Freitag, 10. August 2012

Die schwedischen Teddybären des Grauens

Nein, das ist nicht der Name einer neuen Boygroup für Malmö 2013, der Titel bezieht sich auf eine PR-Aktion der schwedischen Agentur Studio Total, die gegen Weissrussland gerichtet ist. OK, wenn weder ein osteuropäisches oder islamisch geprägtes Land den Eurovision Song Contest oder die Fußball-EM auszutragen hat, aber man dennoch weiterhin Hasskampagnen gegen diese Länder pflegen möchte, muss man sich eben künstliche Anlässe dafür schaffen. Und ich stelle schon mal vorab eine Wette auf: Bis spätestens Mai 2013 wird die Ausgrenzung Weissrusslands aus der Eurovions-Gemeinde die Titelschlagzeilen der Boulevardpresse beherrschen.

Zur Aktion: Am 04.07.12 berichtete das schwedische Info-Portal The Local, dass ein Flugzeug mit maskierten Piloten in der Nacht von Litauen in Richtung Weissrussland geflogen sei, um dort innerhalb von 1 1/2 Stunden hunderte mit Aufrufen nach Meinungsfreiheit und Demokratie präparierte Teddybären über den Präsidentenpalast abzuwerfen. 

Dumm nur, dass es niemanden interessierte. Und so wurde in der Folgezeit mit weiteren aufgemotzten Meldungen versucht Aufmerksamkeit zu erringen, indem man z. B. immer wieder bewies, dass diese Aktion wirklich stattgefunden habe. Und jetzt noch mal in deren Worten: "Planning for the teddy bear drop, which was inspired by Belarus's pro-democracy movement, began nearly a year ago and required two of the organizers to undergo flight training in order to carry out their daredevil voyage – only a matter of months after receiving their pilot's licences." Erinnert ein wenig an 11/9 und soll alles in allem 150.000 Euro gekostet haben, die die Werbeagentur selber finanziert haben will. Frage: Wovon lebt eine solche Werbeagentur eigentlich?

Wer sich das alles selber durchlesen will:

http://www.thelocal.se/41816/20120704
http://www.thelocal.se/41838/20120704
http://www.thelocal.se/42048/20120716

Bekannten, denen ich den Link dieser Aktion schickte, winkten ab mit der Begründung, dies sei wohl nur ein schlechter Witz. Ähnliches muss die weissrussische Regierung auch gedacht haben, denn dort reagierte man nur zögerlich. Wer - außer vielleicht Julian Assenge - geht auch schon davon aus, dass ausgerechnet das Biedermann- und Musterland Schweden mit solchen überflüssigen und niederträchtigen Provokationen zum Brandstifter für einen europäischen Krieg werden möchte?

Den Rest nur kurz: Irgendwann wurden Videos und Fotos ins Netz gestellt, so dass die weissrussische Regierung zum Handeln gezwungen war. Es folgten Verhöre und Verhaftungen von beteiligten Personen. Generäle, die nicht rechtzeitig eingegriffen haben, wurden gefeuert, das Verteidigungsministerium gerügt, der schwedische Botschafter ausgewiesen, die weissrussische Botschaft zurückgepfiffen... da wird sicherlich noch mehr kommen...

Weissrussland hin...
Mich interessiert vielmehr, wie sich die Deutschen bzw. deutschen Medien dieser Sache annehmen. Hier wird nämlich der Anlass - das unerlaubte Eindringen in den weissrussischen Flugraum und das Abwerfen von präpariertem Müll - ausgeblendet oder zumindest banalisiert. Nur weil sich die Angreifer spaßige Teddybärmasken aufsetzten und sich dabei das Etikett "Menschenrechtler" antackerten, ist diese Aggression plötzlich gerechtfertigt? Waren es nicht genau diese Masken, die uns zunächst an einen Stofftierhorrorfilm erinnerten? Und legitimieren vordergründige maskierte Teddybär-Spaßaktionen demnächst auch das Bombenabwerfen auf Kinder?

Stattdessen wird in deutschen Medien gegen die Reaktionen des Opfers polemisiert.
taz: Der autoritäre Präsident von Belarus, Alexander Lukaschenko, läßt mal wieder Köpfe rollen.
Welt: Präsident Alexander Lukaschenko "wirft alle schwedischen Diplomaten aus Weißrussland raus", twitterte Bildt [Außenminister].
Spiegel: Die autoritäre Ex-Sowjetrepublik Weißrussland schließt wegen schwerer Verstimmungen mit Schweden ihre Botschaft in Stockholm.

Aserbaidschan her...
Nach der Hetzkampagne in Aserbaidschan haben sich übrigens die deutschen Politiker bei den Aserbaidschanern entschuldigt, mit der Begründung, diese Kamapagne wäre ausschließlich von den Medien betrieben worden, vor denen auch sie nicht geschützt wären, wie das Beispiel Christian Wulff belege. So, so. Und das wollen sie vor uns noch als Meinungsfreiheit verteidigen und in die Welt tragen? Sind die irre? Warum entschuldigen sie sich überhaupt? Und warum NACH der Kampagne? Angst?

In der Tat wirkt die wenig informative Eintönigkeit des deutschen Medienbreies, ihre Scharfmachereien und Pöbelaktionen in Dauerschleife beängstigend und einschüchternd. Ob es dabei um eine Einzelperson (Wulff) oder um eine von Thilo Sarrazin verhöhnte Bevölkerungsgruppe oder um ganze Länder geht, scheint austauschbar. Sie signalisieren: Es könnte alle und jeden treffen.

Als Eurovisionsfan nehme ich seit 2008 eine immer einseitigere, aggressive politische Vereinnahmung von Themen der Unterhaltungsindustrie (ESC), des Sports (EM) und der NGO's wahr. Dieser umfassende Zugriff auf Institutionen, Politik und Bürger hat was Entmündigendes und Totalitäres. Mit Meinungsfreiheit und Demokratie hat das jedenfalls nur wenig zu tun.


...