Samstag, 14. August 2010

Geloven in het Leven - die 3JS für die Niederlande

Die Niederländer haben ihre Teilnehmer für den Eurovision Song Contest 2011 bereits nominiert, und zwar entschied sich die TROS für das Trio 3JS. Dies wurde von vielen Fans mittlerweile enthusiastisch begrüßt (ich mit einbeschlossen), andere wiederum fragen sich entsetzt, wie sich diese Musiker so einem albernen Spektakel wie dem ESC hingeben können. Grund für ihre Zusage ist ihre Wahrnehmung, dass neuerdings nicht mehr irgendwelche schrägen Nummern, sondern endlich wieder die Lieder und die Musik im Vordergrund stehen.

Am 08. August 2010 sind sie trotz vollen Terminkalenders für den Radio 2 Zomerhit Award per Helikopter an den Strand von Sint-Laureins in Westende (Belgien) geflogen und haben dort für die
B.O.Studio’s ein Interview gegeben. In diesem sympathischen und unterhaltsamen Interview geht es ausschließlich um ihre Teilnahme am Contest im nächsten Jahr, ich habe es daher im Anschluss an das Video ins Deutsche übersetzt.



Reporter
: Jaap de Witte, Jan Dulles und Jaap Kwaakmann, bekannt als die 3JS, kommen – wie vom Himmel gefallen – aus den Niederlanden, und zwar von der Gay-Pride – habe ich gehört…?

Jan Dulles
: Nein, wir waren nicht auf der Gay-Pride, da waren unsere Kollegen Nick und Simon, wir sind darüber hinweggeflogen. Wir hatten keine Zeit dahin zu gehen, aber eigentlich sind wir auch lieber hier [in Belgien].

Reporter
: Ihr werdet zum Eurovision Song Contest gehen, wo ihr dann mit der großen weiten Welt konfrontiert werdet, aber was ist nun eure wirkliche Motivation, da mit zu machen?

Jan Dulles
: Wir möchten einfach das ganze Spektakel mal mitmachen. Es schauen 135 Millionen Menschen zu, es scheint ein ungeheuerliches Spektakel zu sein, nun ja, ihr wisst es ja eigentlich besser als wir… Wir möchten nächstes Mal dabei sein und dort ein schönes Lied von uns präsentieren.

Reporter
: Die Niederländer sind wegen der jahrelangen schlechten Resultate mittlerweile ziemlich müde vom Contest, müsst ihr jetzt das Vaterland retten?

Jaap Kwaakmann
: So lautet der Auftrag, aber damit können wir uns nicht beschäftigen, dann würde die Last zu schwer werden. Man muss von dem ausgehen, was man kann und will. Wenn man alle externen Faktoren wie Meinungen und Kritik mit einbeziehen würde, das wäre wie beim Fußball, da gäbe es dann auf einmal in den Niederlanden 80 Millionen Coaches, die es alle besser wissen. So ist es ja auch schon beim ESC, aberdarauf können wir uns nicht einlassen.

Reporter
: Jeder Musiker hat doch als Teilnehmer des ESC einen Plan, ihr geht sicherlich nicht nur hin, weil die TROS es gerne möchte, was ist euer wirkliches Ziel? Und richtet sich euere Zielsetzung auf den inländischen oder ausländischen Markt?

Jaap de Witte
: Inländischer Markt und Belgien, unsere Ambitionen gehen nicht darüber hinaus.

Reporter
: Es wird gesagt, dass ihr auf jeden Fall auf Niederländisch singen werdet…?

Jan Dulles
: Nun, das steht noch nicht fest. Wir werden 5 Lieder schreiben und einige Melodien, die wir schreiben, erfordern nun mal einfach einen englischen Text. Wir wollen auf keinen Fall jetzt schon versprechen, dass es ein niederländisches Lied werden wird.

Reporter
: Ich habe mir sagen lassen, dass eure Lieder im Ausland geschrieben werden sollen, und zwar in Frankreich. Wann wird das geschehen?

Jaap de Witte
: Das wird im Oktober und November sein. Wir haben in beiden Monaten eine Woche dafür reserviert. Wir hoffen, in dieser Zeit die Lieder fertig zu stellen, vielleicht sogar noch mehr, aber für die Vorentscheidung werden es 5 Lieder sein.

Reporter
: Ist es euer Anliegen, in diesen 5 Liedern dem Publikum euer gesamtes Repertoire und euer Können anzubieten und vorzuführen?

Jaap Kwaakmann
: Das wäre schön, aber da muss man sehen, was dabei herauskommt. Es ist natürlich das Bestreben, eine Art Zusammenstellung verschiedener Genres abzuliefern, von Ballade zu einer Up-Tempo-Nummer, so dass es eine echte Auswahlmöglichkeit gibt. So ist unser Plan, wie es letztendlich wird, daran müssen wir jetzt hart arbeiten.

Reporter: Eure letzte Single "Geloven in het Leven" habt ihr gemeinsam mit John Ewbank aufgenommen, und das Lied hat einen sehr schönen internationalen Sound. Ist das ein Mann, der als Unterstützung für eure Kompositionen in Frage kommt?



Jan Dulles
: Prinzipiell ja, aber John ist schon sehr ausgelastet. Jetzt ist er eingespannt bei den Aufnahmen von Marco Borsatos neuestem Album, dessen Lieder sind alle von John. Aber wir haben ihn schon angerufen und gefragt, ob er ggf. für den Notfall zur Verfügung steht. Kann also sein, aber das kann man bei John wegen Zeitmangel nie genau sagen.

Reporter
: Wie wird die Auswahl eurer Lieder vonstatten gehen? Beschließt das die TROS oder seit ihr autonom in euren Entscheidungen?

Jaap de Witte
: Ja, wir können einbringen, was wir gut finden, wobei wir allerdings nicht all zu extrem sein dürfen. Die TROS hat uns ihr Vertrauen geschenkt. Wir werden die 5 Lieder selber einbringen, was davon zum Contest geschickt wird, das wird das Publikum und eine Fachjury entscheiden.

Reporter
: Die irische Folkmusik ist eure erste musikalische Visitenkarte, wird das auch ein Element in eurer Auswahl sein, dies auch in Bezug auf den internationalen Sound?

Jaap Kwaakmann
: Es wäre etwas sonderbar, wenn wir ausgerechnet irische Einflüsse mit einbringen würden. Da würden ja die Iren sofort denken „Moment mal, das ist aber von uns!“, und so etwas geht auf dem internationalen Podium einfach nicht. Aber etwas Internationalität wie bei der Weltmusik, das könnte auf internationale Bühne gut funktionieren, und das ist uns natürlich nicht fremd.

Reporter
: Ich habe gesehen, dass euer erstes und zweites Album eine special edition bekommen hat, das dritte Album ist jetzt auch schon raus, wird also dann auch eine special edition herauskommen mit den fünf Liedern, die ihr noch komponieren werdet?

Jan Dulles
: Darüber wurde schon nachgedacht, aber noch ist nicht entschieden, wie wir diese fünf Lieder herausbringen werden. Wir können damit auch nicht bis zum vierten Album warten, das wäre auch sonderbar, also darüber müssen wir noch nachdenken.

Reporter
: Ein äußerst wichtiger Punkt beim Contest, ja noch wichtiger als die Musik, ist die Kleidung. Habt ihr dafür schon Entwürfe erstellt?

Jaap de Witte
: Wir werden dafür noch in ein schönes Modegeschäft gehen, aber wir werden keine verrückten Dinge ausprobieren, es wird nichts Bombastisches geben, einfach nur drei Jungens mit wahrscheinlichen drei schönen Anzügen, zwei Gitarren und eine Stimme. Und das wird reichen.

Reporter
: Ihr dürft mit sechs Leuten auf die Bühne, wird es trotzdem bei den 3JS alleine bleiben?

Jan Dulles: (Scherzen) Wir werden wahrscheinlich mit sechs Leuten auf der Bühne stehen, wir brauchen noch drei Musiker, und das werden wahrscheinlich Bass, Drums und Violine sein.





Reporter: Nick & Simon z. B. ?

Jan Dulles
: Nee, das wäre dann doch zu durchsichtig.

Reporter
: Ich habe in euren Online-Shop geschaut. Ihr verkauft offensichtlich Strings. Wird es für den Contest davon etwas Contest-Spezifisches geben?

Jan Dulles
: Die Strings gehen nicht wirklich auf unser Konto. Ich weiß nicht, ob die belgischen Frauen vielleicht darauf stehen, aber: Die könnt ihr kaufen!

Donnerstag, 5. August 2010

Die Imkermeister des natürlichen Kunsthonigs

Dass Lena Meyer-Landrut nächstes Jahr ihren Titel beim Eurovision Song Contest verteidigen soll, war also schon vor dem Finale 2010 abgesprochen. Das bestätigt meine Wahrnehmung, dass sie uns regelrecht aufgezwungen wird. Gestern abend Werbung für Lena in den ARD-Nachrichten... und ich fühle mich langsam wie ein Versuchskaninchen.

Starkonzept „Lena“

Ich bin erstaunt, dass so ein autoritäres Starkonzept in der Popmusik überhaupt ankommt. Es ist ja nicht so, dass Lena ambitioniert und exzentrisch auf die Kacke hauen will, sondern sie folgt brav und bieder einem maßgeschneiderten Plan: "Ich muss nicht noch mal gewinnen". so
Lena in einem Interview. Warum denn ein zweites mal mitmachen, Lena? Zwingt dich jemand?

Die Lena-Attribute "Natürlichkeit, Anmut, Aura" haben sich mittlerweile auch als schlichte Verkaufsstrategie entpuppt: "Alles zu extra gemacht, zu viel Absicht, zu groß und dick, die coole Friedrichshain-Fensterglasbrille, irgendwie", so
Böhmermann in seinem Blogartikel. Sein Fazit:

Da muss mehr kommen!

Ich frage: Was soll da eigentlich jetzt noch kommen? Beim Lena-Starkonzept hat man den Sieg eines internationalen Musikwettbewerbs, der doch eher als Höhepunkt einer Karriere Sinn macht, an den Anfang gesetzt, jetzt folgt naturgemäß das Recyclingprogramm. Welchen Sinn macht es überhaupt, den ESC mit solchen Kunst-Karrieren zu trivialisieren, wenn man doch eigentlich mit dem Thema längerfristig Geld verdienen möchte? Oder etwa nicht? Vorbild könnten Schweden und Norwegen sein.

Warum das Geld immer nur in die Taschen einiger weniger fließen lassen? Warum die gesamte deutsche Musikszene ausgrenzen? Warum keine Vorentscheidung mit unbekannten UND bekannten Stars? Der Bundesvision Song Contest wäre doch da ein guter Anfang.

Risiko? Beim Blick auf die
Landkarte der diesjährigen Punkteverteilung ist doch eine Blockbildung nicht von der Hand zu weisen. War Lenas ESC-Erfolg vielleicht doch eher ein außermusikalischer? Die Jurys minimierten den Risikofaktor Publikum. Um nun auch von unten zu überzeugen, greift man seit Web 2.0 gerne auf Marketing-Strategien des Social Networking in Kommunikationsportalen (Facebook, Foren, Blogs etc.) zurück. Fleißigen Support leisteten hier angeblich die Kirchen. Dementsprechend hieß Lenas erster Karriereknick nicht etwa Jennifer Braun oder Safura, sondern Joachim Gauck.

Die Imkermeister des natürlichen Kunsthonigs erschaffen sich ihren natürlichen Kunst-Fan

Aufgrund "eines" Liedes und noch vor Lenas "einem" Auftritt fanden sich schon zahlreiche absolut begeisterte Lena-Fans auf Facebook und in einem Lena-Forum zusammen. Dafür mussten sich aber Stars von Vicky Leandros bis zu den Beatles mehr anstrengen. Mit anderen Worten: Grotesk!


Lena-Fans sind auch nicht die schon vorher dagewesenen Hardcore-ESC-Fans. Den landeseigenen Beitrag in allen Ehren, aber ESC-Fans interessieren sich genauso viel oder sogar mehr für Beiträge aus anderen europäischen Ländern, vor allem, wenn diese ihre Herkunft erkennen lassen und in Landessprache gesungen werden. Überhaupt ist die Landessprache zu einer Art musikalischer Parameter avanciert, sozusagen als zusätzlicher Sound. Das gilt für jede Sprache, außer Englisch. In diesem Sinne haben Lena und die ESC-Fans sich eher verpasst.


Lena-Fans scheinen sich nur bedingt für Musik, mehr für Lena und am meisten für Deutschland zu interessieren. Überhaupt scheint die Lena-Frage bei ihnen weniger eine Geschmacks- sondern eher eine Gesinnungsfrage zu sein. Fast könnte man meinen, sie nähmen Lena und Raab nur als Aufhänger, um ihr nationalistisches Gedankengut und ihre autoritären Denkformen unters Volk zu bringen. X-beliebiges Beispiel aus einem ESC-Kommunikationsportal, das ESC-Fans überzeugen soll: „Ich vertraue Raab blind, er weiß was das Beste ist. Wer Deutscher ist und beim ESC gut abschneiden will, sollte auf Raabs Entscheidungen vertrauen.“


Stefan Raabs Erfolg...

... besteht darin, dass der NDR ihn in eine Position gehievt hat, von der aus er die ARD, deren Jugendwellen, die Presse, die Musikszene, die Fans und nicht zuletzt Lena Meyer-Landrut 2010 vor sich hertreiben und 2011 in ihre parasitären Ecken zurück verweisen kann. Mit inszenierter Verantwortung und unternehmerischer Tatkraft wird Raab uns als „neutrales“ Wunschbild des erfolgreichen Neoliberalen präsentiert. Dementsprechend hebt er in jeder PR-Meldung nicht etwa seinen musikalischen Stil oder seine Themen, sondern ausschließlich seinen Geschäftssinn hervor. In dieser Hinsicht bietet er sich genau wie Lena wie eine inhaltsleere Projektionsfläche an, die für Vereinnahmungen geradezu prädestiniert ist:


USFO als deutsch-nationale Aufgabe unermesslichen Ausmaßes.

Das deutsche Volk steht hinter Lena.

Lena unsere Rettung.

Lena, wir danken dir.

usw. usw.


Lena hat sich nie aktiv mit Musik beschäftigt, bis heute keinen geraden Ton gesungen und kam zu ihrem Erfolg wie die Jungfrau zum Kind. Wenn das Anlass zum Nationaljubel ist, könnte man genauso gut jedes Wochenende den neuesten Lottokönig preisen. Zudem aus pädagogischer Sicht ein unverantwortliches Signal an die Pisa-Generation: Pfeift auf eine Ausbildung, rühmt unter der Deutschlandfahne lieber das Glück der Auserwählten.


Freerk Huisken bezeichnet dieses Phänomen in seinem Text "
Lena, Lena, Lena. Der natürlich gänzlich unpolitische Sonntagsnationalismus" als Sonntags- und Partynationalismus, der nicht weniger gefährlich ist, nur weil er sich auf Trivialitäten wie den ESC oder die WM bezieht. Im Gegenteil! Aus dieser Perspektive macht es allerdings Sinn, wenn die deutschen Imkermeister einen Noname zur Bienenkönigin gemacht haben. Jeder renommierte Musiker, der sich vor solch einen Karren spannen lässt, müsste zumindest vor seinen Fans Rede und Antwort stehen. Aber der „neutrale“ Geschäftsmann Raab und „irgendeine“ Lena? Ein Schelm, wer Böses dabei denkt.