinnere an die Auftritte der ESC-Siegerin Ruslana während des Maidan, an Klitschko & Co. 

Durch das idiotische Betroffenheitsgeschwafel dubioser Promis werden wir alle zu Opfer einer aggressiven Kommunikationsstrategie
Diese setzt auf Dilettanten und Möchtegerne, mit denen Show und Realität vermischt werden. Das zerstört langfristig Fairness und Maßstäbe. Ständig wird unsere Wahrnehmung und unser Beurteilungsvermögen irritiert und infrage gestellt. Es wird ein künstliches Freund-Feind-Schema erzeugt und alle werden zur Positionierung gezwungen. 

Der Beweis: 2 Stunden nach der Bekanntgabe der Nominierung Naidoos durch den NDR gab es bereits ein verstörendes 7-Minuten-Interview auf RadioEins mit dem NDR-Verantwortlichen Thomas Schreiber. In Berufung auf den ARD-Hauptstadtkorrespondenten Arnd Henze musste sich Schreiber bereits nach der 4. Minute von seinem RBB-Kollegen die Frage gefallen lassen: Wie stehen Sie zum 11.09.? 


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Mittwoch, 11. November 2015

Der ESC als Versuchslabor militärischer Konflikte

Vor kurzem überreichte mir jemand fassungslos einen Text aus dem Vereinsheft des ESC-Fanclubs ECG zum russischen Beitrag, geschrieben von Christian Welisch. Der Text, erschienen im August 2015, ist ein Appell, den ESC als eine Polit-Veranstaltung einzuordnen, um Länder wie Russland oder Aserbaidschan endlich offen angreifen zu dürfen. 

So heisst es dort u. a. „Russland habe die Krim besetzt“ und „ein Passagierflugzeug über der Ukraine abgeschossen“. Den Lesern wird erzählt, dass „Homosexuelle in Russland nicht mal Bürger zweiter Klasse sind“, dass Russland versucht „vor der UN in Zusammenarbeit mit islamistischen Diktaturen homosexuellen Mitarbeitern und ihren Partnern die Versorgungsleistungen zu kürzen“ und den „LGBT-Aktivisten Konstantin Golawa ohne Gerichtsverhandlung […] auf eine Terroristenliste gesetzt hat“. „Die russische Unterdrückung Georgiens bis 1989“ und „der Einmarsch im Jahr 2008“ machen die Aufzählung komplett. 

Meine Antwort 

Warum will Christian Welisch seine Politthemen ausgerechnet für unpolitische Schlagerfans in einem als Musikfanclub eingetragenen Verein thematisieren? Oder anders herum: Warum betreiben die Mitglieder ausgerechnet unter dem Schutzmäntelchen eines Schlagervereins verdeckt Politik? 

Ich empfehle Welisch zudem die Tabellen und Links aus Udo Ulfkottes Buch „Gekaufte Journalisten“. Sie weisen darauf hin, dass deutsche Medien nicht weniger propagandistisch sind als die russischen, indem sie einseitig von Interessengruppen der USA, Israel und Nato gelenkt werden. Beim Eurovision Song Contest kann ich dementsprechend nachweisen, wie sich z. B. der NDR für Propaganda den zustimmenden Jubel in Kommentarspalten, Blogs und Fanzines aufbaut, z. B. im Text Mainstream-Musik und Menschenhass

Der hier zugrunde gelegte Text ist ein weiterer Beleg. Er zeigt, wie Schlagerfans nicht nur die einseitige Berichterstattung der „Qualitätsmedien“ übernehmen, sondern auch die politische Geste der moralischen Eckensteher imitieren. Sie maßen sich sogar an, die EBU gegen Russland politisch unter Druck zu setzen: „Ärgerlich ist nicht, dass die EBU für den problematischen Aspekt des Politischen beim Song Contest keine Lösung parat hat, sondern die Tatsache, dass sie dieses Phänomen beharrlich leugnet.“ 

Worin besteht die Überlegenheit der moralischen Eckensteher? 
Sie besteht im blinden Vertrauen auf Medien, die möglicherweise alles andere als unabhängig sind. Sie besteht im Glauben an den Mainstream, an die Wahrheit des Show-Business, an ein blödsinniges Eurovisions-Regelwerk, an verzerrte Votings und erschwindelte Rankings. Das ist eigentlich nur peinlich. Aber Vorsicht: 

Was sich für Außenstehende als ein schlechter Witz darstellt, ist für die schwulen ESC-Fans existenziell wichtig 

20 Jahre lang haben Rundfunkhäuser und Musikindustrie eine trügerisch intime Nähe zu den Fanclubs aufgebaut. Homosexuelle wurden als Parade-Fans in die erste Reihe gesetzt und es wurde ihnen suggeriert, sie seien allein aufgrund ihrer sexuellen Vorlieben die Krönung der abendländischen Zivilisation. Um dies zu begründen bräuchte es keine Erklärung, sondern nur DIE perfekte visuelle Inszenierung à la Dana International (Israel 1998) oder Conchita Wurst (Österreich 2014). 

Mit fortwährender Emotionalisierung, mit Verwässerung der Grenzen zwischen Nähe und Distanz, Bühne und Publikum, Profiteure und Konsumenten, Politik und Unterhaltung, medialer Show und Intimsphäre dürften die Schwulen beim ESC mittlerweile das Gefühl haben, ihre ganzen Persönlichkeitsaspekte stünden auf dem Spiel. Um so leichter kann man ihre Ängste ausbeuten und sie gegen Bösewichter jedweder Art scharf machen. Und die kommen – wen wundert es – ausgerechnet aus den Nicht-Nato-Ländern Russland, Weissrussland, Serbien und Aserbaidschan. 

Durch Hervorhebung des Länderwettstreits, Produzieren von Feindbildern im Osten und im Islam und permanenter Umschmeichelung der Homosexualität wurde den überwiegend männlichen Fans ein hegemonialer Habitus antrainiert. Auffallenderweise verlassen sich weibliche ESC-Fans bislang lieber auf ihre eigene Wahrnehmung und sind weniger bereit Vorurteile bedingungslos hinzunehmen. Dies beweist nicht nur mein Blog, sondern auch ein Artikel im gleichen Vereinsheft zu Polina Gagarina von Margit Herrler. 


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